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Gu Changwei: Peacock (China 2004)

Kritik von Ekkehard Knörer 

Drei Geschwister, chinesische Provinz, siebziger Jahre. Von diesen Äußerlichkeiten aus arbeitet „Peacock“, das Regiedebüt des Kameramanns Gu Changwei nach einem hervorragenden Drehbuch von Li Qiang, so entschieden wie sorgfältig nach Innen. Er erzählt die Geschichte einer Familie, so einfach kann man es sagen, so einfach geschieht es. Im ersten Teil konzentriert er sich auf die Tochter, aus der Großes werden könnte. Sie sprengt die Grenzen, die das Elternhaus, das Dorf, die Konventionen ihr setzen. Eines Tages landet neben ihr ein Fallschirmspringer auf der Wiese, der weiße Schirm senkt sich auf sie, sie befreit sich und will als Fallschirmspringerin zum Militär. Das Vorhaben scheitert, keine große Geschichte, aber es wird die Geschichte ihres Lebens.

Der eine ihrer beiden Brüder ist fett, er ist geistig zurückgeblieben, er wird von allen gehänselt. Sein Bruder, seine Schwester schämen sich für ihn. Eines Nachts, der Film erzählt auch das mit dem ihm eigenen Understatement, wollen sie ihn vergiften. Die Mutter bemerkt es und am nächsten Morgen vergiftet sie vor den Augen der Beinahe-Mörder eine Gans. Sie stirbt, die Kamera verweilt auf dem Tableau, zeigt, wie das Tier sich windet, aber im rechten Moment, noch bevor sie tot ist, wird abgeblendet.

Das ist die große Kunst von „Peacock“: Das Gefühl für das Abblenden im rechten Moment, für das Zeigen im rechten Maß, für das Schweigen da, wo es angebracht ist. Nicht einmal hascht dieser Film nach einem Effekt, nicht einmal glaubt er, etwas explizieren zu müssen, das sich auch implizit zeigen lässt. Er ist nüchtern bis ans Herz und doch nicht kalt. Er hat Mitleid mit den Leidenden und sucht nicht ein bisschen nach einer Versöhnung, die immer nur falsch sein müsste. Der Kameramann Gu Changwei entwirft als Regisseur und mit Hilfe seines Kameramanns Yang Shu Bilder, die nicht aus sich heraus beeindrucken wollen, sondern einfach präzise sind, die zeigen, ohne den Zuschauer zu irgendetwas zu nötigen. Nicht zu Tränen, nicht zu Mitgefühl, nicht zum Hass auf die Borniertheit der ganz normalen Unmenschen, die man hier sieht.

Allen lässt der Film Gerechtigkeit widerfahren. Die Eltern, die der Tochter und dem jüngeren Sohn das Leben zur Hölle machen, lieben den behinderten Sohn bedingungslos. Und umgekehrt: Die Tochter, die in dem ihr gewidmeten Kapitel das Mitsehnen und Mitgefühl auf sich zieht, scheut vor dem Mordversuch an dem Bruder, den sie sonst immer zu verteidigen sucht, nicht zurück. Erzählt wird die Geschichte vom kleinen Bruder, der sich in einem sparsam eingesetzten Voiceover-Ich aus dem Off erinnert. Fast ist die Stimme wichtiger als das, was er sagt. Diese Stimme ist, wie der Film „Peacock“, auf eine sanfte, aber tiefe Traue gestimmt. Er erzählt von der Vergangenheit ohne den leisesten Anflug von Nostalgie. Es ist ein Film, der seine Größe niemandem aufnötigt, und umso nobler ist er. An keiner Stelle erweitert er die Möglichkeiten des Kinos, das ist wahr. Aber er besitzt eine Sicherheit im Ton, im Rhythmus, im Maß der einesetzten filmischen Mittel, die ihn im Umfeld des diesjährigen Wettbewerbs doch zu einem Ereignis macht.

Und noch etwas: Bei aller Bewunderung für den einen Ton, auf den Julia Hummer und Sabine Timoteo ihre Figuren in Christian Petzolds „Gespenster“ zu stimmen verstehen. Die Leistung von Zhang Jingchu in der Rolle der Schwester (alle Figuren bleiben namenlos) überragt alles, was ich an nuancierter Ausdrucksfähigkeit in der letzten Woche gesehen habe. Sie macht, wie der ganze Film, gar nicht so viel. Wie aber fast unvermerkt die Verwandlung von der lebenslustigen jungen Frau zur etwas verhärmten Geschiedenen in ihrem Gesicht, in ihrer Körperhaltung sich abspielt, das ist von jener Überzeugungskraft, die im Unspektakulären liegt und eben darum gerne übersehen wird.

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