QUAND LA MER MONTE bekommt den Preis für das hässlichste Filmplakat
der letzten zehn Jahre und ist dabei gar kein hässlicher oder
uninteressanter Film.
Als Theaterfilm stellt er eine Ausnahme dar, ganz einfach, weil sich in diesem
Genre kaum jemand für die Sparte "Kleinkunst" interessiert, die
Bühnenauftritte in QUAND LA MER MONTE aber ohne jeden Zweifel in dieser
Sparte angesiedelt sind, und auch sonst relativ viel Zeit darauf verwendet
wird, einen Berufsalltag zwischen Kulturzentren, Jahrmarktzelten, dem Festsaal
eines Altenheims und einem "Festival des Lachens" irgendwo in der Provinz
zu porträtieren. Irène (Yolande Moreau) ist Komödiantin,
fahrende Künstlerin mit Kombi und zwei Koffern, auf Tour durch ein
Nordfrankreich der Ausfallstraßen, Hochspannungsleitungen und
nachsaisonalen Seebäder, eine seltsam schüchterne Alleinunterhalterin
mit einer bitterbösen Bühnenshow, der irgendwo zwischen den
Städten Bethune und Saints Gardiers die Liebe passiert wie eine Autopanne.
Irènes Bühnenshow trägt den Titel "Sale Affaire", ihre
Bühnenfigur ist geradewegs dem Grand Guignol entstiegen: ein proletarisches
Hausfrauenmonster mit Fleischerhänden und Henkeltasche, auf der Suche
nach der endgültigen Amour Fou, die sie immer wieder von Neuem beginnt
und stets nach kurzer Zeit auf blutige Weise beendet. Das Monster sucht einen
Mann, das ist hier die Bühnenstory, und im Rahmen der Bühnenshow
wird dieser Partner auf Zeit Abend für Abend aus dem Publikum rekrutiert:
klassisches Mitmachtheater mit ein paar sadistischen Zügen, ganz und
gar darauf aufgebaut, dass es an jedem Abend einen anderen trifft.
Wie andere Theaterfilme auch, befasst sich QUAND LA MER MONTE mit der Spannung
zwischen Wiederholung und Abweichung, indes besteht die Wiederholung hier
gerade im fortgesetzten Austausch der Bühnenpartner, während die
Abweichung genau dort beginnt, wo auf der Bühne mit einem Mal die
Wiedeholung einsetzt. Eines Abends, im Kulturzentrum von Bethune, steht neben
dem Monster auf der Bühne derselbe Typ, der bereits vor zwei Tagen dort
stand und auch am Abend darauf in die Vorstellung gekommen war; irgendwo
dazwischen hat die Liebesgeschichte begonnen, die kaum länger als ein
paar Tage dauern wird, und deren Regellosigkeit nirgends deutlicher Ausdruck
findet als in der regelwidrigen Wiederwahl des Bühnenpartners.
Am Ende, als klar ist, dass es 'so nicht weiter gehen' gehen kann, wird auch
dies im Rahmen einer Theatervorstellung kommuniziert werden, genauer:
kommuniziert und markiert mit der Rückkehr zur bewährten Matrix
des Partnerwechsels. Ein neues Gesicht auf der Bühne, im Zuschauerraum
der Liebhaber mit dem enttäuschten Gesicht. Man spricht nicht viel in
diesem Film, aber man versteht die Gesetze des Theaters für die Zwecke
der Liebe zu manipulieren.
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