Ein unerfreulicher Film, und das ist noch zurückhaltend formuliert.
Das Verhältnis, das Mel Brooks' Sein oder Nichtsein zu der
berühmten Vorlage von 1942 unterhält, ist weder eines der Nachahmung
noch eines der Überbietung, sondern eine Mischung von beidem: in manchen
Momenten sklavische Kopie, in anderen (den meisten) bemüht, witziger,
spannender, mit einem Wort: besser zu sein als das Original, was insgesamt
106 Minuten in Anspruch nimmt und nicht eine einzige lang unterhaltsam ist.
Besser sein wollen und es (den Plot, die Story, überhaupt: die Sache)
schlechter machen. In den Diskursen über das Remake gehört dies
zu den Konzeptionen, die sich am hartnäckigsten behaupten, oft zu Unrecht
und ebenso oft zu Recht und manchmal, wie eben im Fall von Sein oder
Nichtsein, gestützt durch Anschauungsmaterial, das, Bild für
Bild, vor Augen führt, daß sich unter Umständen auch viel
Aufwand treiben lässt, um aus einer gelungenen Szene eine schlechte
zu machen. Alles, was man dem Remake gemeinhin vorwirft, ist in diesem Film
zu finden: die Tendenz zur Simplifizierung von Konstellationen und
Abläufen; die Vergröberung von Figuren oder Konflikten; das
Nicht-gut-sein-lassen-Können, das Immer-noch-verdeutlichen-Wollen, die
überflüssigen Zusätze, die unglücklichen Streichungen,
eine Beziehung des zu nah / zu fern, die jede Emanzipation von der Vorlage
ausschließt und zugleich verlangt, daß an dieser unausgesetzt
herumgedoktert wird.
Jozef Tura ist der Star der Truppe, er ist eitel und er will Hamlet spielen:
Im Film von 1942 ist dies eine der wenigen Konstanten in einem Reigen der
immer rasanteren Permutationen. Bei Brooks agiert Jozef Tura nicht nur als
Star der Truppe, sondern auch als ihr Regisseur und Prinzipal, und was er
am liebsten auf dem Spielplan sieht, ist nicht das Stück von Shakespeare,
sondern ein Potpourri, das (haha!) den Titel trägt: "Die besten Szenen
aus Hamlet". Lubitsch wird Tura, der so gerne den Hamlet spielt, dieses
Vergnügen nur am Anfang und Ende des Films gewähren; dazwischen
gibt der Schauspieler mal den infamen Professor Siletski, mal den
Gestapoführer Ehrhardt und immer wieder auch den eifersüchtigen
Ehemann, was ihn bei der Darstellung der beiden anderen Figuren gelegentlich
etwas aus dem Konzept bringt. Mel Brooks, der die Figur Jozef Tura
praktischerweise gleich mit sich selbst besetzt hat, läßt diesen
nicht nur in allen drei Rollen aus der Vorlage auftreten (Hamlet, Siletski,
Ehrhardt), sondern auch (hoho!) als Adolf Hitler, genauer: in der Rolle jenes
Schauspielers, der für einen kurzen, aber entscheidenden Augenblick
Hitler mimen muß, was in der Version von 1942 noch dem kleinen
Charakterspieler Bronski vorbehalten ist, dessen Namen der Regisseur des
Remakes ebenfalls appropriiert.
Er, Brooks, schafft sie alle - Tura, Hamlet, Siletski, Erhardt, dazu Bronski
und Hitler -, und er will zeigen, was in dem alten Film steckt, der doch
eigentlich ganz gut funktioniert, aus manchen Szenen indes nicht ganz
herausgeholt zu haben scheint, was Brooks in diesen angelegt sieht. Lubitschs
Sein oder Nichtsein ist ein Uhrwerk, Ergebnis einer unvergleichlichen
Ökonomie, die für Akteure, Auftritte, Wortwechsel, etc. gerade
so viel Zeit einräumt, wie erforderlich ist, um sie als Versatzstücke
zur weiteren Verwendung zu etablieren. Das Remake von Brooks eine Nummernrevue,
in der für Ökonomien wenig Platz ist, und die deshalb mehr und
mehr an Tempo verliert, bis kaum mehr übrig ist als Klamauk und ein
paar Restbestände des alten Szenarios.
Restbestände oder auch: Lieblingsmomente. Eine Geste, ein Augenaufschlag,
die spezifische Intonation einer Frage, eine Gestalt, die im Hntergrund
vorbeiläuft, oder ein Satz, der vor dem Abgang einer Figur durch eine
winzige Drehung des Kopfes eingeleitet wird. Neben den Verschlimm-besserungen,
aus denen der Film von 1983 im wesentlichen zusammengesetzt ist, enthält
der zweite Sein oder Nichtsein auch ein paar Augenblicke, die ganz
und gar der exakten Reproduktion gewidmet sind - ein wenig fetischistisch,
ein wenig idolatrisch und ins Spektakel der angestrengten Überbietung
eingestreut wie eine Serie von Vignetten. In solchen Momenten verwandelt
sich das Remake wirklich in ein Duplikat des Originals, oder besser: der
eine Film in ein Museum des anderen. Die Stimmübungen des Schauspielers
Ravic vor seinem Auftritt als Claudius. Das Lächeln Anna Bronskis bei
der ersten Begegnung mit Siletski. Der Augenaufschlag Turas/Bronskis, nachdem
er in Verkleidung zurückgekehrt ist. Die Miene des Gruppenführers,
als er erkennt, daß er einen falschen Bart in seiner Hand hält.
Mel Brooks muß Lubitschs Film gut gekannt haben, um diese Miniaturen
in seine eigene Version zu integrieren, mehr noch: er muß ihn geliebt
haben, bestimmte Einstellungen ganz besonders, und es sind die Zeugnisse
dieser etwas obsessiven Liebe, die seine ansonsten belanglose Adaption für
einen Augenblick zum Schillern bringen.
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