Das Kino unterliegt den Jahreszeiten. Der besinnliche Advent eignet sich
etwa sehr gut für rührselige Erzählungen. Mit Glühwein
und Lebkuchen auf dem Weihnachtsmarkt schafft man die süßklebrige
Grundlage, um sich dem überirdischen Kitsch in dem Film "Solange du
da bist" hinzugeben.
Dabei führt die Hochglanzproduktion aus den USA, die auf dem gleichnamigen
Erfolgsroman des französischen Autors Marc Levy basiert, als Erstes
in den allzu menschlichen Alltag einer Ärztin. Elizabeth (Reese Witherspoon)
kennt nur Doppelschichten in einer Notfallambulanz in San Francisco.
26-Stunden-Tage sind ein Klacks für die Karriere orientierte Singlefrau,
die scharf auf eine Stelle als leitende Ärztin ist.
So saust sie voller Elan in hellgrüner Kluft durch die klinisch reinen
Gänge und Zimmer dieses Musterkrankenhauses. Sie stellt in Windeseile
Diagnosen, begutachtet Röntgenbilder und nimmt Heiratsanträge von
Senioren an. Mit fettfreiem Vanille-Cappuccino (ohne Zucker) hält sich
die Blondine mit der Engelsgeduld an diesen Tagen und in den Nächten
wach. Von solchen Halbgöttern in Weiß (oder in diesem Fall in
Pistaziengrün) träumt die Leitung der Berliner Charitè,
wo Ärzte wegen Überbelastung und unbezahlter Überstunden zurzeit
streiken.
Elizabeth erhält die Zusage für ihre Traumstelle, kann sie aber
nicht mehr antreten, da sie - übermüdet und gestresst - auf einer
Autofahrt zu einem Abendessen bei ihrer Schwester im strömenden Regen
mit einem Lkw kollidiert. Hier blendet der Film in ein gleißend
weißes Licht und von der (idealisierten) Realität in ein
märchenhaftes Zwischenreich über, das durch entsprechende Musik
noch verstärkt wird.
In die wegen einer "Familientragödie" vorübergehend freie Wohnung
von Elizabeth zieht ein gammeliger Untermieter. David (Mark Ruffalo) macht
es sich im gepflegten Heim der Ärztin bequem. Er lümmelt auf ihrer
Couch, trinkt Bier, isst Pizza, glotzt Fernsehen. Eines Abends öffnet
er im Wohnzimmer die nächste Dose und steht plötzlich der zornigen
Elizabeth gegenüber, die den Hausgenossen vertreiben will. Regisseur
Mark Waters ("Freaky Friday") gelingen virtuose komödiantische Szenen,
bis Elizabeth und Mark realisieren, dass sie ein vom Körper gelöster
Geist ist und nur er sie sehen und mit ihr kommunizieren kann.
Gefährten aus dem Jenseits bevölkern die Leinwand nicht nur an
Weihnachten. Vom amerikanischen Klassiker "Ist das Leben nicht schön?"
(1947) mit James Stewart in der Rolle des lebensmüden Familienvaters,
den ein Schutzengel Clarence vor dem Selbstmord bewahrt, über das
melancholische Engels-Duo Bruno Ganz und Otto Sander in "Der Himmel über
Berlin" (1987) bis zum erotischen Gespann Demi Moore und Patrick Swayze in
"Ghost - Nachricht von Sam" (1990) reicht die Palette der himmlischen Boten
mit und ohne Flügel.
"Solange du da bist" bewahrt solange Charme, bis Drehbuch (und Roman) mit
fliegenden Fahnen von der Komödie zum Melodrama übergehen. "Wenn
du mich richtig berühren würdest, würde ich möglicherweise
wieder erwachen", sagt Elizabeth zu Mark. Das klingt wie die Liebesbotschaft
einer treuen Seele, bringt aber durch den dramatischen Wettlauf um die
Verfahrensweise mit deren Körper einen schiefen Ton in die federleichte
Lovestory mit einem ungewöhnlichen, glücklichen Ende.
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