Man wird darüber streiten müssen, ob "The Matador"
ein Abbauprodukt ist oder ein Abbauprojekt.
Zwei Referenzen ruft der Film auf, ob er will oder nicht. (Aber natürlich
will er.) Die eine ist Tarantino, das hat mit seiner Machart zu tun und der
Produktion durch die nun von Disney losgelöste Weinstein-Company. Die
andere ist Bond, das hat mit dem Hauptdarsteller zu tun, dem nun von seiner
berühmtesten Rolle freigesetzten Pierce Brosnan.
Die entscheidende Tarantino-Geste ist die des vorwegnehmenden Ersatzes eines
ohne Vertun so gemeinten wie gezeigten Plots oder Gefühls durch den
zitierenden Verweis auf die Zitierbarkeit bzw. Zitiertheit des
Vorgeführten. Die Liebe zum eigenen Kenntnisreichtum ersetzt das Interesse
an zum einen Figur und Geschehen, zum anderen aber auch an der Form, die
den Zitatenschatz zusammenhält. Zwischen fremdem, angeeignetem Vorbild
und eigenem, dem Status des Uneigentlichen nie entrinnendem Nachbild wird
die zentrale formale Frage die nach dem Prinzip der Verknüpfung (oder
Verknüpfbarkeit). Das Tarantino-Problem, die Ideologie seines Werks
ist die Behauptung, das sei noch oder wieder Narration. Der Erfolg seiner
Filme hängt durchaus an der Überzeugungskraft, was nur heißen
kann: der falschen Evidenz, dieser Behauptung. Tarantinos Filme ufern aus
in ein Meta, das in der Produktion eines anderen Anscheins gerade auf
Reflexionsvermeidung hinausläuft, die narrativ-temporalen Verwringungen
seiner Geschichten sind immer nur Nachtrag einer Verbindung, der deren
Beliebigkeit verdeckt, aber weder narrativ noch reflexiv aufhebt.
(Der Zynismus und die Gewalttätigkeit der Filme wären dann der
verschobene Ausdruck der so forciert verdeckten Beliebigkeit.)
Das Prinzip Bond ist ein ganz anderes, das nämlich der schieren
Serialität. Jedem Ort, jeder Bedrohung, jeder Liebe, jedem Film ist
immer schon anzusehen, dass es gleich darauf mit dem Ort, der Bedrohung,
der Liebe, dem Film wieder vorbei ist, um danach genau so wieder weiter zu
gehen. Es ist dann nur um die Betonung es Moments, die Forcierung des Thrills,
die Steigerung der Intensität zu tun. In den besten Filmen der Reihe
verkörpert sich das Wissen um die Beliebigkeit des seriellen Prinzips
in der souveränen desinvoltura des Helden, der "weiß",
dass er nichts ist als ein Agent im Dienst der Intensität, des Thrills
und der Steigerung. (Im schlechten Fall geht es um den Anachronismus, denke
ich, eines Heldenmodells, das die Möglichkeit globaler agency
unterstellt.)
In "The Matador" sieht man Pierce Brosnan an: Er ist nicht mehr Bond. Der
Schnurrbart, der Bauch, das Alkoholproblem, das Versagen im Beruf. Bleibt
der promiske Zug, aber auch der wird mehr als einmal ins homoerotische Zwielicht
gerückt. Es fragt sich nur: In welcher Weise ist Brosnan nicht mehr
Bond? Handelt es sich um eine schlichte ironische Inversion, oder um einen
Abbau anderer Art? Ist Bond hier nur Zitat und der Film insgesamt nur Tarantino
mit Bondrückstand, ein Abbauprodukt also zweier clever, aber problematisch
hochgetunter Erzeugnisse zeitgenössischer Filmindustrie, oder ist er
mehr, d.h. gezielter Rückbau des Produkts, seine Vereinfachung, die
die Notwendigkeit ideologischer Verschleierungen rückgängig macht?
Schlicht, einfach, anders gefragt: Ist die Freundschaft Pierce Brosnans zu
Greg Kinnear echt? Ist sie mehr als nur eine weitere Form des Klischees von
der Kollision zweier Welten, der des Killers und der des Biedermanns
und wenn ja, wie ließe sich das zeigen, belegen, behaupten? Vielleicht
durch den Nachweis von Momenten relativer Funktionslosigkeit. Einem Hin und
Her an der Bar in der Nacht, das nicht gleich auf Pointen hinausläuft.
Dem Bestreichen der Nase mit üppig viel Sonnencreme. Dem Verzicht auf
die Brechung der Emotion und die Denunziation des Biedermanns, ja, der
ausdrücklichen und beinah ungebrochenen Liebe des Films zum Verlierer,
der "Überführung" (per Sehnsucht nach Normalisierung) der zu Beginn
nur invertierten Bond-Figur in den zutiefst bürgerlichen Ehemann.
Das Begehren des Films, könnte man sagen, gilt nicht in erster Linie
der lustigen Konfrontation der Welten, nicht dem Gewinn von Humor durch
Kontraste, das Begehren gilt tatsächlich dem Unglamourösen. Genauer
müsste man sagen: Das Begehren des Films gilt dem Begehren des
Unglamourösen, was etwas ganz anderes ist als: der auf Glamour-Gewinne
zielenden Darstellung eines solchen Begehrens. Umgekehrt wäre auch das
zweifellos nah am Klischee gebaute - Begehren der Ehefrau nach der
Waffe, also dem aufregenden Leben, echt in dem Sinne, dass das Unglamouröse
darin nicht denunziert würde. Der Film wäre dann zwar eine Reaktion
auf Tarantino, eine Auseinandersetzung mit Brosnan/Bond, aber so, dass da,
wo Serialität war, nun ein Charakter und seine Geschichte aufscheinen,
da, wo das Begehren dem Glamour galt, nun eine wunderbare Freundschaft entsteht.
Falls das das Projekt des Films ist, dann wäre es etwas anderes als
ein bloßes Abbauprodukt von Bond und Tarantino. Eher etwas wie ein
gezielt dort platziertes Spatzenei im Nest der Kuckucksfamilie Weinstein.
Mit Dank an Simon, dessen Tarantino-Hinweis diese Überlegungen
möglich machte.
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