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Yash Chopra: Veer-Zaara (Indien 2004)

Kritik von Ekkehard Knörer 

„Veer-Zaara“ ist klassisches Bollywood-Kino in Vollendung. Kaum einer versteht sich darauf so gut wie Regisseur Yash Chopra, der als Produzent mit seiner Familienfirma Yash Raj Film eine der großen Legenden der Bollywood-Geschichte ist. Sein Sohn Aditya Chopra schreibt seit einigen Jahren die Drehbücher zu vielen der Yash-Raj-Filme, teils verfilmt er sie auch höchst erfolgreich selbst. Aditya Chopra hat die Muster, die Klischees und die Plotvariationen, die es im kommerziellen indischen Kino in durchaus überschaubarer Anzahl gibt, offenkundig nicht nur verinnerlicht, sondern versteht sich auf die eigentliche und große Kunst des Systems: Sie in jedem gelungenen neuen Film wieder frisch aussehen zu lassen.

Das Budget wie das Handwerk aller Beteiligten kommen ihm bei „Veer-Zaara“ zu Hilfe. Es stecken in dem Film Jahrzehnte der angewandten Publikumsforschung, er ist deshalb ein wirklich ausgereiftes Modell, das spürt man Einstellung für Einstellung. Was er auch zeigt, ist die gelegentlich etwas überraschende Tatsache, dass man mit der denkbar wirklichkeitsfernen Form des Bollywood-Films in denkbar wirklichkeitsferner Darstellung und zugleich großer Direktheit politisch werden kann, ohne dass das ins Verlogene kippen würde. Genauer gesagt ist es dabei sogar so, dass es gerade wegen der Wirklichkeitsferne und Direktheit – und natürlich nur im besten Falle – nicht verlogen ist.

Bar jeden Realismus ist etwa der Dialog, in dem die Pakistanerin Zaara den vom Feminismus unbeleckten, sonst aber aufs Patriarchalischste liberalen Vater ihres (noch nicht offiziell) Geliebten Veer darauf aufmerksam macht, dass nicht nur die Söhne, sondern auch die Töchter des Dorfes schulischer Bildung teilhaftig werden sollten. Ein paar Einstellungen und einen Tanz später verkündet der Vater seinen neuesten Plan: Die Errichtung einer Mädchenschule. Natürlich ist das, nach Maßgabe realistischer Personen- und Wirklichkeitsdarstellung, geradezu horrender Unfug. In Wahrheit ist es aber nichts anderes als so nonchalant wie konkret formulierte Utopie, vorgetragen von Amitabh Bachchan, dem größten Star des indischen Kinos und damit dem wahrscheinlich berühmtesten Schauspieler der Welt. Frauen sollten gleichberechtigt sein. Frauen sind genauso klug und genauso fähig wie Männer.

Keineswegs ist das die Hauptsache des Films, der die Herzen rühren und die Zuschauer bewegen will. Auch die pakistanisch-indische Versöhnungsbotschaft, auf die alles hinausläuft, ist Hauptsache nur nach Art des Nebenbei, mit dem sich die Wiedervereinigung der Liebenden ganz wie von selbst auch als Versöhnung der geteilten Nation lesen lässt. Selbstverständlich aber bleiben die Liebe und die Rührung, die Trauer und die Beseligung das eigentliche Anliegen von „Veer-Zaara“. Im gelungenen Fall wird in Bollywood der schiere Kitsch zum reinen, unverlogenen Medium des Gefühls wie der Utopie. Verdankt ist das einzig der Künstlichkeit, in die das Eigentliche sich auf ganz vertrackte Art eintragen lässt. Wie aus der Künstlichkeit des Kitsches Gefühle ohne Falsch hervorgehen, das ist das Geheimnis und das Wandlungswunder von Bollywood, das sich in „Veer-Zaara“ durchaus auch erleben lässt.

Der Film ist, wie gesagt, Bollywood in Vollendung. In dieser, wenn man so will: altmeisterlichen Vollendung aber stößt dieses Kino inzwischen an seine eigene Grenze. Diese Grenze als eine, die ein Meister wie Yash Chopra in Richtung ungezügelterer Darstellungen nicht überschreiten will und kann, wird in „Veer-Zaara“ dann doch ein wenig spürbar. Der Film bewegt und entzückt, reißt aber kaum einmal hin. Seine Überraschungen sind wohl dosiert, manche der sogenannten Picturizations (also Verbildlichungen der Songs, so heißt der Song-and-Dance sehr zutreffend im Fachjargon) wunderschön und auch klug in der imaginären Darstellung von Wünschen und Ängsten. Das gewisse Etwas an Exzess und Widersinn und Wagemut, das die ganz großen indischen Filme auszeichnet, das fehlt aber.

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