Vers Mathilde, auf Mathilde zu. Claire Denis versucht
sich an einem Porträt und sie wäre nicht Claire Denis, versuchte
sie sich nicht zugleich an einem Essay über die Form des Porträts.
Was sie zeigt, zuerst, zuallererst, sind Hände in Bewegung. Zweimal
wird Mathilde Monnier, die Choreografin, an deren Porträt Denis sich
versucht, betonen, wie wichtig ihr die Hände sind, in einer Bewegung,
die an der Luft kratzt, Spuren zieht, die Reinheit des Raums verletzt, indem
sie in ihn vorstößt. Die Kamera folgt den Händen in Bewegung,
dann dem Körper in Bewegung, den Körpern der Tänzerinnen und
Tänzer der Kompagnie von Mathilde Monnier in Bewegung.
Wenn ein Porträt die Darstellung einer Person im festen Umriss ist,
dann ist Vers Mathilde kein Porträt, sondern auf dem Weg
zu einem Porträt, vers un portrait, auf Mathilde zu. Zu
sehen sind Proben, zu sehen ist bei den Proben auch der Philosoph Jean-Luc
Nancy, dessen autobiografischer Essay L`Intrus eine der Inspirationen
für Claire Denis letzten Spielfilm gleichen Titels war. Wenn ein
Spielfilm die Erzählung eines zusammenhängenden Plots ist, dann
war LIntrus kein Spielfilm, sondern auf dem Weg zu einem
Spielfilm, vers une narration, auf eine Geschichte zu.
Vers Mathilde ist ein Porträt der Choreografin Mathilde
Monnier im Entstehen. Der Film gelangt nicht zum endgültigen Bild. Mathilde
Monnier ist, soweit man dem Porträt, das keines ist, eine solche
Zusammenfassung entnehmen kann und darf, eine Choreografin, deren dekonstruktiver
Zugang zum Tanz eine andere Form des Porträts, als die des
vers, des Prozesses, der an kein Ende gelangt, gar nicht
zuließe. Es gibt keine Endgültigkeit der Darstellung, keine Kontrolle
über den Körper. Der Körper führt im Tanz vor, wie er
sich bewegt zwischen Kontrolle und Entzug der Kontrolle. Das Sich-Entziehen
des Körpers ist im Tanztheater von Mathilde Monnier als tanzbar vorgestellt.
In einer der Dialogsituationen, an der einzigen Stelle des Films, an der
auch Claire Denis, die Regisseurin, kurz ins Bild kommt, sitzt Monnier
verzweifelt auf dem Boden. Die Kamera filmt sie von hinten. Es funktioniert
nicht, sagt Mathilde Monnier. Die Tänzer finden nichts Eigenes,
sie imitieren nur meine Vorgabe. Es braucht eine Lücke, einen Spalt,
in dem das System bricht, in dem das Unerwartete entsteht. Die
Choreografien, die zu sehen sind, sind Choreografien auf der Suche nach einer
Form. Sie haben so die Form der Suche wie das Porträt vers
Mathilde.
Und doch, es gibt eine Annäherung, das Porträt im Entstehen gelangt
zu einem Bild von Mathilde Monnier. Die Schlusssequenz beginnt als Split
Screen, auf beiden Seiten der Leinwand ist die Tänzerin mit weißer
Perücke zu sehen, auf den Boden, auf dem sie tanzt, wird die Tänzerin,
die mit weißer Perücke tanzt, projiziert. Die Bewegungen sind
fließend, es scheint ein beinahe gelöster im Körper, der
hier tanzt, die Kamera fließt mit der Bewegung, die sie aufzeichnet.
Claire Denis Meisterwerk Beau Travail endet mit Denis Lavant
im wilden, einsamen, zunehmend ekstatischen Tanz. Die Annäherung an
Mathilde Monnier endet in diesem ruhigeren Tanz, die Bewegung des Körpers
und die Bewegung der Kamera finden zur Harmonie, wenn nicht gar zu einer
Art Einklang. Die Teilung der Leinwand verschwindet: Mathilde Monnier tanzt.
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