Die Hamburger Kunsthalle zeigt noch bis Mitte Januar eine mehr
als 50 Bilder des 1992 verstorbenen englischen Künstlers Francis Bacon
umfassende Ausstellung. Dabei konzentriert sich diese Werkschau - am gleichen
Ort war 1965 die erste Bacon-Retrospektive zu sehen - auf eine Reihe von
Porträts, die zwischen 1949 und 1991 entstanden sind.
Bacons Gemälde laden nicht gerade dazu ein, dass sich der Betrachter
mit ihnen in einem Raum wohl fühlt. Fragmentarisch dargestellte Köpfe
begegnen einem in dieser "einzigartige(n) Galerie des Menschen im Jahrhundert
der Moderne" (Katalog). Kraftvoll verdrehte Torsi werden von tief schwarz
grundierten Löchern "durchschossen". Gehäutete oder im Schrei verzerrte
Gesichter öffnen sperrangelweit Münder, in denen Zähne wie
zermalmende Beißer von einer Figur aus dem Genre des Horrorfilms angeordnet
sind.
Die Anatomie dieser wenig gefälligen Bildnisse - die den Künstler,
ebenso Freunde, Kollegen und Liebhaber darstellen - ähnelt dem
unappetitlichen Handwerk eines Pathologen, der an Leichen herum schnippelt,
Glieder amputiert, Organe entnimmt und sie, regelwidrig, im oder am Körper
neu anordnet.
Die Ausstellung strukturiert das künstlerische Werk des 1909 in Dublin
geborenen figurativen Malers in chronologische Zeiträume: von den
ausgewaschenen, düsteren Köpfen, den so genannten "Heads" Ende
der 40er Jahre zu den Nuancen in schreiendem Purpur und Violett auf den
Papstbildern ("Pope") über die unterkühlte Serie von
Geschäftsmännern in ihrer gleichförmigen Kluft ("Man in Blue")
bis zu den oft variierten Motiven von Weggefährten auf klein- und
großformatigen Triptychen oder in Einzelporträts, die ab Ende
der 60er Jahre an Farbe gewinnen.
Eine Entdeckung ist das über 20 Jahre lang in einem Museums-Depot in
Teheran gelagerte Bild "Reclining Man with Sculpture" von 1960/61. Es wurde
Mitte der 70er vom Schah erworben, ging nach der Revolution in den Besitz
der Islamischen Republik über und ist jetzt als Leihgabe zum ersten
Mal wieder öffentlich zu sehen. Vermutlich stellt das Gemälde den
Maler mit seinem 1962 verstorbenen Liebhaber Peter Lacy dar.
Neben der Genese des künstlerischen Ausdrucks und den Techniken der
Verfremdung erzählt die Ausstellung von dem Verhältnis Bacons zu
seinen Modellen. Zwar waren ihm selbst "alle erzählerischen Ansätze
ein Gräuel", notiert es der Katalog in Bezug auf die Interpretation
der Bildmotive, aber Vorlagen in Vitrinen - Zeitungsausrisse, zurechtgeschnittene
Fotos porträtierter Zeitgenossen, Reproduktionen von Gemälden wie
etwa van Goghs Selbstbildnis oder Velázquez Darstellung des Papstes
- dokumentieren die Quellen, an denen sich Francis Bacon in seinem Atelier
allein vor der Leinwand abarbeitete.
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bis 15.1., Hamburger Kunsthalle; Katalog 23 Euro
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