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Auf Film-Reise im Golf von Neapel

Von Ulrike Mattern

Im Kino gewesen, nach dem Abspann verreist. Das könnte in Anlehnung an ein Zitat von Franz Kafka der Urlauber sagen, wenn er die Koffer packt und nach einem Spielfilm an den Golf von Neapel reist.

Hier liegen die Inseln Capri, Ischia und Procida. Nähert man sich dem Archipel durch den Focus der Filme, die vor Ort gedreht wurden, eröffnen sich skurrile Blickwinkel.

Es gab Seeräuber. Nicht nur auf der Leinwand, aber dort kamen sie romantisch rüber. Blauer Himmel und türkises Meer, pittoreske Dörfer und Festungen schienen ideal fürs Genre. Ein Freibeuter blieb durch Körpereinsatz und unverschämtes Grinsen in Erinnerung: Burt Lancaster eroberte 1952 in „Der rote Korsar” auf Ischia das Herz der schönen Eva Bartok. Warum der Abenteuerstreifen in der Karibik angesiedelt sein sollte, ist indes ein Rätsel. Die Aragoner-Burg in Ischia war ebenso deutlich im Bild wie die mediterrane Flora.

Die flexible Gestaltung von Filmschauplätzen als kostengünstige Alternative zu weit entfernten Regionen kam an dieser Stelle Anfang der 60er Jahre „Cleopatra” zugute. Der Monumentalfilm mit Elizabeth Taylor und Richard Burton wurde in den Filmstudios Cinecittà und unweit der Burg inszeniert.

Eine „Adlige“ im Ruhestand zog es 1957 ans südliche Mittelmeer. In Italien sollte eine Komödie mit Romy Schneider unter dem Titel „Sissi auf Ischia“ an deren Erfolg als Kaiserin von Österreich anknüpfen. Der Star gab das einfache italienische Mädchen Scampolo – so der deutsche DVD-Titel –, das sich in einen mittellosen Architekten (Paul Hubschmid) verliebt. Die Schneider hüpfte mit rotem Rock und guter Laune über die Insel.

Temporeich ging es in einer Komödie von Billy Wilder in den 70ern zu. In „Avanti! Avanti!” reist Wendell Ambruster (Jack Lemmon) nach Ischia, um dort seinen bei einem Unfall ums Leben gekommenen Vater in die Heimat zu überführen. Auf der Fähre trifft er eine junge Engländerin, die ihm mit ihrer Liebe fürs Mediterrane auf die Nerven geht. „Auf Italienisch”, seufzt sie unaufgefordert redselig von der Bank neben ihm, „klingt immer alles, als wäre es aus einer Oper.” Es bedarf einiger Burlesken, bis sich der steife Geschäftsmann das „süße Leben” gewöhnt hat.

Am Hafen von Neapel legen die Fähren zu den Inseln ab. In diesem Großstadtgetümmel starten viele Filme. Vom Temperament einer Neapolitanerin (Sophia Loren) wird etwa Clark Gable 1961 in der Komödie „Es begann in Neapel“ überwältigt. Das Happy End war dem ungleichen Duo garantiert. Für das verheiratete Paar in „Reise nach Italien”, 1953 von Roberto Rossellini mit Ehefrau Ingrid Bergman verfilmt, bedeutete der Urlaubstrip in südliche Gefilde fast die Scheidung.

Einer der vorgab, ein anderer zu sein, hielt sich mehrfach nahe Neapel auf. Tom Ripley wurde zweimal zum Leben erweckt. In René Clements „Nur die Sonne war Zeuge“ übernahm Alain Delon 1959 den Part. Matt Damon folgte 1999 in „Der talentierte Mr. Ripley“. Regisseur Minghella fand auf Ischia und Procida den 50er-Jahre-Retrolook.

Dass ein wolkenloser Himmel zu Kapriolen verführt, zeigt ein romantischer Höhepunkt auf Zelluloid. 1994 umwirbt Briefträger Mario (Massimo Troisi) in „Il Postino“ von Michael Radford die Dorfschönheit (Maria Grazia Cucinotta) mit „Metaphern”. Sein Aphrodisiakum sind Verse des hier im Exil lebenden chilenischen Dichters Pablo Neruda (Philippe Noiret).

Im Kino gewesen, verreist. Auf die filmisch motivierte Dynamik, raus aus dem Sessel, rein in den Flieger, baut der Leiter des Ischia Film Festivals, das in diesem Sommer zum vierten Mal stattfand. „Woher kennen wir bestimmte Orte? Wir haben sie im Kino gesehen!” Michelangelo Messina bringt Leute aus der Film- und Reisebranche zusammen. „Ein Film ist immer eine Reise in die Kultur eines Landes“, unterstreicht er. „Oft setzt sich der Zuschauer in Bewegung und kommt als Tourist zurück.“

Das Festival gibt eine „Movie Map” von Ischia und das Buch „Le Isole del Cinema” heraus. Darin sind Filme mit Drehorten aufgelistet, die auf Capri, Ischia und Procida spielen. Eine Fundgrube für Fans, die zur filmisch inspirierten Reise über das Archipel aufbrechen können.

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Urlaubsgefühle in Heimkino und Literatur

Alle genannten Filme gibt es auf DVD. Buchtipps zu Drehorten: „Der große Film-Reiseführer” von Tony Reeves, von 2002, antiquarisch erhältlich; „Locations. Städte der Welt im Film”, toller Bildband von Claudia Hellmann und Claudine Weber-Hof; kenntnisreich schreibt Annette Deeken über „Reisefilme. Ästhetik und Geschichte”; aktuell: „I luoghi del cinema” vom Touring Club Italiano, Drehorte in ganz Italien, nur auf Italienisch erhältlich.

Informationen über das Filmfestival in Ischia unter: http://www.ischiafilmfestival.it/

Über Kino-Routen in Italien mehr hier.

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