Was Jan Wenzel tut, ist dies: Er entwirft ein Raum-Bild und
inszeniert es in einem Raum, der der Darstellung enge Grenzen setzt, weil
er enge und sehr feste Grenzen hat, zeitliche und räumliche. Die Bühne
der Inszenierungen des Jan Wenzel ist der Fotofix-Automat, Raummaße:
193x175x75 cm. Darin, Raum im Raum, die Fläche, die die fixe Kamera
fix fixiert. Man kommt um das Wortspiel nicht herum. Der Automat ist so schnell
wie er fixiert ist, starr, der Fokus wie die Kadrierung unverrückbar.
Inbegriff der Nüchternheit eines Objektivs. Keiner da, der fotografiert,
ein Selbstbeweger und Selbstauslöser; ein Ablauf, in den man nicht
eingreifen kann, sobald er angelaufen ist. (Wenzel legt Wert darauf, ein
Fotograf zu sein, der noch nie mit einer Kleinbildkamera fotografiert hat.
Sein virtuos gehandhabter Apparat ist der Automat.)
Dem starren Maß des Raums entspricht so das starre Maß der Zeit:
vier Bilder in 28 Sekunden, viel zu langsam für einen Film, serieller
als das Einzelbild der Fotografie, wenn man will. Jan Wenzel will und will
nicht. Der Starre des Bildes setzt er die hysterische Geschwindheit der
Inszenierung entgegen. Er rückt rasch den Gegenstand ins Bild; die Bewegung,
das Rücken und die Geschwindheit aber sind aus dem Bild und zwar
Bild für Bild gelöscht. Hinterrücks macht er den
unverrückten Blick des Automaten verrückt durch die Tilgung des
Geschehens im Bild, das wir vom Geschehenen zu sehen bekommen: die Resultate
stehen in keiner vernünftigen Beziehung zu Art und Weise der Inszenierung.
Eine einzige Täuschung, die sich in der Nähe des Trickfilms bewegt
und allen dem fotografischen Bild gerne unterstellten Realismus (höhnisch,
skeptisch, spielerisch?) dementiert.
Freilich täuscht der Trickfilm in aller Regel Bewegung vor, die es gar
nicht gibt. Der Trickfilm unterwirft sich und seine Bilder der Täuschung,
die aller filmischen Bewegung zugrundeliegt, der Täuschbarkeit des Auges,
das zu langsam ist. Auch das Fotofix-Auge ist zu langsam, und zwar viel zu
langsam für die Täuschung. Darauf aber will Wenzel gar nicht hinaus.
Er operiert im Zeitraum des Automatischen, er stürzt sich und seine
Inszenierungen in den blinden Fleck des Automaten und nutzt die unproduktive
Zeit zwischen den Klicks. In diesen Momenten im Rücken der Aufzeichnung
rückt er die Hintergründe, Gegenstände und Teile von
Gegenständen ins Bild, und zwar, wie gesagt, so, dass das Rücken
selbst nicht sichtbar wird. Er löscht, mit einem Wort, jede Bewegung.
Ins Bild kommt sie doch, als Andeutung. Wenn das Bild zur Gestalt sich nicht
ganz fügen will, wenn Fugen zwischen Teilen erscheinen, etwa: ein Fahrrad,
das, der Enge des Raums wegen, zersägt werden musste, um Teil für
Teil in die Kabine zu passen. Man sieht einige der Sägestellen. Die
Bewegung findet so ihren Platz im Bild als mangelnde Perfektion einer anderen
Täuschung. Die Täuschung, auf die die Fotofix-Bilder Wenzels
dem Schein nach hinauswollen, ist die einer neuen Gestalt. Die
Inszenierung zerlegt ein Raum-Bild in seine Einzelteile und fügt diese
Teile in der rekomponierenden Fixierung der Fotofix-Streifen wieder zusammen.
Die Resultatbilder sind immer schon Heilung einer Zerlegung. In den Bildern,
die Wenzel ausstellt, ist der Ablauf nicht mehr sichtbar; ahnbar freilich
schon. Und im Buch sind zwischen die Fotofix-Rekompositionen
Schwarzweiß-Bilder geschaltet, die den Mann und die Kulissen vor dem,
am und im Automaten zeigen. Der Performance-Charakter des Ablaufs ist nicht
zu übersehen, man könnte ungefähr diesen Ablaufplan des Geschehens
entwerfen: Skizze der Inszenierung (Ganzheit des Bildes; Plan) Zerlegung
der Teile Entwurf eines "Dreh"plans die Inszenierung/Performance
mit dem Automaten, die "action" (unklar bleibt, wieviele "takes" jeweils
nötig sind) Sichtung der Fotofix-Serienbilder/Abgleich mit der
Skizze, dem Plan Auswahl der gelungensten Bildstreifen
Re/Komposition ("Schnitt") zum Bild, das mit dem Plan angezielt war.
In gewisser Weise geht jedes dieser Momente ins Bild ein. Die
Gegenläufigkeit dieser Momente hintertreibt die Illusion des rekomponierten
Resultatbildes. Der Rand des Fotofixbildes wird zum Zwischenraum, der das
Bild in Einzelbilder zerteilt, die zueinander sich fügen wollen, aber
nie endgültig können. Die Löschung der Bewegung und die nicht
minder gravierende statische Zusammenfügugn werden oft als Gewaltakt
thematisch: Die Serie "tote Tiere" Vögel, eine Katze bringt
die Wunde als Tötung ins Bild, eine andere Bildserie (#13) aus der
Bilderserie "intérieur" zeigt eine junge Frau mit einer heftigen Wunde
am Knie. Der Inszenierungscharakter wird in surrealen Details sichtbar, mehr
noch in Inserts, die nicht "passen" und mit voller Absicht das Gesamtbild
kommentieren und unterminieren. Das Resultatbild ist ein "Passbild", in dem
manches nicht (ganz) passt.
Allerdings sind auch andere Effekte möglich wie überhaupt
auf der anderen Seite das nicht minder wichtige Moment der Trennung von
Entstehung und Resultat, der Lösung des Effekts von seinen Ursachen
nicht übersehen werden darf. Die Serie "Flug durchs All" produziert
eine Schwerelosigkeit des Welt-Raums, der hier so irreal wie surreal entworfen
wird, an der man den Triumph des Artefakts über seine
nichtsdestoweniger für diesen Triumph konstitutiven - Entstehungsbedingungen
nur bewundern kann. Die Tendenz zur Auflösung der Dreidimensionalität
in eine Anordnungsfläche findet hier ihren Höhepunkt. Es gibt,
den Widerständen der Prozedur zum Trotz, eine neue Bewegungsillusion,
ein Schweben und Fliegen dank der Re/Komposition. Ja, der Trotz gegen den
fixen Automaten, die Hysterie der inszenierenden Performance, die Ungewissheit
des Raums und die Mühe der Rekomposition verwandeln sich hier, unerwartbar,
in ein Schweben und Fliegen der Komposition selbst.
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