Jump Cut Kritik

Startseite -  Inhaltsverzeichnis - Im Kino - Archiv - Links - Forum - Mail  

 

Pass-Bilder: Die Fotofixkunst von Jan Wenzel

Von Ekkehard Knörer

 

[Image]Jan Wenzel wird von der Galerie Photonet vertreten. Auf deren umständlich zu navigierender Website finden sich - leider in eher schlechter Qualität - Reproduktionen der Fotofix-Bilder. (Auf der ersten Inhaltsseite auf "Künstler" klicken.) In diesem Jahr ist auch ein erstes Buch mit den Bildern von Wenzel erschienen. Hier der Amazon-Link.

Was Jan Wenzel tut, ist dies: Er entwirft ein Raum-Bild und inszeniert es in einem Raum, der der Darstellung enge Grenzen setzt, weil er enge und sehr feste Grenzen hat, zeitliche und räumliche. Die Bühne der Inszenierungen des Jan Wenzel ist der Fotofix-Automat, Raummaße: 193x175x75 cm. Darin, Raum im Raum, die Fläche, die die fixe Kamera fix fixiert. Man kommt um das Wortspiel nicht herum. Der Automat ist so schnell wie er fixiert ist, starr, der Fokus wie die Kadrierung unverrückbar. Inbegriff der Nüchternheit eines Objektivs. Keiner da, der fotografiert, ein Selbstbeweger und Selbstauslöser; ein Ablauf, in den man nicht eingreifen kann, sobald er angelaufen ist. (Wenzel legt Wert darauf, ein Fotograf zu sein, der noch nie mit einer Kleinbildkamera fotografiert hat. Sein virtuos gehandhabter Apparat ist der Automat.)

Dem starren Maß des Raums entspricht so das starre Maß der Zeit: vier Bilder in 28 Sekunden, viel zu langsam für einen Film, serieller als das Einzelbild der Fotografie, wenn man will. Jan Wenzel will und will nicht. Der Starre des Bildes setzt er die hysterische Geschwindheit der Inszenierung entgegen. Er rückt rasch den Gegenstand ins Bild; die Bewegung, das Rücken und die Geschwindheit aber sind aus dem Bild – und zwar Bild für Bild – gelöscht. Hinterrücks macht er den unverrückten Blick des Automaten verrückt durch die Tilgung des Geschehens im Bild, das wir vom Geschehenen zu sehen bekommen: die Resultate stehen in keiner vernünftigen Beziehung zu Art und Weise der Inszenierung. Eine einzige Täuschung, die sich in der Nähe des Trickfilms bewegt und allen dem fotografischen Bild gerne unterstellten Realismus (höhnisch, skeptisch, spielerisch?) dementiert.

Freilich täuscht der Trickfilm in aller Regel Bewegung vor, die es gar nicht gibt. Der Trickfilm unterwirft sich und seine Bilder der Täuschung, die aller filmischen Bewegung zugrundeliegt, der Täuschbarkeit des Auges, das zu langsam ist. Auch das Fotofix-Auge ist zu langsam, und zwar viel zu langsam für die Täuschung. Darauf aber will Wenzel gar nicht hinaus. Er operiert im Zeitraum des Automatischen, er stürzt sich und seine Inszenierungen in den blinden Fleck des Automaten und nutzt die unproduktive Zeit zwischen den Klicks. In diesen Momenten im Rücken der Aufzeichnung rückt er die Hintergründe, Gegenstände und Teile von Gegenständen ins Bild, und zwar, wie gesagt, so, dass das Rücken selbst nicht sichtbar wird. Er löscht, mit einem Wort, jede Bewegung.

Ins Bild kommt sie doch, als Andeutung. Wenn das Bild zur Gestalt sich nicht ganz fügen will, wenn Fugen zwischen Teilen erscheinen, etwa: ein Fahrrad, das, der Enge des Raums wegen, zersägt werden musste, um Teil für Teil in die Kabine zu passen. Man sieht einige der Sägestellen. Die Bewegung findet so ihren Platz im Bild als mangelnde Perfektion einer anderen Täuschung. Die Täuschung, auf die die Fotofix-Bilder Wenzels – dem Schein nach – hinauswollen, ist die einer neuen Gestalt. Die Inszenierung zerlegt ein Raum-Bild in seine Einzelteile und fügt diese Teile in der rekomponierenden Fixierung der Fotofix-Streifen wieder zusammen. Die Resultatbilder sind immer schon Heilung einer Zerlegung. In den Bildern, die Wenzel ausstellt, ist der Ablauf nicht mehr sichtbar; ahnbar freilich schon. Und im Buch sind zwischen die Fotofix-Rekompositionen Schwarzweiß-Bilder geschaltet, die den Mann und die Kulissen vor dem, am und im Automaten zeigen. Der Performance-Charakter des Ablaufs ist nicht zu übersehen, man könnte ungefähr diesen Ablaufplan des Geschehens entwerfen: Skizze der Inszenierung (Ganzheit des Bildes; Plan) – Zerlegung der Teile – Entwurf eines "Dreh"plans – die Inszenierung/Performance mit dem Automaten, die "action" (unklar bleibt, wieviele "takes" jeweils nötig sind) – Sichtung der Fotofix-Serienbilder/Abgleich mit der Skizze, dem Plan – Auswahl der gelungensten Bildstreifen – Re/Komposition ("Schnitt") zum Bild, das mit dem Plan angezielt war.

In gewisser Weise geht jedes dieser Momente ins Bild ein. Die Gegenläufigkeit dieser Momente hintertreibt die Illusion des rekomponierten Resultatbildes. Der Rand des Fotofixbildes wird zum Zwischenraum, der das Bild in Einzelbilder zerteilt, die zueinander sich fügen wollen, aber nie endgültig können. Die Löschung der Bewegung und die nicht minder gravierende statische Zusammenfügugn werden oft als Gewaltakt thematisch: Die Serie "tote Tiere" – Vögel, eine Katze – bringt die Wunde als Tötung ins Bild, eine andere Bildserie (#13) aus der Bilderserie "intérieur" zeigt eine junge Frau mit einer heftigen Wunde am Knie. Der Inszenierungscharakter wird in surrealen Details sichtbar, mehr noch in Inserts, die nicht "passen" und mit voller Absicht das Gesamtbild kommentieren und unterminieren. Das Resultatbild ist ein "Passbild", in dem manches nicht (ganz) passt.

Allerdings sind auch andere Effekte möglich – wie überhaupt auf der anderen Seite das nicht minder wichtige Moment der Trennung von Entstehung und Resultat, der Lösung des Effekts von seinen Ursachen nicht übersehen werden darf. Die Serie "Flug durchs All" produziert eine Schwerelosigkeit des Welt-Raums, der hier so irreal wie surreal entworfen wird, an der man den Triumph des Artefakts über seine – nichtsdestoweniger für diesen Triumph konstitutiven - Entstehungsbedingungen nur bewundern kann. Die Tendenz zur Auflösung der Dreidimensionalität in eine Anordnungsfläche findet hier ihren Höhepunkt. Es gibt, den Widerständen der Prozedur zum Trotz, eine neue Bewegungsillusion, ein Schweben und Fliegen dank der Re/Komposition. Ja, der Trotz gegen den fixen Automaten, die Hysterie der inszenierenden Performance, die Ungewissheit des Raums und die Mühe der Rekomposition verwandeln sich hier, unerwartbar, in ein Schweben und Fliegen der Komposition selbst.

zur Jump-Cut-Startseite

   
Suchen
 
Google
Web Jump Cut