Jump Cut
Klassiker

Startseite -  Inhaltsverzeichnis - Klassiker - Archiv - Links - Forum - Mail

 

Männer wie wir: Johnny Depp (III)

Von Ulrike Mattern

Johnny Depp funkelt wie ein Irrlicht am Firmament Hollywoods. Seit Ende der 80er schmückte sein Konterfei Mädchenzimmer rund um den Globus. Er wurde zum Idol von Teenagern, die ihre Fantasien auf einen Vagabunden im Filmgeschäft projizierten, der mit der Wahl seiner Rollen gegen den Starstatus arbeitete.

Der 1963 in Kentucky geborene Schauspieler mag Typen, die seltsam daherkommen. Tagträumer z.B. wie in dem Märchen „Edward mit den Scherenhänden”, das Depp 1990 mit Regisseur Tim Burton drehte. Als künstliche Kreatur lebt Edward (Depp) allein auf einem Schloss. Statt Händen besitzt er Scheren, mit denen er fantasievolle Eisskulpturen schafft. Wenn er richtig loslegt, rieselt der Abbruch als Schneegestöber auf die Bewohner im Tal. Als der melancholische Einsiedler entdeckt und in die Gemeinschaft eingeführt wird, stellt sich heraus, dass seine „Werkzeuge” Nähe zu Menschen verhindern.

15 Jahre später fallen wieder Schneeflocken in einem Film von Tim Burton vom Himmel. Johnny Deep spielt den introvertierten Besitzer einer Schokoladenfabrik, der wie der Exzentriker im Schloss über einer am Reißbrett entworfenen Ortschaft hockt. Depp gibt diesen Willy Wonka in hochgeschlossenem Anzug, mit adrettem Pagenkopf, worauf fest ein Zylinder sitzt. In Wonkas blassem Gesicht mit den hellroten Lippen blitzen, wenn er lacht, blendend weiße Zähne. Das Wort „Eltern” bringt der verstörte Junge in der Gestalt eines Mannes nicht über seine Lippen; sein Gesicht verzerrt sich dabei, als müsse er sich gleich übergeben.

Ähnlich soll sich der Schauspieler gefühlt haben, als er für seine Darstellung eines verdeckt ermittelnden Polizisten in „21 Jump Street” angehimmelt wurde. Alexandra Seitz* zitiert sein Verhältnis zur Serie in einer neu erschienen Biografie: „Ich fühlte mich wie eine Schachtel Cornflakes.” Die Figuren, die folgten, oder das Ambiente der Filme, in denen sie sich bewegten, konnte nicht exaltiert genug sein, wie in „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa” (1993) oder in „Arizona Dream” (1994), der den Silbernen Bären auf der Berlinale erhielt.

Doch nicht nur „weltfremde Fantasten”, wie Seitz sie treffend nennt, sondern auch subversive Helden gehören zum Repertoire von Johnny Deep – wie in „Don Juan Demarco” (1995) oder sein Doppelspiel als Transvestit und sadistischer Soldat in „Before Night Falls” (2000). Kult wurde Johnny Depps Performance im Drogenrausch in „Fear and Loathing in Las Vegas” (1998).

Bei so viel ausdrucksstarkem Können vergisst man gern ein rätselhaft bleibendes Debüt als Regisseur, „The Brave” (1997), sowie etliche Auftritte in seichten bis obskuren Produktionen, z.B. „Die Frau des Astronauten” (an der Seite von Charlize Theron) und „Die neun Pforten” von Roman Polanski, die 1999 ins Kino kamen, sowie „Das geheime Fenster” (2004). In der Retrospektive lassen sich selbst an Kitsch kaum zu übertreffende Parts wie der des glutäugigen Vagabunden in „Chocolat” (2000) nicht mehr als zufälliger Fehlgriff, sondern als komplementäres Stück in einem Raum greifenden Puzzle interpretieren.

Aktuell setzt sich die Summe der Einzelteile, ausgelegt auf der Landkarte Hollywoods, zu einem Bild zusammen: zu dem von Captain Jack Sparrow. Mit Kopftuch, Rastalocken, Ohrgehänge und Goldzähnen funkelt Depp in „Fluch der Karibik” wie ein aufgetakelter Weihnachtsbaum. Der Freibeuter tänzelt über die Planken seiner Welt. Die große Sause unter der Fahne von Walt Disney macht sichtlich Spaß. Johnny Depp erfüllt sich einen „Kindheitstraum”, und die Fans feiern ihn. So sitzt das Irrlicht am Firmament von Hollywood zurzeit auf einer festen Position.

* Johnny Depp, Stars!-Reihe, Bertz + Fischer Verlag, 9,90 Euro

Suchen
 
Google
Web Jump Cut