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Rezension
von F. Raphaels Buch
Eyes Wide
Shut. |
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Das
produktive Zentrum von Stanley Kubricks Film 'Eyes Wide Shut' ist die
eigenwillige Überblendung, die er darin vornimmt. Es ist die
Überblendung von Schnitzlers Traumnovelle und deren Substrat an
psychoanalytischen Motiven, die alle um das Thema Eros kreisen - und dem
New York der Gegenwart, dem banalen Eheleben eines jungen Paares. Auf eklatante
Weise passt das eine nicht zum anderen und statt zum Ort der Entdeckung heute
noch gültiger Wahrheiten wird der Film zum Schauplatz nicht
aufzulösender Irritationen. Als historisch genaue Verfilmung der
'Traumnovelle' hätte 'Eyes Wide Shut' stimmig, elegant, erotisch und
ästhetizistisch werden können, als Gegenwartsfilm ist er
verstörend, eine Herausforderung und so irritierend wie
faszinierend.
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Nicole
Kidman und Tom Cruise versagen als Schauspieler vor den Dialogen, vor der
Psychologie ihrer Figuren, vor den Schritten, die diese unternehmen - und
sie müssten es, selbst wenn sie bessere Darsteller wären als sie
sind. Ihre Beziehung, ihre Liebe, die Szenen des Verführtwerdens, all
das ist horrend unglaubwürdig. Wie fast alles andere an diesem Film,
der aber genau von der Sorte ist, die einen irritiert fragen lässt,
welche dies- oder jenseits des üblichen Realismus liegende Ebene es
sein könnte, die hier eine bestimmte Form von Schlüssigkeit
herstellt.
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Zunächst
einmal sind alle Beziehungen innerhalb dieses Films, die der Arzt Bill Harford
und seine Frau eingehen, von einem einzigen, durchgehenden Motiv bestimmt:
Sex (zumeist in Verbindung mit Tod), Eros und Thanatos. Alle Frauen erweisen
sich bei näherem Hinsehen als Huren, alle Männer als Freier oder
Zuhälter. Der Binnenraum der Kleinfamilie des Paars wird unaufhörlich
von Verführung, Begehren nichtehelicher Art umlagert, attackiert,
bedrängt - bis in die Träume und Vorstellungen der Frau und, indirekt,
als Kombination von Eifersucht und Voyeurismus, auch des Mannes. Dies bedeutet
umgekehrt aber auch die Aufladung des banalen Beziehungsalltags mit den Mysterien
von Sex und Tod. Die aber verläuft nicht ohne Widerstand der realistischen
Oberfläche, der die diese historische und psychologische Tiefenschicht
introjiziert wird. Man findet sie genauer gesagt dort nicht wieder, oder
nur ex negativo: in der Leere der Gesichter und Gesten von Cruise und Kidman.
In ebenso leeren Gesten der Kamera, die etwa durch die verlassene Praxis
von Harford streift, durch die Wohung des Paares fährt, die von allem
psycho-symbolisch Labyrinthischen (das Kubrick in Shining meisterhaft evozierte)
weit entfernt ist. Das aber bedeutet umgekehrt die Entwertung des
Mysteriösen zum Maskenspiel, zur Schmierentragödie am Rande zur
Lächerlichkeit.
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Die Semiotik
des Films ist also nicht symbolisch, sondern (wie es sich Kino-Bildern
auch geziemt) ganz oberflächlich - dies aber doppelt. Die andere, zweite,
nicht zur ersten passende Oberfläche ist die der Darstellung von Sex,
die in der langen Szene der Orgie in dem schlossartigen Gebäude
gewissermaßen kulminiert. Auch hier aber ist nichts zu sehen als das,
was gezeigt wird. Die Masken sind nichts als Mummenschanz, als solcher aber
bloß der ironische Verweis auf eine Opposition von Oberfläche
und Tiefe, die der Film gar nicht zu bieten hat. Die Verhältnisse sind
im Gegenteil von atemberaubender Literalität. Durchgängig herrscht
der Imperativ der Sichtbarkeit: daher die penetrante Bebilderung noch des
gar nicht stattgefundenen Ehebruchs. Im Zuge des Geständniszwangs bleibt
nicht nur nichts verborgen, es siegt auch der Prunk des Sichtbaren
über die Idee von Verborgenheit überhaupt. Wenn nichts als das
Sichtbare bleibt, wird dieses eben orgiastisch: Eyes Wide Shut ist
eine Ausstattungsorgie, eine Folge von ausgeklügelten und in schwelgerischer
Strenge durchkomponierten Farbteppichen. Was könnte offensichtlicher
sein, als Eros und Thanatos in den roten und dunkelblauen Tönen, die
den Film dominieren, eben nicht zu symbolisieren (sie sind und bleiben stets
präsent), sondern zu bebildern, verdoppeln und auch auf dieser Ebene
an den (zugleich) banalen Interieurs und Außenszenen New Yorks abprallen
zu lassen. |
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Das Ende
des Films ist nach den Regeln üblicher Psychologie wiederum höchst
unglaubhaft, die Restitution der Kleinfamilie - aber es kann keine andere
(Er)Lösung geben als eine wiederum handfest literale: Let's have a good
fuck heißt genau das und nichts anderes. Eros kollabiert auf der
Oberfläche der Sichtbarkeit, die der Film ausbreitet, zu nicht mehr
und nicht weniger als banalem Sex. Das ist ein banales Ende, kein anderes
wäre möglich.
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Rezension
von F. Raphaels Buch
Eyes Wide
Shut. |