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The Matrix
Larry und Andy Wachowski
USA 1999
Mit:
Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Catherine Anne Moss
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Der
zitierende, variierende, anspielungsreiche Umgang mit den Traditionen von
Genres hat seine inhärenten Schwierigkeiten. Daß er sich kaum
vermeiden läßt, nur mehr oder weniger bewußt, reflexiv und
originell im Umgang mit dem Material vorgehen kann, ist bloße
Voraussetzung, noch nicht das eigentliche Problem. Längst findet eine
große, wenn nicht die Mehrzahl der Anspielungen nur im Kopf des Zuschauers
statt, als nicht mehr kontrollierbarer Kenntnis- und
Assoziationsüberschuß, auch damit gilt es umzugehen. Die Gefahr,
der es zu begegnen gilt, mit der umgegangen werden muß, ist, daß
die Rezeption eines Films aus Filmen/Büchern, die vorangingen, auf die
zitierend oder kopierend oder blind repetierend angespielt wird, droht, vom
Funktionieren der Narration abgelenkt zu werden - ins Auskennerische,
ins Vergleichen, in die Reflexion. Anders als für alle Ecken der Kunst,
in denen eine naive Rezeptionshaltung a priori perdu und nicht angestrebt
ist, ist dies für den klassischen Hollywood- Erzählfilm eine echte
Gefahr, deren in ihrer Hybridität reinste Verkörperung Schwarzeneggers
'Last Action Hero' darstellt, ein Flop beim Publikum wie bei der Kritik.
Die mythologisch, genre-historisch, intertextuell hochkomplexen Komposit-Monster,
die die besten Blockbuster heute sind und (vielleicht) sein müssen,
haben zusätzlich, im Auftrag ihrer Majestät des Massenpublikums,
noch zu funktionieren als Identifikationsapparate. Das schlägt zurück
auf ihre Konstruktionen, ihre Helden, ihre Durchschaubarkeit wenigstens auf
der Ebene des plots. Philosophische Erklärungen (um nun etwas konkreter
auf THE MATRIX zu kommen) sind so nicht als sie selbst zu nehmen, sondern
als Haltepunkte, an denen entlang sich das Verstehen eines solchen Films,
nun aber, wenn man so will, unterkomplex, entlanghangelt. Der Dispersion
des Sinns wird narrativ Einhalt geboten. (Das ist immer so, bei allem
Erzählen, aber je höher die Anspielungs- und Reflexionsebene, desto
schwindelerregender die
Reduktion.)
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THE MATRIX spart nicht mit Zitaten aus der Geschichte des SF-Films,
der SF-Literatur (Philip K. Dick, Bladerunner, William Gibson, Dark City,
um nur ein paar, auffällige, zu nennen) - und dennoch ist beim
Übereinanderkopieren des heterogenen, wenigstens vielfältigen Materials
ein Film eigenen Rechts entstanden, ein Film, der die Potentiale seiner
Verweisungen zu bändigen versteht. Dies gelingt nicht zuletzt durch
die ausdauernd aufmerksamkeitsheischende Komplizierung der Narration,
nämlich die Auffaltung in verschiedene Realitätsebenen. Die
zunächst etablierte (Film)Wirklichkeit ist die so ungefähr unserer
Gegenwart; ihre Entlarvung als Fiktion oder Illusion, als komplette
Täuschung und tota allegoria, geht Schritt für Schritt und (wie
stets auch z.B. bei Philip K. Dick) am Leitfaden eines Helden vonstatten,
an einer Bruchstelle, die dieser Held ist als Go-Between zwischen dieser
Welt und einer anderen. Das theologische, gnostische Muster einer demiurgisch
geschaffenen Welt der Täuschung wird angespielt und der Held dadurch
zur Erlöserfigur, NEO, oder auch (in anagrammatischer Wahrheit) THE
ONE, erkannt und erkoren, in Umkehrung der Vorlage, von seinen
zukünftigen Jüngern.
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Die special-effects-Wunder, die der Film aufbietet, sind auf der Ebene
der Erzählung wirkliche Wunder, magische momentane Suspension der Gesetze
der Wirklichkeit, die als nicht eigentliche zugleich Allegorie filmischer
Illusionsbildung ist. Der Clou, mit dem diese Fiktionswelt mehr bleibt als
bloßer Schein (der Clou auch von Cronenbergs verwandtem eXistenZ),
ist ihre potentielle Tödlichkeit, der Ernst steter wirklicher
Gefährdung.der Existenz auch in der als eigentlicher etablierten
Realität. Die Aufspaltung erfährt so ihre Rück-Verankerung.
Verbunden sind die zwei Welten auf passend material-substantielle Art:
von der einen zur anderen gelangt man per Telefonverbindung (im
merkwürdigen Rückfall ins auch klingelnd-klanglich Analoge;
Rückbindung an ein Festnetz - da Handies nicht funktionieren; zugleich
seltsames Stalker-Zitat), der Übergang in die Täuschungswelt digitalen
Datenscheins bedeutet Stillstellung des anderen Selbst, seine Wehrlosigkeit,
mit der zugleich Identität der Person in der Aufspaltung der Welten
gewährleistet
bleibt.
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Der
interessanteste (weil unauflösbar paradoxe) Verknüpfungspunkt ist
eine wieder typische Philip-K.-Dick-Figur, das Orakel in äußerst
hausfraulich-konkreter Gestalt. Ihr Ort ist (wenn auch auf rätselhafte
Weise unzugänglich, an erhöhter Stelle) die
Täuschungs-Wirklichkeit, die Wahrheit ihrer Prophezeiung liegt in einem
intrikaten Verhältnis von Konstativität und Performativität.
Die Digitalität (also Eindeutigkeit) erzeugt ihre Rätsel auf denkbar
konkrete Weise, zudem erst in Interaktion mit ihrer Interpretation. Weil
NEO ihr glaubt, erweist er die Prophezeiung als falsch. Zugleich lernt er,
den Glauben ans Literale der Fiktion (und hier, in diesem Film, kommen
Fiktion, Simulation, Illusion, Allegorie aus Gründen der Konstruktion
wirklich in eins) aufzugeben und mit dieser Aufgabe diese Welt zu transzendieren
oder zu hintergehen. Darin liegt freilich eine ungeheure Verführungskraft.
Denn pfeift man auf den Literalsinn, der hier als Zweifel am Fleisch
schlüssiges erzählerisches Moment wird, ist diese Welt der Fiktion
ein grandioser Ort des Abenteuers, der Möglichkeit magischen Eingreifens,
der Aufhebung des Realitätsprinzips. Am Ende ist DIE MATRIX die wirkliche
Welt, die einzig erstrebenswerte, deren Regulationen, das Verbot des
Lustprinzips, genrekonform Gestalt geworden sind als Agenten. Ohne die Agenten
aber, und das ist noch eine kluge Einsicht des Films, würde Befreiung,
auf unserer demiurgisch geschaffenen Täuschungs-Welt, überhaupt
keinen Sinn machen.
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