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COLOUR BLOSSOMS (Hong Kong/China 2004)

Regie: Yeung Fan (a.k.a. Yonfan)
Produktion: Yeung Fan, Fruit Chan Kwoh
Drehbuch: Yeung Fan
Kamera: Wang Yu
Ausstattung: Man Nin-cheung
Schnitt: Kwong Chi-leung, Lam Wah-tsuen, Tin Sap-bat
Musik: Surender Sodhi
Darsteller: Teresa Cheung Siu-wai, Carl Ng Kar-lung, Matsuzaka Keiko, Harisu,
Sho, Kuk Fung

Von -MAERZ- (Axel Estein)

 

 

Mit dem Genderbending-Mysterienreigen COLOUR BLOSSOMS (HK/VRC, ‘04), in dem Yeung Fan einem vielschichtigen sexuellen Beziehungsgeflecht und der schillernden Erscheinungswelt des sogar ins Jenseits Triebe schlagenden, von vielfältigen Leidenschaften und Obsessionen getriebenen Eros nachgeht, setzt er in HK neue Maßstäbe in puncto kitschiger Softsex-Melodramatik. Beachtlich zudem Yeungs panasiatischer Ansatz (ob er damit allerings so erfolgreich ist wie Peter Chan Ho-sun, der mit seiner Produktionsgesellschaft Applause Pictures vorgemacht hat, wie so etwas funktionieren kann, steht zu bezweifeln): aus Hong Kong castet er die Film-Newcomerin Teresa Cheung Siu-wai (als Salonlöwin und High-Class-Shopping- Maniac bekannte Ex-Frau des Film- und Popstars Kenny Bee, für die Yeung eigens das Drehbuch zu COLOUR BLOSSOMS geschrieben hat) und den Newcomer Carl Ng Kar-lung (Sohn des bekannten Filmkomödianten Richard Ng Yiu-hon), aus Japan die seit den späten 60ern bekannte Darstellerin Matsuzaka Keiko und das Fotomodell Sho, aus Südkorea die dort auch als Sängerin bekannte spektakuläre junge Transe Harisu (deren Name als lautmalerischer japanischer Neologismus für „Hot Issue“ verstanden werden soll); die Kamera führt der in der Arthouse-Szene bekannte Festlandchinese Wang Yu; den Score komponiert die vielbeschäftigte Bollywood-Fachkraft Surender Sodhi; fast die gesamte Postproduktion läßt er in Thailand erledigen. Fraglose ein Werk vieler Einflüsse.

COLOUR BLOSSOMS (von der Hong Konger Filmkritikervereinigung als einer der zehn besten chinesischen Filme des Jahres mit einem Golden Bauhinia Award ausgezeichnet) arbeitet mit einem Überangebot an Farben und Texturen, alles exquisit, alles prachtvoll. Diese Dekor-Explosion des Unbelebten findet ihre Entsprechung in den exaltierten theatralischen Gesten der Protagonisten. Überfrachtung, wohin man schaut, im Nebensächlichsten, in den kleinsten Nuancen. Die sind jedoch in den meisten Fällen nicht geschaffen für die goßen Bedeutungen, die ihnen hier aufgebürdet werden. Es entsteht ein groteskes Ungleichgewicht, das dadurch noch verstärkt wird, daß der Fluchtpunkt jeglicher Beziehungen der Sexus ist. So rutscht der Film schnell in Camp und Trash ab; an einigen Stellen sogar ins Lächerliche.

Zum Beispiel wenn der von Carl Ng gespielte seltsame, bisexuelle Polizist #4708 (Yeung frönt, wie schon in BISHONEN [HK, ‘98], wieder seinem Faible für junge Uniformierte), auf Streife seine ominösen Libido-Aufwallungen verfolgend, wie ein somnambuler Rammler oder von Pheromonen trunkener Schmetterling irgendwo um die Ecken herumstreicht und die Dinge der Welt, schnüffelnd und zaghaft tastend, nur noch als sexuell aufgeladene Objekte möglicher Paarungsrituale wahrnimmt. Dieses Streichen und Schleichen, sich Entlanggleitenlassen an den Dingen, Mitmenschen, Erlebnissen - ganz vorsichtigt, erst einmal ohne konkreten Vorsatz -, Bestäuben und Bestäubenlassen, haben auch die anderen Hauptpersonen verinnerlicht. Sie haben ihre Hirnrindenfunktionen weitgehend lahmgelegt, bereingt von intellektueller Erblast, den zerebralen Workflow reduziert auf die Stammfunktionen der Libido und die Verarbeitung von Gefühlsmomenten.

Das alles ist von Yeung sicher sehr poetisch gemeint, wird wegen seiner ständigen Überspanntheit aber schnell ermüdend, in vielen Szenen voller Glamour-Bombast und plüschigem Pathos sogar unfreiwillig komisch. Yeungs ästehtischer Idealismus und sein Wille zur Kunst stehen außer Frage. Er pflegt einen so selbstbezogenen, ausschweifenden Ästhetizismus (zumindest hierin ist er überaus genügsam) wie ihn Hong Kong sonst nur noch Wong Kar-wai bedient und erklärt blumig: „The purpose of this film is to add colour to people’s lives. If they want to blossom like a butterfly or something, then they will acceptit“ (www.hkentreview.com). Strittig bleibt, ob er das Ergebnisses seines Schaffensdrangs diesmal durch den Rückzug auf eine zu persönliche Position nicht entscheidend geschwächt hat.

Die sorgfältig ausgewählten und zurechtgebogenen Persönlichkeiten, Dinge, Befindlichkeiten in dieser (und wahrscheinlich auch Yeungs eigener) funkenschlagenden Welt sind trans- bzw. multisexuell. Alles ist aufgeladen und prall bis zum Platzen vor lasziver Geilheit. Zur Erhaltung dieses Zustands ist ein hohes Maß an Künstlichkeit, an Kunstformen der Psyche gefragt. Wie im Film die aufgedonnerte, geschlechtspolymorphe Japanerin (Harisu) dem ausschließlich Feinrippunterhemden tragenden Beau Kim (Sho) einmal erklärt, lautet das zugehörige Motto: „Turning a painful live into extasy.“ Und weiter: „We live with despair but I like this burning torment.“ (Vielleicht, in Kurzform, Yeungs eigenes Programm.) Ein solches psychologisches Durcheinander wie Yeung es hier präsentiert, und für das es keine wirklich vernünftige Auflösung geben kann (bei einer Ausgangslage wie dieser könnte man Theoriemodelle von Freud bis Lacan [mit denen Yeung wohl vertraut ist] auffahren - an den Tatsachen ändern würden sich dadurch wohl kaum je etwas), verlangt unbedingt nach zumindest einer Teilentladung durch das Ausleben der sich unaufhörlich zusammenballenden Transgender- und S/M-Fantasien.

Im Unterschied zu den Protagonisten, die sich in ihren Spielen der Wandlungen und Verwandlungen, der Maskerade, der Verführung, im sinnlichen Hineingleiten in Situationen gefallen, in denen man seine Persönlichkeit ebenso ausdehnen wie verbergen oder seine Identität in Fluß bringen, sogar spielerisch verlieren kann, zeigt Yeung den anderen gleich, was ihm gefällt, was ihn scharf machen. Der Zuschauer wird nicht mehr lange angemacht. Es geht sofort ans Rummachen. Yeung, sozusagen, holt sein Ding raus, bunt und komisch geformt - und patsch! Er läßt die Kamera herumschweifen, halb benommen vom Duft der Phänomene über die Oberflächen schlingern, sich an den Personen entlangtasten, fast festsaugen. Aber er selbst ist nicht mehr auf der Suche nach etwas. Das hat er schon gefunden. Jetzt ist es an der Zeit, sich darin zu suhlen wie eine beschickerte Trüffelsau.

Auch wenn Yeung mit seinen Arbeiten immer mal wieder übers Ziel hinaus schießt, möchte man ihn in Hong Kongs Filmszene doch nicht missen, was aber vielleicht, wie der nun schon 57jährige anklingen läßt, bald der Fall sein könnte: „The movie industry is very energy consuming and you have to put a lot of energy into it. So after this film, I think I will take a long vacation before I do another one. [...] I think more than a year. I will wait until I have the next inspiration. I don’t know when. I may be a little too old when it happens“ (ebd.).

–MAERZ– (Axel Estein)

Übrigens: Der Film wird dieses Jahr im Panorama der Berlinale zu sehen sein.

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