Die Videokunst der Shirin Neshat ist mir unerträglich.
Es gehen in ihr das Schlichte und das Preziöse unheilige Allianzen ein.
Schlicht ist die Botschaft, die - in "Rapture" (1999) - die Männer in
Weiß auf einer Leinwand links und die Frauen in Schwarz auf einer Leinwand
rechts zeigt. Die Männer schreiten dynamisch voran, ersteigen eine Burg
mit Leitern. Die Frauen sammeln sich wie Krähen, stehen still, geben
rituelle Geräusche im jodelnden Singsang von sich. Die Männer blicken.
Die Frauen bewegen sich, auf einen Strand, auf ein Meer zu. Sie lassen ein
Boot zu Wasser, mit ein paar Frauen darin. Die Einstellungen wechseln von
der Totalen, die den Menschen als in die Landschaft verteiltes Ornament der
Masse feiern, auf die Halbnahe, die Dynamisierung suggeriert, die von der
Burka verdeckten Gesichter der Frauen. Am Ende stehen die Männer in
Weiß auf der Brüstung und winken den Frauen in Schwarz zu. Wir
sehen das Boot auf dem Meer, ein Bild so dumm wie schön.
Ein neuer Zyklus ist jetzt im Hamburger Bahnhof in Berlin zu sehen, die ersten
beiden Teile eines größeren Projekts, fünf Arbeiten nach
einem Roman der dissidenten iranischen Autorin Sharnoush Parsipur, die seit
mehr als zehn Jahren in den USA lebt. "Mahdokht" erzählt auf drei
Leinwänden nebeneinander, die aber nichts zerteilen, sondern die zuerst
nebelverhangenen, dann farbverliebten Bilder sich gegenseitig zuspielen.
Die Kamera bewegt sich durch Natur, stößt auf einen Fluss, darin
eine Frauenleiche in Weiß. (Es gibt keine Zwischenfarben bei Neshat
und auch keine Zwischentöne. Von der Musik, die stets wallt und zwitschert,
zirpt und grummelt, ganz zu schweigen.) Die Frauenleiche ist "Mahdokht",
die wiederkehrt in den anderen Bildern, als Mädchen, aber auch als Frau,
die manisch strickt und strickt, Pullover aus gelber Wolle, in denen eine
größere Anzahl von Kindern dann quer durch Olivenhaine jagen.
Die Wolle ist, um Mahdokht, die Strickende, herum, auf dem Boden verteilt.
Das Gelb und das Grün sind sehr schön, zusammen, so schön,
dass man sich die Augen zuhalten möchte, weil Neshat nicht den mindesten
ästhetischen Anstand hat, weil sie einem die Bilder und Töne um
die Ohren haut immerzu.
Nicht weniger schlimm der zweite Teil des neuen Zyklus, "Zarin", noch deutlicher
narrativiert. Zarin ist ein Mädchen im Puff. Drohend von oben gefilmt
als Monster, das alles im Blick hat, die Puffmutter. Die Bilder hier eher
bräunlich-grau, die Atmosphäre gibt sich atmosphärisch.
Überhaupt ist das stets der Eindruck, der sich einstellt: Shirin Neshat
will etwas erzeugen, eine Atmosphäre, eine Schönheit und geht den
Weg dahin, zu dieser Schönheit, zur Atmosphäre, nicht über
Nuancen, Subtilitäten, Gedanken, sondern über schwere Zeichen:
Farben, Musik, Ausdruckswerte, die nichts ausdrücken, weil sie alles,
was sie sagen könnten, erschlagen durch ihre Übergrobheit. Die
Schönheit der Bilder bei Neshat ist so grob, dass sie umschlägt
ins abgrundtief Hässliche. Weil nichts in der Schwebe bleibt, treffen
einen die Aufnahmen wie ein Vorschlaghammer.
Aber weiter in "Zarin". Der Freier beim Mädchen, seine Hand streicht
über ihre Schenkel, ihren Körper, das sieht aus wie bei David Hamilton.
(Im Ernst.) Dann aber der Schock, der sich auf ihrem Gesicht abzeichnet,
den uns die subjektive Kamera nachvollziehen lässt: Der Mann hat kein
Gesicht, es ist weggemorpht und zugemorpht zu verschwimmenden Zügen.
Zarin flieht, in den Hamam, in dem eine bräunlich-grau-schwüle
Atmosphäre sofort sich einstellt. Sie beobachtet die Frauen, sie wird
beobachtet. Sie wäscht sich, sie verfällt in rasenden Waschzwang.
Sie ist dürr. Sie bürstet sich die Arme, den Körper blutig,
sie kann sich das Nicht-Gesicht des Mannes nicht vom Körper waschen.
Dann flieht sie hinaus, auf die Straßen, gerät in einen Hof, in
dem Männer kniend beten. Sie blickt, wir blicken, die Männer heben
die Köpfe, wieder der Horror: die zugemorphten Gesichter.
Die Erlesenheit des Elends in den Arbeiten von Shirin Neshat ist längst
nicht nur ein ästetisches Problem.
zur Jump Cut Startseite |