Dawn of the Dead
1978 war die Welt noch "in Ordnung": Es gab zwei gut gegeneinander
abgrenzbare politische Ideologien. Es gab noch eine florierende Wirtschaft,
die ihre Waren (zumindest in einem der beiden Systeme) für alle
Zugänglich anbot; alles war käuflich und nichts schien mehr einen
Wert zu haben, der nicht auch fiskalisch benennbar war. Der Kapitalismus
jener Tage war kein Schimpfwort, sondern ein Glaubenssystem. Es gab noch
Überblick und Langsamkeit: Man konnte alle wesentlichen Neuigkeiten
noch einer einzigen Nachrichtensendung entnehmen und war danach total-informiert.
Und dann gab es noch ein noch längst nicht verblasstes Bild vom Krieg,
von den Genoziden, von der Treibjagd auf Menschen und dem
Überlegenheitsdenken einer "Rasse". 1978 gab es noch allgegenwärtige
"Motive" für Horrorfilme mit einer klaren Message.
25 Jahre später sieht das alles ganz anders aus. Die politischen
Systeme existieren nicht mehr als klar gegeneinander abgrenzbare Ideologien;
im Kapitalismus wird heute vor allem ein Problem gesehen, das die Reichen
immer reicher und die Armen immer ärmer macht. Die Gemächlichkeit
jener Tage ist einer Hektik gewichen, in der immer mehr Informationen immer
schneller kursieren und immer schneller veralten. Auch am Waren-Besitz und
-Zugang entzünden sich heute keine Leidenschaften mehr und der zweite
Weltkrieg sowie der Nazismus stehen nicht mehr als das "letzte große
Schrecken" da, haben Genozide und Kriege in Europa, Asien und im Nahen Osten
längst wieder stattgefunden. Wovon kann ein sozial engagierter Horrorfilm
also heute handeln?
In George A. Romeros 1978 erschienenem Zombiefilm Dawn of the Dead
war die sozialkritische Stoßrichtung an dem Problemen jener Zeit
ausgerichtet. Der Regisseur wurde nicht müde, seinen Film als "Kritik
am System" zu verkaufen und die Exegeten fanden diese und jene Spur die darauf
hindeuteten, Dawn of the Dead sei eine Allegorie auf Kommunismus,
Konsumismus, Herrenmenschenideologie, Genozid etc. Die Parabelhaftigkeit
sprang deshalb so sehr ins Auge, weil der situative Kontext des Films so
plastisch und "einfach" war: Die Welt wurde von menschenfressenden Untoten
überrannt und ein Hand voll Durchschnittsamerikaner verschanzte sich
in einem Kaufhaus, in der Hoffnung dort überleben zu können.
Zack Snyders Remake des Films nimmt die erzählerischen Eckpunkte
aus Romeros Skript auf, weigert sich jedoch, ein "reines Remake" zu sein.
Zwar sind die Hommagen an die Vorlage mehr als eindeutig, doch parabolisiert
Snyders Dawn of the Dead ein ganz anderes Projekt: Es stellt sich
die Frage: Für welchen Horror können Zombies in einer Zeit ohne
politische Ideologien noch stehen? Und die Antwort findet der Film ebenfalls
verborgen im Romero-Film (oder genauer gesagt: in allen drei Filmen der
Romero-Zombie-Trilogie): Es sind die Medien.
Radio, Zeitung, Fernsehen - das waren bereits bei Romero immer wieder
die Boten, die den Helden zu verstehen gaben, dass die Welt ein Ende gefunden
hat. Von den wilden Spekulationen über "Strahlen von der Venus als
Verursacher der Zombieseuche" (Night of the living Dead) über
hitzig-moralisierende Fernsehdebatten "Sind das noch Menschen?" (Dawn
of the Dead) bis hin zu einem fliegenden Stück Zeitungspapier mit
der Aufschrift "The Dead walk" (Day of the Dead), das durch die
verwüsteten Straßen irgendeiner entvölkerten amerikanischen
Stadt weht: Medien spielten eine Rolle, aber eben noch nicht die Hauptrolle.
Das ändert sich im Dawn-Remake, denn die fundamentale Katastrophe der
Untoten-Seuche wird nicht mehr vordringlich in der Auflösung der
Gesellschaft gesehen, sondern in der Auflösung der die Gesellschaft
stiftenden Kommunikationsuniversalie (Talcott Parsons). Nach und nach wird
jeder Kommunikationskanal erst gleich- und dann abgeschaltet: Im Telefon
sind nur noch Warteschleifen zu hören, im Radio laufen überall
die selben Warnhinweis-Programme, die TV-Sender gehen zum Notprogramm, zum
Testbild, zum Rauschen über. Schließlich ist das Gröhlen
der Untoten in den Straßen und um das Kaufhaus, in dem sich auch die
Überlebenden des Remakes versammeln, so laut und atonal geworden, dass
nur noch Schrifttafeln als Einkanal-Kommunikate zwischen den auf den
Häuserdächern der Stadt Überlebenden nützlich sind.
Innerhalb der Überlebenden-Gruppe ist Sprache indes die einzige
Möglichkeit, die Lebenden von Untoten zu unterscheiden. Die Sprache
wird zum Identifikationsmerkmal aber auch zum Integrationsmerkmal. Ist das
erste Drittel des Film noch vom Misstrauen und der Habgier der im Kaufhaus
verschanzten Einzelgruppen bestimmt, löst sich dies im weiteren Verlauf
immer mehr auf, als man versteht, dass es nur noch zwei Systeme gibt: die
sich artikulierende Zivilisation drinnen und das Stöhnen und Gröhlen
der kannibalischen Horden draußen.
Wie in Romeros Filmen versucht auch im Dawn-Remake die Gruppe aus
ihrer Belagerung auszubrechen. Doch leicht ist das nicht, denn in einem
unterscheiden sich die Snyder-Zombies ganz wesentlich von den Romero-Zombies:
Sie sind schneller geworden. Der zeitgenössische Zombie reagiert damit
auf die Fehler , die seinen Vorfahren breits in die evolutionäre Sackgasse
führten (das Ende des Modernen Zombiefilms in den frühen 1990er
Jahren) und macht ihn bereit für die Anforderungen, die das junge 21.
Jahrhundert an ihn stellt: Die Beschleunigug alles Lebens. Die Dromologie
der Informationen macht diese Beschleunigung seines Fresstriebes, ja seiner
gesamten Motorik notwendig. Und so verfolgen die Untoten ihre Opfer nicht
mehr in jener alptraumhaften aber dennoch unaufhaltsamen Langsamkeit der
Romero-Filme, sondern sie rennen und sie rennen, ohne das ihnen die Puste
dabei ausgehen könnte. Das macht den Ausbruchsversuch der Überlebenden
riskant. Mittels zweier Busse, die zahlreich verstärkt und bewaffnet
zu fahrenden Festungen umgebaut werden, wird die Flucht gewagt. Durch Massen
von Zombies und durch einsame Straßen, in denen nur noch sinnlos gewordene
Papierfetzen umherfliegen, bahnen sich die Überlebenden einen Weg ins
Paradies.
Snyders Remake, das zeigt sich recht bald, ist ist mehr ein
Gedankenexperiment als ein Unterhaltungsprodukt. Schon im Kontrast der
gelegentlichen Panorama-Aufnahmen, die den Weltuntergang in erschreckenden
Bildern präsentieren zu den wackeligen, schnell aneinander geschnittenen,
im Shutter-Verfahren aufgenommenen Bildern der kämpfenden Überlebenden
zeigt sich der Unterschied zum Romero-Film überdeutlich. Wo Romero noch
in epischer Breite "zeigen und beschreiben" wollte, setzt Snyder in seiner
Clip-Ästhetik voll auf das Überwältigen. So opfert er bereitwillig
die Charakterisierung der einzelnen Figuren und den dramaturgische Bogen
des Originals einer Kakophonie von Bildern und Tönen. Das "diskursive
Rauschen" des Subtextes verdoppelt sich im Remake auf der Oberfläche
des Films als Stakkato, das dem Zuschauer entgegenwirbelt. Deshalb ist es
auch schwer, im Dawn-Remake einen (gelungenen) Spielfilm zu sehen, denn dem
für diesen notwendigen "Erzählen und Charakterisieren" verweigert
sich der Film. Dort, wo sich Erzählungen und Figurenannäherungen
im Kleinen herauszukristallisieren beginnen, bricht alsbald die Katastrophe
in Form der Zombies ein und zerstört die sich entwickelnden sozialen
Sinnkonstruktionen. Kommunikation ist, wie geschrieben, die letzte
gemeinschaftsstiftende Struktur. Und als die kurz vor Ende jäh abbricht
und die letzte Schrifttafel nur noch mit blut beschmiert ist, wissen die
Überlebenden, dass sie ihren Traum von der Gesellschaft hinter sich
lassen müssen.
Dawn of the Dead
(USA 2003)
Regie: Zack Snyder; Buch: James Gunn (nach der Vorlage von George
A. Romero); Kamera: Matthew F. Leonetti; Musik: Tyler Bates; Schnitt: Niven
Howie
Darsteller: Sarah Polley, Ving Rhames, Jake Weber, Mekkhi Phifer,
Ty Burrell u. a.
Verleih: UIP; Länge: 95 Minuten
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