Nach dem Vorspiel im Himmel spielen die ersten Szenen von Murnaus
"Faust" auf Erden auf einem Rummelplatz. Kein Zufall, denn mit den Mitteln
der Jahrmarktsattraktion operiert auch der Film, schon hier, in dieser ersten
Szene, in der Mephisto, im doppelbelichteten Bild den Himmel füllend
den Pesthauch hineinbläst in die Stadt, die mittelalterlich hingekauert
ist unter die Blicke der Kamera, die die der Mächte sind, die mit den
Figuren spielen. Und zugleich sind diese Mächte immer schon (gar nicht
anders) lesbar als der Trick der Kamera und der Nachbearbeitung der Bilder.
Es ist - ausweislich auch der zeitgenössischen Kritiken - keineswegs
so, dass zur Zeit der Entstehung das Kulissenhafte der Settings, das Handgemachte
der Spezialeffekte, der schmierenhafte Pomp der Darstellung, das Budenzauberhafte
der Magie zu übersehen gewesen wäre.
Das Mittelalter, das hier zusammengeträumt wird, ist so wenig
einheitlich wie der Ton der Geschichte. Das große Drama wird eingedampft
auf das Verhältnis Fausts zu Mephisto zum einen, auf die unglückliche
Liebe Fausts zu Gretchen zum anderen. Und aus den Banden der klassischen
Vorbilder von Anfang an befreit, ist Murnaus "Faust" ein einziges Herumwirbeln
der Figuren durch eine Geschichte, die sich durch einen nicht-linearen, in
der Darstellung des Dorfes etwa expressionistisch gebrochenen Raum weniger
erstreckt als: in ihm auf kapriziöse Abwege gerät. Nicht ins Offene,
sondern von einem geschlossenen Raum in den nächsten purzelnd. Es wird
viel geflogen, durch Fenster davon, über die Alpen hin, aber immer wie
durch Kulissen, unter Anleitung des Schmierenteufels Mephisto, dem Emil Jannings
kein Jota Aufbegehren gönnt und im Grund auch nichts Dämonisches.
Seine Lust am Experiment mit dem Toren Faust hat etwas durchaus Infantiles.
Er spielt ihm einen Streich um den anderen, der Tod und ewiges Leben sind
nur mehr nominell im Spiel.
Wunderbare Trickbilder sind es, die Murnau findet, aus dem Geiste
Meliès', aber erhaben sind sie nicht. Statt Unermesslichkeit nur
Pappmaché im Bild. So sieht man im Prolog im Himmel die Körper
des Cherubs und des Teufels nicht mit ihren riesigen Schwingen verschmelzen,
sondern wie unwohl hineingestellt in die Kulisse. Ein Genuss fürs Auge
sind die Doppelbelichtungen, Feuer und Flamme, Pesthauch und brennende Schrift,
allein das Auge schweift über die Attraktionen der Leinwand, nicht
konzentriert, sondern Zerstreuung suchend in den liebevollen Details.
Eigentümlich zuhause fühlt man sich in diesen Bildern, im Abgekapselten
des imaginierten Mittelalters, obwohl - oder gerade weil - man sich in ihnen
nicht an die Illusion der Darstellung verliert. Was man vielmehr genießt,
ist die Darstellung der Illusion.
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