Unsere Geschichte (es ist die Sorte Geschichte, die mit solchen
Worten beginnt) nimmt ihren Anfang im Weltall. Sterne und Blau und Wirbel,
die Kamera schwenkt von rechts nach links, im Voice Over wird das launig
kommentiert. Dann landen wir - aber, weit gefehlt, nicht ein für allemal
- in der Wirklichkeit, im finsteren Jahr 1942, in einem Flugzeug, das brennt,
wir hören den gut gelaunten britischen Piloten, wir sehen, im Close
Up das Gesicht der Frau, in die er sich, mit voller Absicht, gerade verliebt
(und sie sich in ihn). Die Situation ist jedoch noch ungewöhnlicher
als sie klingt: das Flugzeug stürzt gerade ab, sein Rettungsfallschirm
ist zerfetzt, es sind die mutmaßlich letzten Worte, die er mit June
aus Boston, die nun Tränen in den Augen hat, wechselt. Sie möge
seiner Mutter sagen: er liebe sie.
Es folgt ein Schnitt und nicht nur wir sehen, sondern auch Peter Carter,
der Pilot, sieht - sich im Jenseits wähnend - Unerwartetes, als er die
Augen aufschlägt: einen Strand, Wasser, einen flötespielenden,
nackten Hirtenjungen - und dann ein über die Köpfe donnerndes Flugzeug.
Auf einem schmalen Weg auf einem Fahrrad eine Frau, er eilt zu ihr: es ist
June, sie erkennen sich ohne Worte, fallen sich in die Arme, küssen
sich. Das ist nicht das Paradies, viel besser: es ist das Leben, er ist nicht
tot, die Frau ist echt, der Beginn einer wunderbaren Liebe. Freilich hat
das einen Haken. Szenenwechsel. Vom prächtigen Technicolor geraten wir
ins Schwarz-Weiß einer Zukunfts-Architektur, die den Himmel darstellt.
Der Funker wartet auf seinen Piloten (eben Peter Carter), der nicht eintrifft.
Tot sollte er sein, ist es nicht. Der Schuldige ist schnell gefunden, ein
Engel, der durch den dichten englischen Nebel irrend, den Toten verpasst
und so versehentlich am Leben gelassen hat. Der Bote ist Franzose, sein Leben
und seinen Kopf verlor er bei der Revolution, quel malheur. Er soll nun,
auf dessen guten Willen setzend, Peter Carter doch noch holen.
Der aber liebt und denkt nicht daran, den herrlich bunten Planeten
zu verlassen. Die ersten Worte des Engels, der in einer Art irdischem
Blütenparadies anlandet, in einem Garten Eden der Liebe, auf dessen
Erde sich Peter und June in romantischer Absicht gebettet haben, der
Stoßseufzer: Warum nur haben wir bei uns kein Technicolor. Die Zeit
steht still, buchstäblich, und nicht zum letzten Mal. Nicht nur mit
der Farbe als techni(colori)scher Verzauberung treiben Powell und Pressburger
Schabernack, auch die Bewegungsillusion des Films nehmen sie durch Stillstellung
der Restwelt in immer kurioser werdenden tableaux vivants (Tischtennisspiel,
Schädeloperation) aufs Korn, in gefaketen freeze frames von Zeit
und Bewegung, die, wenn er nicht selber drauf gekommen ist, noch Nicholson
Baker für seinen sehr ungezogenen Roman "Die Fermate" geklaut hat.
Später dann erleben wir eine so ungeheuerliche wie fabelhafte Demonstration
einer POV-Einstellung: leinwandgroß senkt sich das Lid übers Auge,
das die Kamera ist. Carter unterdessen rückt kein Stück und kommt
nicht mit: er fordert einen Prozess, schließlich gebiete die normative
Kraft des Faktischen (vulgo: die nach illegalem Überleben eingetretene
Liebe) die Revision des Urteils. Der Fall aus dem Flugzeug, der Fall ins
Paradies, als das sich die Erde so unerwartet erweist, wird zum Fall vorm
obersten himmlischen Gericht. Gesucht wird ein Verteidiger, der Ankläger
ist gefunden: ein amerikanischer Unabhängigkeitskämpfer, einst
gefällt durch eine britische Kugel, er hat, verständlicherweise,
nationale Vorurteile.
Was folgt, ist eine Zwischenzeit, hin zur abschließenden
Verhandlung. Ein weiterer Szenenwechsel, ins Bild tritt der höchst belesene
Arzt und gottgleiche Camera-Obscura-Experimentator Dr. Reeves, der eine
neurologische Ursache für die Visionen Carters vermutet. Er ist eine
wunderbare Figur, kommt bei einem Motoradunfall ums Leben, ab geht's nach
oben, so ist dann auch der Verteidiger für den Prozess gefunden. Auf
Erden koinzidiert (anders kann man's nicht sagen, denn die Suggestion, es
handle sich im Ganzen nur um eine Halluzination des sterbenden Carter, ist
zum Glück nie mehr als das; die Evidenz der fantastischen Bilder steht
mächtig dagegen) der Prozess mit der Hirnoperation. Entstanden ist der
Film - 1946 - auf Anregung des Informationsministeriums mit dem Auftrag,
das amerikanisch-britische Verhältnis ins rechte Licht zu rücken.
Die Anklage- und Verteidigungsrede schienen Powell und Pressburger der rechte
Ort zur Thematisierung, geistreich und unter Aufbietung abgrundtiefer britischer
Selbstironie kommt's zum Gefecht. Radios werden präsentiert: ein
Cricket-Kommentar hier, ein Big-Band-Song da. Man kann es nicht aufzählen,
zu reich ist der Film an so entzückenden wie kauzigen Details. Es
genüge zu sagen (dass man es gesehen haben muss, versteht sich von selbst):
auf einer großen Treppe bewegt sich die Himmelskongregation auf den
Operationssaal zu, die Farbe fließt von hier nach da und omnia vincit
amor. |