Robert Blanchet: Blockbuster. Ästhetik, Ökonomie und Geschichte des Postklassischen Hollywoodkinos

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Daten zum Buch

Robert Blanchet: Blockbuster. Ästhetik, Ökonomie und Geschichte des Postklassischen Hollywoodkinos
Schüren Verlag

Marburg 2003
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Klappentext
Das goldene Zeitalter des klassischen Hollywoodkinos ist vorbei. Mit Der weiße Hai und Star Wars bricht in den Siebzigerjarhen eien neue Ära für die amerikanische Filmindustrie an: die Ära des Blockbusters. Anhand zahlreicher Beispiele aus dem aktuellen Filmgeschehen macht Blancet den ästhetischen und ökonomischen Wandel transparent, den Hollywood seither vollzogen hat, und liefert dabei ein aufschlussreiches und spannendes Porträt darüber, wie Hollywoodkino im Zeitalter von Globalisierung, Selbstironie und Dolby-Surround funktioniert.
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Robert Blanchet: Blockbuster. Ästhetik, Ökonomie und Geschichte des Postklassischen Hollywoodkinos

Von Ekkehard Knörer

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Auf dem Titel: "The Matrix". Im Sinn Filme wie: "Independence Day" oder "Titanic", sämtliche Bruckheimer/Simpson-Produktionen. Oder die Urväter "Der weiße Hai" und "Star Wars". Das Phänomen, um das es in Robert Blanchets Buch "Blockbuster" geht, lässt sich mit diesen Filmtiteln umreißen, mit dem Buchtitel benennen und in den Kategorien des Untertitels untersuchen: "Ästhetik, Ökonomie und Geschichte des Postklassischen Hollywoodkinos". Darum geht es, in drei voneinander wenig abhängigen Modulen sozusagen, und Blanchet holt weit aus. Die Ästhetik, die er vorstellt, ist zunächst einmal nicht die des Blockbuster-Kinos, sondern Methode der Filmwissenschaft. Der Neoformalismus, David Bordwell in erster Linie - dessen mit Kristin Thompson und Janet Staiger verfasster Klassiker "The Classical Hollywood Cinema" bildet den Hintergrund, von dem sich das Blockbuster-Kino abheben könnte. Ein detailliert beschriebener Hintergrund, muss man sagen, eine ausführliche Darstellung der Bordwellschen Ansätze. Ja, in diesem ersten, "Ästhetik" überschriebenen Teil, beinahe so etwas wie ein kleines Lehrbuch, eine Einführung - und als solche ganz makellos. Das beste, was man in deutscher Sprache derzeit finden kann. Präzise, von derselben nüchternen Verständlichkeit, die den Ansatz als ganzen auszeichnet.

Über Bordwell hinaus erfährt man allerdings recht wenig. Geordnet ist die Darstellung nach den Grundbegriffen der die Spezifika des Films herausarbeitenden Erzähltheorie, auf die der neoformalistische Ansatz in vielen seiner Aspekte hinausläuft (Devices; Motivation; Syhuzhet und Fabula; Style; Narration); diese werden vorgestellt und an Beispielen herausgearbeitet. Eingehendere Analysen bleiben aus, Schlaglichter müssen genügen. Die Beispiele sind allerdings klug gewählt und über die neuesten Erzähl-Effekte wie "Dead-Time" und "Flo-Mo" (vgl. Matrix) erfährt man, in wünschenswerter Klarheit, was es dazu zu erfahren gibt. Von solchen Neuerungen abgesehen, laboriert die Untersuchung im ästhetischen Teil jedoch an dem - angesichts der Qualitäten nicht sehr gravierenden - Problem, das in ihrer These liegt. Wenn diese These zutrifft (und vieles spricht dafür), kann Blanchet natürlich nichts für das Problem, das er hat. Es irritiert dennoch. Die These nämlich ist, dass sich ästhetisch das postklassische Hollywoodkino von der klassischen Gestalt nicht wesentlich unterscheidet. Es gelten - nach dem europäisch beeinflussten Hiatus, den New Hollywood darstellte - dieselben Regeln der Nicht-Thematisierung des Erzählens, dieselben Formeln, nach denen die Geschichten zu erzählen sind, schon gar in der Form dieses Erzählens. Es gilt also, mit nicht sehr bedeutenden Variationen, das, was Bordwell & Co. erarbeitet haben. Daher der Lehrbuchcharakter dieses ersten Teils, der dem Kenner kaum Neues bietet.

Im Charakter ähnlich der zweite Teil, der sich, akribisch, nüchtern, nachvollziehbar, mit der ökonomischen Seite des Blockbuster-Kinos befasst. Hier ist nun vieles neu. Veränderungen des Systems, die durch den Einzug des Fernsehens wie das Urteil, das die Studios zwang, ihre Kinoketten zu verkaufen, eintraten, neue Produktionsstrukturen, veränderte Verleih-Konditionen, vor allem die zunehmende Konzentration auf das Startwochenende, dadurch explodierende Werbekosten, der flächendeckende Einsatz von Kopien vom ersten Tag an (der sogenannte "saturation release"); hier ist vieles mit dem klassischen Hollywood kaum mehr zu vergleichen. Blanchet fasst die Entwicklungen beispielhaft zusammen, bietet durch Zahlen und Tabellen leicht nachvollziehbare Informationen. Auch hier gibt es keine grundlegend neuen Erkenntnisse, auch hier wieder gelingt es Blanchet, alles Wichtige strukturiert und ohne Redundanzen zusammenzufassen. Wer sich, zumal im deutschen Sprachraum, auf den aktuellen Stand der ökonomischen Verfassung Hollywoods bringen will, ist mit diesem zweiten Teil bestens bedient.

Der dritte Teil dann schließt die beiden ersten in gewisser Weise in sich. Etwa indem er verdeutlichen kann, dass die seit den siebziger Jahren um sich greifende Idee des "High Concept"-Films (eine griffige Geschichte, in wenigen Sätzen zu erzählen - "25 words or less", rasch einleuchtend, überraschend und zugleich in Bezug zu bekannten Formeln zu setzen) nichts anderes ist als die ästhetische Gestalt der ökonomischen Bedingungen (eine Folgewirkung, nebenbei, ist auch die Veränderung des Trailers, der nun genau diese Geschichte erzählen muss, statt mit ihr hinterm Berg zu halten: man erfährt hier auf knappstem Raum beinahe mehr als in Vinzenz Hedigers fliegenbeinzählerischem Buch zum Thema). Zum Event wird das Kino nur, wenn es der großen Zahl der Zuschauer möglichst schnell einleuchtet; die Werbung verlangt nach dem schlagenden Bild, auf das sich das Konzept bringen lässt: die Zerstörung des Weißen Hauses, die Titanic in der Senkrechten. Daher auch die Popularität des Recyclings bzw. die Adaption des bereits weithin Bekannten, etwa der Superhelden-Comics. Es muss so kein neues Produkt in den Markt gedrückt werden, bzw. das Produkt ist in seiner konzeptuellen Eigenart auf den ersten Blick zu erkennen und lockt mit 25 Wörtern oder einem Bild die Massen am ersten Wochenende. Eindrucksvoll ist Blanchets Analyse des Erfolgs, den auch vom Publikum abgelehnter Schrott wie "Batman & Robin" schon in den ersten Tagen einspielen kann. Die Kassen sind voll, bevor das Entsetzen von Kritik und Publikum sich herumspricht. Die Strategie der Werbung wie des flächendeckenden Kopieneinsatzes zielt genau darauf: die Filme (so weit es geht) resistent zu machen gegen das Urteil. Dazu muss stets auf die (vermuteten) Schlüsselreize gezielt werden, für Ambivalenzen und kompliziertere Konzepte ist dabei wenig Raum. Bestenfalls für die ironischen Formen der Doppelcodierung, die die schlichteren und die cleveren Gemüter zugleich bedienen, Fälle wie "Scream" oder - da machte das Publikum aber schon nicht mehr recht mit - "Last Action Hero". In diesem Zusammenhang bietet Blanchet auch eine interessante Analyse von "Pulp Fiction" als Parodie, die die Mythen des Trivialen durch Banalisierung ins Komische zieht. Es sind dies aber unter den großen Erfolgen der letzten Jahre eher die Ausnahmen als die Regel.

Es tut sich dadurch eine Lücke auf: zwischen den Blockbustern mit riesigem Budget, die jedes Risiko vermeiden, und klein budgetierten Filmen, die man sich leistet in der Hoffnung, es könnten Riesenerfolge daraus werden (wie "My Big Fat Greek Wedding") - für die Kunst, die nicht viel kostet, sind dann Studiountereinheiten wie Miramax oder Sony Classics zuständig. Was fehlt, ist der Zwischenraum mittlerer Budgets und damit genau der Bereich, in dem der Mainstream vorsichtige Experimente wagen durfte. Zwischen Oscar-verdächtiger "Kunst" (die ja meist Kunsthandwerk ist) und dem geistlosen Blockbuster breitet sich zunehmend ödes Feld aus. Auch dies ein klarer Durchschlag der Ökonomie auf die Ästhetik, ein Beleg dafür, dass der Blockbuster das gesamte Gebiet der Produktion affiziert und umstrukturiert. Blanchet, dem es sonst eher um Objektivität zu tun ist, setzt hier den einen oder anderen kritischen Akzent.

Die Überfülle an Informationen, neuen und nicht ganz so neuen, die das Buch bietet, ist in einer Kritik nur anzudeuten. Übers digitale Kino erfährt man ebenso etwas wie über Genres und ihren Auf- und Abstieg in der Beliebtheit der Zuschauer, der Production Code ist abgedruckt und das Package-Unit-System im Detail erläutert. Ein Buch, alles in allem, das vielen vieles bieten wird. Blanchet neigt nicht zur Spekulation, reich aber ist sein Buch an Zahlen und Fakten. Es wird nicht immer klar, wie alles nun konkret mit allem zusammenhängt; dem Vergnügen, das es dem an der Industrie Hollywood Interessierten bereitet, tut das keinen Abbruch. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist der zweispaltige Satz des Buches - und in einem letzten Korrekturgang hätte man vielleicht verhindern können, dass die Kommasetzung zum beinahe schon wieder konsequenten Gegenentwurf auch zu neuesten Regelungen gerät. Das sind aber Kleinigkeiten. Ich habe Robert Blanchets "Blockbuster" mit viel Gewinn gelesen.

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