Steven Soderbergh: Traffic
(USA 2000) Rezension von Ekkehard Knörer Traffic' ist ein Essay über die Drogenprobleme der USA, er ist ein Spielfilm mit dokumentarischer Anmutung und er ist ein Thriller, der seine Spannungsmomente aus dem Kampf zwischen Drogenkartellen und gegen sie bezieht. Das Drehbuch verteilt diese drei Filme auf mehrere Schauplätze und Gravitationszentren der Handlung, der Regisseur markiert die Differenzen durch unterschiedliches Filmmaterial. Es gibt aber keine scharfen Trennungen, sondern nur Verwischungen und Verknüpfungen, Übergänge und Überschreitungen, das Eindringen des Dokumentarischen ins Fiktionale, des Thrillers in den Essay, der Handkamera in den Hollywood-Film. Es beginnt wie ein Bond-Thriller: Inserts, Bilder, Personen eröffnen verschiedene Schauplätze. Zusammen reimt es sich erst im Lauf der komplex in mehrere Fäden aufgetrennten Handlung. Die Erschließbarkeit von Beziehungen ist das Thema, narrativ wie, natürlich, für die Ermittler, die die Verbindungen zwischen mexikanischen Drogenbossen und ihren amerikanischen Abnehmern nachzuweisen versuchen. Die Kamera (und damit der Zuschauer) ist schneller und informierter als alle Beteiligten, der Film nutzt dieses Vorwissen einmal auch schamlos zur Erzeugung von Suspense reinster Hitchcockscher Machart - zugleich fasern die durch Schnitt und Kamera erzeugten Erklärungen aber immer wieder aus ins reine Geschehen, in eine begrenzte Offenheit, die nicht darauf aus ist, den Zuschauer listig zu hintergehen, die viel eher zeichenhaft steht für den Fragmentcharakter des gezeigten "Wirklichkeitsausschnitts" und damit auch für den Gestus des Dokumentarischen, der Traffic' prägt.
Dieser Gestus ist in die Oberfläche der Bilder doppelt eingetragen:
in der Grobkörnigkeit und Falschfarbigkeit der ockerstichigen
Mexiko-Passagen wie der in ein kaltes Blau gefilterten Szenen um Richter
Wakefield, und in der Fahrigkeit der Kamera, ihren Schwenks und mitunter
auch wenig klassischen Jump Cuts. Diese Geste des Dokumentarischen bekommt
den ins episch und argumentativ Komplexe zielenden Ansprüchen des Films
gut, arbeitet einer Tendenz zur Thesenhaftigkeit immerhin so weit entgegen,
dass sich die Thesen in eine Vielstimmigkeit von Bildern, Momenten, Figuren,
möglichen Reaktionen und Haltungen auflösen. Was übrig bleibt,
an Botschaft sozusagen, ist eine Feststellung: der Feind, die Droge, ist
in unserem eigenen Haus. Traffic' gibt nicht vor zu wissen, was zu
tun ist. Zwar stellt das Drehbuch der drogenpolitischen Großhandlung
die ins private und exemplarisch Einzelne transformierte Geschichte der
drogenabhängigen Tochter des Richters in didaktischer Absicht zur Seite.
Obgleich dieser Nebenplot den Geruch des fast schamlos Illustrativen und
zugleich Thesenhaften nie ganz los wird, lässt sich doch keine unvermischte
Stimme einer Autor-Instanz daraus destillieren. Der privaten Ratlosigkeit
korrespondiert die politische, der Kronzeuge gegen den amerikanischen
Drogenhändler wird ermordet, bevor er aussagen kann. Dagegen setzt der
Film dann zwei Signale der Hoffnung, die für Hollywood-Verhältnisse
geradezu subtil sind und den Kampf ganz anti-triumphalistisch in den Mühen
der Ebene ansiedeln. |