Steven Soderbergh ist ein singulärer Fall in Hollywood. Mit
seinem ersten Film - "Sex, Lügen und Video" gewann er als jüngster
Regisseur aller Zeiten die "Goldene Palme" in Cannes. Danach folgte, wie
er selbst im Scherz bei seiner Dankesrede vorausgesagt hatte, ein
kontinuierlicher Abstieg, die Mitte der 90er Jahre entstandenen Filme "Gray's
Anatomy" und "Schizopolis" gelangten so gut wie überhaupt nicht in die
Kinos. Umso erstaunlicher das Comeback, das Soderbergh gelang, mit dem
Kritikererfolg "Out of Sight" und den oscargekrönten Filmen "Erin
Brockovich" und "Traffic" im Jahr 2001. Sehr bewusst unternimmt Soderbergh,
der jetzt wieder die Wahl hat, Gratwanderungen zwischen Kunst und Kommerz,
zwischen gewagten, aber für wenig Geld produzierten Projekten (wie "Full
Frontal") und Blockbustern (wie "Ocean's Eleven"). Kein Wunder, dass er dabei
auch mal, wie mit "Solaris", zwischen alle Stühle (Kritik, Publikum,
Studios) gerät und danach wieder auf Nummer sicher geht, mit der geplanten
Fortsetzung zu "Ocean's Eleven".
So singulär Soderbergh auch ist, er ist kein Regisseur - das
notiert auch Herausgeber Frank Arnold als Reaktion auf seine Anfragen -,
der Leidenschaften weckt. Man kann seine Professionalität und Vielseitigkeit
bewundern, sein Können, auch seinen Mut, die Brillanz seiner Schnittkunst;
wirklich erwärmen kann sich für diesen Regisseur kaum einer. Zu
unpersönlich scheinen seine Filme, zu wenig steckt in ihm von dem, was
den Auteur nach gängigen Klischees ausmacht: Obsessionen, Herzblut,
eine Handschrift, die seine Filme als Oeuvre lesbar macht an wiederkehrenden
Motiven und Bildern und Themen. Soderbergh gilt als Handwerker und als
Könner, man schätzt manche oder gar die meisten seiner Filme, ihn
zu lieben fällt jedoch schwer. Das muss, für ein Buch über
ihn, kein Nachteil sein, und in der Tat zeigt sich hier: der Blick bleibt
in den meisten Texten scharf und analytisch, wenn auch mitunter - etwa in
Lars Pennings Kommentar zu "Erin Brockovich" oder Jan Distelmeyers politisch
korrekter Mäkelei an "Traffic" - überkritisch und ästhetisch
unengagiert zugleich.
Dennoch: Die Mehrzahl der von verschiedenen Autoren - von Hans Schifferle
bis Bert Rebhandl, von Hanns Zischler bis Fritz Göttler - verfassten,
wenige Seiten umfassenden Beiträge, die sich zum Durchlauf durch die
Filmografie formieren, ist wenigstens solide, mitunter brillant. Hervorzuheben:
Göttler zu "Out of Sight", Rebhandl zu "The Limey" und Thomas Willmann
zu "Gray's Anatomy". Es wird einem, angesichts der Nebenordnung von Blockbustern
und bei uns nie gelaufenen Filmen, auch klar, dass da noch Entdeckungen zu
machen sind. So klingt etwa die wunderbar präzise Beschreibung von
Soderberghs Filmversion einer Spalding-Gray-Performance(Gray war
Gründungsmitglied der Theateravantgardisten der "Wooster Group", deren
berühmtestes Mitglied Willem Dafoe ist) sehr interessant; für die
beiden Folgen der Neo-Noir-Fernsehserie "Fallen Angels" gilt das, glaubt
man Hans Schifferle, erst recht.
Eine originelle Idee - dem sachlichen Charakter des Buches trotz
gelegentlicher ironischer Verweise ganz angemessen - ist das von Frank Arnold
zusammengestellte "kleine Soderbergh-Lexikon" unter dem Titel "Stevens Welt
von A bis Z", die Ausschnitte aus Interviews ebenso unter Stichworte bringt
wie Box-Office-Erfolge (und -Misserfolge) und Listen von Lieblingsfilmen.
Ein mixed bag sind leider die längeren Texte, die ins Soderberghsche
Werk einführen sollen. Thomas Christens Aufsatz "How to Play the Game"
bringt wenig Neues, verbaut sich aber auch tendenziell interessante Einsichten
durch sprachliche und interpretatorische Klischees, denen intelligente Gedanken
nur mit Mühe noch abzuringen sind. Michael Essers "Schöne Frauen,
zersägt" fällt gelegentlich ins andere Extrem stilistischer Emphase,
ist aber voller schöner Beobachtungen. Ein bisschen enttäuschend
fallen die meist kurzen Interviews aus, von den Befragten offenkundig eher
lustlos geführt, mit dem Regisseur Richard Lester oder dem Schauspieler
Adrien Brody.
Ein Buch mit mehr Höhe- als Tiefpunkten also, summa summarum
lesenswert und anregend, für Soderbergh-Novizen und -Fortgeschrittene.
Und übrigens, man muss es erwähnen, da es auf dem Filmbuchmarkt
alles andere als selbstverständlich ist: ein schönes Buch mit
angenehmem Layout.
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