Eure Bilder, unsere Bilder
Wir müssen unsere eigenen Geschichten erzählen, sagt
Regisseur Vilsoni Hereniko in einem
Interview am Rande des Film
Forums Freiburg, und er macht es vor. Sein Spielfilmdebüt
The Land Has
Eyes hatte letztes Jahr auf dem Sundance-Filmfestival Premiere.
Fast ausschließlich mit Laienschauspielern auf seiner touristisch
unerschlossenen Heimatinsel Rotuma gedreht, schildert der Film die Geschichte
des Mädchens Viki während der britischen Kolonialherrschaft. Ihr
Vater, der kein Englisch spricht, wird von einem habgierigen Nachbarn des
Diebstahls von Kokosnüssen beschuldigt. Ein korrupter Dolmetscher
übersetzt vor Gericht zu seinen Ungunsten. Viki, die in der Schule zu
den Besten gehört, kämpft um den Ruf des Vaters und vertraut dabei
einer Legende. Durch die spirituelle Macht der Kriegerin, nach
der Mythologie erste Bewohnerin der Insel, klärt sie den Betrug auf
und findet ihren eigenen Weg innerhalb der Familie sowie der Inselgemeinschaft.
Der Film überzeugt durch seine fantasievolle Visualität, kreiert
in seinen einführenden Szenen, dem Rekurs auf eine Legende, aber gerade
bei dem durch Südsee-Klischees geprägten westlichen Publikum ein
doppeltes Dilemma: Einerseits folgt es der aus einheimischer Perspektive
erzählten authentische Story, sieht aber andererseits in der eigenen
Wahrnehmung die mit der neuseeländischen Schauspielerin Rena Owen
(Die letzte Kriegerin) prominent besetzte Figur der Warrior
Woman auf einer einsamen Insel im Baströckchen durch den Dschungel
streifen. Hier greifen die Stereotypen, und der Zuschauer fühlt sich
entweder im als ursprünglich empfundenen Ambiente (wieder einmal viel
zu) wohl oder lehnt es befremdet als Ethno-Kitsch ab. Ein Zwiespalt,
der sich auf kurze Sicht nicht lösen lässt, weil eine entfremdete
Bildsprache der Inseln Ozeaniens keine Kriterien zur Verfügung stellt,
um zwischen Projektion und Realisation zu unterscheiden.
Monotonie in der Südsee
Romeo und Ed in Two Cars, One Night
copyright: Freiburger Film Forum
So wie in The Land Has Eyes bedienen sich auch zwei
neuseeländische Kurzfilme von Maori-Filmemacher des jugendlichen
Blickwinkels: O Tamaiti (Die Kinder) von Sima Urale, 2003 mit
dem Silbernen Löwen in Venedig ausgezeichnet, und Two Cars, One
Night von Taika Waititi, Berlinale-Gewinner 2004 und im Jahr darauf
für den Oscar nominiert. Im Schwerpunkt Faszinierendes Ozeanien
während des Festivals an einem Nachmittag direkt hintereinander auf
die Leinwand projiziert, entwickeln die beiden in Schwarzweiß gedrehten
Filme eine bemerkenswert synchrone Ikonographie: Ihre jungen Protagonisten
rücken durch die Perspektive der Kamera, die sie immer auf Augenhöhe
begleitet, ins Zentrum. Die Erwachsenen werden zu Randfiguren. Durch die
soziale Not in der Familie sind die Kinder auf sich allein gestellt. Die
Geschwister in O Tamaiti rücken zusammen, halten sich aneinander
fest. Auch der neunjährige Romeo und die elfjährige Polly, die
sich eines Abends in Two Cars, One Night* auf dem Parkplatz treffen,
sind für einige Stunde allein. Sie warten in jeweils einem Auto auf
ihre Eltern, die sich in der Kneipe betrinken. Die Kinder imitieren coole
Gesten der Erwachsenen, maulen sich erst gegenseitig an und fordern sich
verbal heraus, bevor sie sich später einträchtig nebeneinander
in einem der Autos die Zeit vertreiben. Direkt hintereinander gezeigt, wirkten
beide Kurzfilme in der formalen Strenge als monochromer Antipode zum kunterbunten
Südseebild aus zweiter Hand.
*Als Bonusfilm auf der DVD Dark Tales, Die besten Kurzfilme aus Neuseeland,
enthalten. Zu bestellen über
KFA Hamburg.
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