Gleißendes, wenngleich milchiges Licht, der Blick hinaus, der
nichts offenbart, Schemen betreten das Gebäude, erkundigen sich beim
Pförtner, das Haus ist ein wenig heruntergekommen, eine alte Schule
vielleicht. Junge Menschen, die durch die Gänge gehen, einen Raum betreten
mit einem Tisch, an dem eine Befragung stattfinden wird. Eine Behörde,
das wird schnell klar, ihre Funktion beginnt man nach dem ersten Gespräch
mit einer alten, sehr freundlichen Frau zu begreifen: "Sie wissen, warum
Sie hier sind." - "Ja." - "Sie sind gestern gestorben." - "Ja." - "Herzliches
Beileid." - "Vielen Dank." Sie verneigt sich leicht und lacht etwas
schüchtern.
Die Gruppe junger und alter Leute, die nach und nach eingetrudelt
ist in dieser stillen, ganz ungeschäftigen Behörde, hat ihre letzte
Reise angetreten. Nun stehen sie vor einer ihrer folgenreichsten Entscheidungen,
sollen genau eine Erinnerung aus ihrem Leben auswählen, einen Moment,
von dem sie wünschen, er möge verweilen, für immer und ewig.
Diese Erinnerung nun, Detail für Detail (rückblickend imaginiertes
Detail für Detail) wird am Ende des einwöchigen Aufenthalts verfilmt
werden, ganz Low Budget, ohne Special Effects, aber die Leute, vielleicht
weil sie sehen und erleben, was sie sehen und erleben wollen, werden
glücklich sein mit dieser Re-Inszenierung ihres schönsten Moments.
Sie werden ihn mitnehmen, als einzige Erinnerung, ins Nach-Leben, das im
Kino-Saal, während der Vorführung, beginnen wird.
Diese Geschichte erzählt Hirokazu Kore-edas Film After Life
- und er erzählt sie im glatten Widerspruch zu den Konventionen,
mit denen Hollywood eine solche allegorische Vorgabe mästen würde.
Kore-eda kommt vom Dokumentarfilm und das merkt man auf Schritt und Tritt.
Viele der Darsteller sind Laien, viele der Erinnerungen (der Laien wie im
übrigen auch der professionellen Schauspieler) sind "authentisch", sichtlich
nicht auf Rührungseffekte hin zurechtgelegt, ja zum guten Teil: schlicht
und einfach banal. Auch die Kamera, die viel still hält in langen
Einstellungen, liebt vor allem Talking Heads, es ist, hier und auch sonst
nicht, fast kein narrativer Luftzug in diesem Film zu spüren, der die
eine Woche, in die er die allmähliche Verfertigung der ewigen Erinnerung
packt, ohne Hast abschreitet.
Gegen das Dokumentarische gearbeitet sind einzig die Geschichten,
die er über das Personal der Behörde erzählt, einen jungen
Mann und eine junge Frau vor allem, die an ihrem Job leiden, in dem sie nur
gelandet sind, weil sie dasselbe Problem haben wie zwei der Neuankömmlinge:
sie konnten oder wollten sich nicht für eine Erinnerung entscheiden.
Der Zug, den der Film in diesem Zweig bekommt, ist der einer Erlösung,
ich hatte das Gefühl, dass das die Stelle ist, an dem das dokumentarische
und das Spielfilmmaterial sich nicht recht mischen wollen, an der After
Life aneinandergestückelt wirkt, nicht ineinander gewebt.
Genauer, gelungener sind die Beobachtungen am Banalen. Der ältere
Herr etwa, der sich Videokassetten, einen riesigen Stapel, als Erinnerungshilfe
kommen lässt, weil ihm so gar nichts Besonderes aus seinem Leben
einfällt. Die Ausschnitte, die man sieht, Szenen einer arrangierten
Ehe, die Partner nach Jahrzehnten mehr oder weniger zusammengerauft, mehr
nicht, belegen, dass er vermutlich recht hat. Es war kein aufregendes Leben.
Sanft wird ein junges Mädchen davon abgebracht, die Ewigkeit in Disneyland
zu verbringen, ein junger Mann weigert sich entschieden, sich auf eine einzige
Erinnerung festlegen zu lassen. Der Film lässt all das unkommentiert.
Der Mangel an Zuspitzung, die Überlänge mancher Einstellung machen
einem die Zeit gelegentlich lang, aber für Szenen wie die, in der eine
alte Frau ihrer jungen Erinnerungsdarstellerin ein paar halb vergessene
Tanzschritte beizubringen versucht, für solche Szenen lohnt es sich,
ihn zu sehen.
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