Er füttert die Tauben des Westens und sehnt sich nach
den Tauben des Ostens. London-Punjab und zurück. Der Vater, der die
Tochter in Indien versprochen hat. Die Tochter, die sich in einen Fremden
verliebt. Erster Teil, London, Europa. Unabhängig voneinander begeben
sich der junge, in London lebende, Maserati fahrende NRI Raj Malhotra (gespielt
von Shah Rukh Khan, der ein paar Jahre später, in Aditya Chopras zweitem
Film "Mohabbatein", haargenau denselben
Rollennamen tragen wird) und die traditionell erzogene junge, in London lebende
NRI Simran Sing (Kajol) mit Freunden auf etwas, das sich Europareise nennt,
wobei Europa, von einem kurzen Auftritt des Eiffelturms auf einem Plakat
im Hintergrund abgesehen, durchweg verblüffende Ähnlichkeit mit
dem hat, was uns aus Bollywood-Filmen als die Schweiz bekannt ist. Die Kuhglocken
werden dann noch in Indien läuten, um das Läuten der Glocken der
arrangierten Hochzeit zu verhindern. (Das ist jetzt eine christliche Redensart,
aber gar nicht so fehl am Platz, da in den Liebesprojektionen zwischen Raj
und Simran eine christliche Kapelle ihre ins Komische, mitnichten aber ins
Lächerliche gezogene Rolle spielt.)
Schon im Bahnhof kommt, was kommen muss. Erst verfehlen sie sich, dann sitzen
sie im selben Zugabteil vor verschlossener Tür, er neckt sie, sie ziert
sich, in Paris spielt er Klavier und sie staunt. Eine Annäherung in
einer Scheune, sie betrinkt sich, es passiert natürlich nichts, von
schwungvollem Irresein im Schnee abgesehen und weiteren Tändeleien auf
die Pause zu, nach der wir in Indien sind. Der Simran Versprochene und mit
ihr bald Verlobte ist einer, der auf Tiere schießt und große
Reden schwingt. Raj schleicht sich ein, gewinnt allerlei Herzen im Sturm,
nur das eine nicht, auf das es ankommt: das strenge Vaterherz. Da hilft nicht
das Füttern von Tauben und nicht die sofort erlangte Wertschätzung
der im Stillen frauenbewegten Mutter, der frühreifen und altklugen
Schwester. Es verguckt sich zudem die Schwester des Bräutigams in ihn,
Raj, den Geliebten der Braut. In diese Verwicklungen platzt Rajs Vater, der
auch nicht gleich alles richtig versteht und zuletzt eine ordentliche Abreibung
bekommt.
Zur ausgewachsenen Tragödie aber will es DDLJ nicht recht bringen, nicht
der Absicht nach und nicht der Wirkung. Zu gut ist die Laune schon auf der
Reise durchs verschweizerte Europa, zu überzeugend Shah Rukh Khan als
Schlawiner mit goldenem Herzen und goldenen Wasserhähnen. Im Tanz
vorweggenommen wird sehr vorzeitig die Wiederholung des Eurail-Trips (mit
freilich bald davongefahrenem Zug) als imaginierte Hochzeitsreise von Braut
und Bräutigam. Den liberalen Werten, die es im Auge hat und stets im
Auge behält, nähert das Buch sich auf sanftesten Pfoten. Liebesehe
ja, mehr Freiheit für Frauen auch, aber ohne den Vater geht es nicht.
Am Gelingen dieser Auflösung laboriert der Film, mit ihm Raj, mit List,
Tücke und zuletzt jener echten Überzeugung, die DDLJ zum Plädoyer
für evolutionäre, nicht revolutionäre Veränderungen macht.
Alle Politika aber steckt Aditya Chopra in seinem Debüt raffiniert ins
Unterfutter einer Geschichte, die unendlich oft erzählt ist, selten
aber noch mit so viel Charme und schön dosierten Mischverhältnissen
von Albernheit und Romantik. Immer wieder, vom Abschreiten einer Ahnengalerie
der Gescheiterten, bis zu den getanzten Wirkungen alkoholischer Getränke,
überrascht das Drehbuch und macht diesen ersten, zum Muster für
allerlei Nachfolger taugenden Riesenerfolg mit NRI-Thematik zum ungetrübten
Vergnügen. Nicht mehr, nicht weniger.
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