Johnnie To ist der Tausendsassa unter den Regisseuren Hongkongs. Gemeinsam
mit seinem engen Freund und Mitarbeiter Wai Ka-Fei hat er in den neunziger
Jahren die Produktionsfirma Milky Way Images gegründet, die seither
mit schöner Regelmäßigkeit höchst erfolgreiche Blockbuster
hervorbringt, viele davon unter der Regie von Johnnie To und Wai Ka-Fei.
Manche dieser Filme - etwa der Hit "Needing You" aus dem Jahr 2000 - sind
mit großer Präzision für den breiten Markt gefertigte
Kommerzprodukte unterschiedlichster Genres. Daneben aber erlaubt sich To,
wann immer es geht, eigenwilligere Filme, mit denen er die festen Regeln
des Hongkong-Action-Kinos innovativ umwendet oder gar unterläuft. Sein
Meisterwerk "The Mission" (2000)
ist einer dieser Filme, eine Studie des Leerlaufs von Action-Helden, nicht
ihrer Aktionen.
Mit "PTU", seinem neuesten, im Forum der Berlinale als Weltpremiere
gezeigten Film, entfernt sich To weiter denn je von den stilisierten
Hongkong-Epen, deren Meister er ist - noch im letzten Jahr war in Berlin
sein fulminanter "Fulltime Killer"
zu bewundern. Im Zentrum steht die Polizei in Hongkong, PTU ist der Name
der uniformierten Streifenbeamten, die stets in größeren Gruppen
unterwegs sind. Seinen Ausgang nimmt der Film allerdings in einer mit Sinn
für absurde Komik inszenierten Szene in einem Billigimbiss, in der nicht
nur einer der Protagonisten - der Zivilpolizist Lo, ein arroganter, fetter
Kerl - vorgestellt wird, sondern auch eine Gang von Jugendlichen um den
Anführer Ponytail (der allerdings bald einen langen und blutigen Tod
findet). In der Platzverteilung an den Tischen werden mit leichter Hand
Hierarchien entworfen und es wird, unterbrochen von ständigem Handyklingeln,
eine Dynamik in Gang gesetzt, die erst mit dem Ende des Films, viele elegant
in die Hongkonger Nacht gemalte Bewegungsstudien später, in einen Showdown
mündet, ein Entladung, auf die erst einmal nur Stillstand folgen kann.
Es sind verlorene, gesuchte, zirkulierende Objekte - eine Waffe, Handys
-, die den Plot des Films in Gang halten. Lo hat im Kampf mit Ponytails Gang
seinen Polizeirevolver verloren, eine Gruppe von PTU-Polizisten, angeführt
von einem Freund, hilft ihm bei der Suche. Sind sie bis zum Morgen nicht
erfolgreich, ist der Verlust zu melden, Lo kann seine Beförderung vergessen.
Das ist der eine Anlass für die Gänge durch die Nacht, denen To
hier folgt. Der andere ist, konventioneller noch, die Suche nach dem Mörder
Ponytails. Triaden-Bosse kommen ins Spiel, und PTU, Lo und die im Mordfall
ermittelnde Polizistin laufen sich bei der Suche nach Spuren, Tätern
und Objekten ein ums andere Mal über den Weg. Dies ist der Plot, mehr
als Voraussetzung ist er nicht für das, was Johnnie To hier will. Das
ist ein Porträt der überaus ambivalent gezeichneten Polizeitruppe
zum einen, ein Porträt der nächtlichen Straßen zum anderen.
Wie "The Mission" ist "PTU" ein Meisterwerk der Konzentration: auf einen
eng umgrenzten Handlungs- und Zeitraum.
Höchst erstaunlich eine mehrere Minuten andauernde Szene, in
der die Polizisten sich vorsichtig, Taschenlampe und Waffe im Anschlag, Stockwerk
um Stockwerk eines Treppenhauses nach oben bewegen. To macht daraus einen
Film für sich, mit Blicken in angespannte Gesichter, kurze Schockmomente.
Dramaturgisch bringt diese Szene die Geschichte nicht voran - dasselbe gilt
für die meisten Höhepunkte von "PTU". Etwa ein Kind, das auf einem
Dreirad durch die Nacht radelt. Stets ist zuerst das leise surrende
Geräusch der Bewegung zu hören. Es ist von einer Eindringlichkeit,
die nichts mit Bedeutung zu tun hat, sondern beinahe reine Musik ist. Ohne
alle Aufdringlichkeit entwickelt die Tonspur nicht nur hier ein Eigenleben:
minutenlang wummert dumpfe Musik aus einem nächtlich belebten, nach
außen aber ganz verschlossenen Musikpalast. Dieses Ineinander von Haupt-
und Nebensachen entfaltet auf die Dauer großen Zauber. Auch die Bilder
stehen, zu keinem Zusammenhang genötigt, für sich, als Schritt-
und Schnittfolge von Schritten auf Asphalt, immer wieder zeigt To die Polizisten
in der Reduktion der Action auf reine Bewegung. Das besitzt Eleganz ohne
alle Stilisierung, Johnnie To gelingt das kleine Wunder, der Form, die
alltäglich daherkommt, eine seltsame Poesie zu entlocken.
Es fragt sich, wenn man diesen wunderbaren Film sieht, nur eines:
Warum läuft er im Forum, warum, zum Teufel, soll das nicht gut genug
sein für einen Wettbewerb, in dem sich in diesem Jahr die mediokren
Werke um die hinteren Plätze schlagen? Klar, es fehlt der
bildungsbürgerliche Kunstanspruch, der die Türen zum Wettbewerb
stets mit unerträglicher Leichtigkeit aufstößt. Und klar,
einer wie Johnnie To kann sich einen Film nur leisten, indem er im Hauptberuf
die Filmindustrie Hongkongs am Laufen hält, mit nicht weniger als sieben
Filmen, die er während der mehrjährigen Arbeit an "PTU" gedreht
hat. Er erzählt das im kurzen Gespräch nach dem Film, ein so
freundlicher wie selbstbewusster Herr mittleren Alters, mit Brille und Bauch.
Nichts gegen George Clooney, aber mein Held ist sehr viel eher Johnnie To.
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