Schwerpunkt Japan: Kiyoshi Kurosawa: Pulse (Japan 2001)

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Jump Cut Filmkritik
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Pulse

Regie: Kiyoshi Kurosawa

Mit:

Haruhiko KATO
Kumiko ASO
KOYUKI
Shinji TAKEDA
Koji YAKUSHO
Sho AIKAWA
Jun FUBUKI

Biografie Kurosawa:

Kiyoshi KurosawaGeboren 1953 in Kobe, dreht schon in der Jugend Super-8 -Filme. Regieassistent u.a. von Shinji Somai. 1992 Sundance Stipendium für Charisma, Ausbildung in den USA. Kairo (2001) gewinnt den FIPRESCI-Kritiker-Preis in Cannes. (Mit seinem Namensvetter Akira ist Kiyoshij Kurosawa im übrigen weder verwandt noch verschwägert.)

Filmografie:

1983 Knadagawa Wars
1985 The Excitement of The DO-RE-MI-FA Girl
1988 They're Back
1989 Sweet Home
1992 The Guard From The Underground
1995 Suit Yourself or Shoot Yourself 1
1995 Suit Yourself or Shoot Yourself 2
1996 Suit Yourself or Shoot Yourself 3
1996 Suit Yourself or Shoot Yourself 4
1996 Door III
1996 Suit Yourself or Shoot Yourself 5
1996 Suit Yourself or Shoot Yourself 6
1997 The Revenge - A Visit From Fate
1997 The Revenge - The Scar That Never Fade
1997 Cure
1998 Serpent's Path
1998 Spider's Gaze
1998 License to Live
1999 Charisma
1999 Barren Illusion
2000 Korei
2001 Kairo
2003 Doppelganger

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Kiyoshi Kurosawa: Pulse (Japan 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

[Image] 

zum Japan-Schwerpunkt

Die junge Frau, in die der Schreck bereits gefahren ist, beobachtet sich selbst am Monitor ihres Computers. Da ist ihr Bild, unerklärlich, über ihre Schulter geht der Blick auf den Sitz der Perspektive. Sie sieht, wir sehen nur die Tür, die einen Spalt weit offen ist. Die Kamera sieht da hin, mit ihr und wir, mit ihr. Der Punkt, von dem der Blick des Beobachters ausgeht, ausgehen muss, wird aufgeladen mit namenlosem Schrecken (auch in uns sitzt die Furcht, die Erwartung des Schlimmsten, wir haben bis dahin schon vieles gesehen, das nicht von dieser Welt ist). Und doch nimmt nicht die Kamera ihn ein: sie gewährt den Blick so doppelt nicht, als den, der geblickt wird, nicht und nicht als angeblickten. Vielmehr: sie bricht den Blick, sie zeigt ihn: auf dem Monitor, als stattfindenden. Dieser Blick füllt, als derart medial gebrochener, die Leinwand, aber er ist eine Identifizierung mit dem Beobachter, die nicht in sich aufgeht, die dieses Nicht-Aufgehen mitmarkiert. Und die Kamera (die mit sich identische) zeigt mehr: die junge Frau, von hinten, die sich auf die Tür zubewegt, auf die Konfrontation mit dem Schrecken also. Sie kommt - uns, die wir nicht wir sind - näher, das sehen wir auch, im Schnitt auf den Monitor. Die unmögliche, in sich gebrochene Perspektive ist die eines Geistes, der sieht, ohne gesehen zu werden. Dabei sehen wir Geister in diesem Film, nicht zu knapp, wenngleich nie auf eine Weise fokussiert, die sie der gewöhnlichen Wahrnehmung einordnen ließen. Hier in dieser Szene aber, die die beste ist von Kurosawas "Pulse", ist das anders: als zuletzt, jetzt doch: von außen, der Blick gewährt wird auf die junge Frau und den Geist, in einem Bild, sehen wir: nichts. Sie umarmt das Nichts und sie ist glücklich. Es ist das das letzte Bild, das wir von ihr haben in diesem Film und es ist anders als all die anderen letzten Bilder der anderen zu Geistern Gewordenen, dargestellt meist als Fleck an der Wand oder auch als digitaler Staub im Raum. In der Verschaltung aber von Geist und Nichts, von Medium, Blick und Schrecken ist diese eine Szene meisterhaft, ein Virtuosenstück, das mehr sagt, als der Film als ganzer zu sagen hat.

Menschen verschwinden. Geister tauchen auf. Menschen begegnen Geistern hinter mit rotem Band beklebten Türen. Sie verlieren dabei alle Kraft, werden infiziert, schleppen sich noch eine Weile durch die Welt: unrettbar, sie lösen sich auf, verschwimmen, werden, wie gesagt, zum Fleck an der Wand. Als wäre das nicht genug: Ein Student, der von Computern keine Ahnung hat, hat eine erste Begegnung mit dem Internet: der Computer stellt, bald eigenmächtig, die Verbindung her, verschwommene Webcam-Bilder, dann die Frage: Willst Du einen Geist sehen? Der Student lernt eine Studentin kennen, die Bescheid weiß. Und einen fortgeschrittenen Studenten, der etwas programmiert hat, weiße Flecken vor schwarzem Grund auf dem Monitor, die sich zerstören, wenn sie sich zu nahe kommen und doch nicht voneinander lassen können. Das ist, erfahren wir, die Wahrheit über uns, das Universum und vor allem das soziale Miteinander. Damit, mit dem sozialen Miteinander, aber hat sich's ohnehin noch vor Ende des Films. Die Welt entleert sich. Geister schleichen durch die Bibliotheken und Pachinko Parlors, sie erscheinen in Tankstellen-Shops. Und die Menschen verschwinden. Am Ende ist die Welt gespenstisch leer (aber, fragt man sich, wo sind all die Gespenster hin?), unversehens strandet der Film in der Postapokalypse. Verlassene Straßen und Fabriken, das letzte Paar auf der Flucht, die da endet, wo der Film seine Rahmenerzählung begonnen hat: auf einem Schiff, das durch den Ozean treibt, in Richtung letzter Hoffnung.

All das hängt weder narrativ noch logisch recht zusammen. Alles, wird suggeriert, hat mit allem irgendwie zu tun, das Verschwinden mit dem Internet, die Geister mit der Einsamkeit des Menschen von heute. Der Horror aber kommt, mit der Ausnahme der einen Szene, direkt aus der rhetorischen Kinomaschine, aus dem Schrecken des Namenlosen, dem Kurosawas Bilder durchaus effektvoll aufzulauern wissen. Aus dem Hinterhalt, in diffuser Beleuchtung. Oft ist's zum Fürchten, nur macht all die Angst so wenig Sinn, dass, addiert man sie zusammen, die Summe des Entsetzens kleiner ist als jeder virtuose Schreckmoment. Auf die Botschaft läuft's hinaus, die Vereinzelung behauptet, sie aber nicht an irgendeiner Normalität aufweist, sondern an der Pathologie. Es fehlt, muss man sagen, dem Regisseur nicht am Können: er kann viel, er ist ein Meister seines Handwerks. Hätte ihm nur irgendeiner, das Drehbuch zum Beispiel, gesagt, was er womöglich wollen könnte, dann hätte das alles, über eine brillante Szene hinaus, vielleicht sogar Sinn. Ohne Sinn aber bleibt nur der mit den rhetorischen Mitteln des Kinos (wie gesagt: virtuos) hantierende Schrecken, der sich vom Sinn aber darin unterscheidet, dass er weg ist, kaum war er da.

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