Die junge Frau, in die der Schreck bereits gefahren ist, beobachtet
sich selbst am Monitor ihres Computers. Da ist ihr Bild, unerklärlich,
über ihre Schulter geht der Blick auf den Sitz der Perspektive. Sie
sieht, wir sehen nur die Tür, die einen Spalt weit offen ist. Die Kamera
sieht da hin, mit ihr und wir, mit ihr. Der Punkt, von dem der Blick des
Beobachters ausgeht, ausgehen muss, wird aufgeladen mit namenlosem Schrecken
(auch in uns sitzt die Furcht, die Erwartung des Schlimmsten, wir haben bis
dahin schon vieles gesehen, das nicht von dieser Welt ist). Und doch nimmt
nicht die Kamera ihn ein: sie gewährt den Blick so doppelt nicht, als
den, der geblickt wird, nicht und nicht als angeblickten. Vielmehr: sie bricht
den Blick, sie zeigt ihn: auf dem Monitor, als stattfindenden. Dieser Blick
füllt, als derart medial gebrochener, die Leinwand, aber er ist eine
Identifizierung mit dem Beobachter, die nicht in sich aufgeht, die dieses
Nicht-Aufgehen mitmarkiert. Und die Kamera (die mit sich identische) zeigt
mehr: die junge Frau, von hinten, die sich auf die Tür zubewegt, auf
die Konfrontation mit dem Schrecken also. Sie kommt - uns, die wir nicht
wir sind - näher, das sehen wir auch, im Schnitt auf den Monitor. Die
unmögliche, in sich gebrochene Perspektive ist die eines Geistes, der
sieht, ohne gesehen zu werden. Dabei sehen wir Geister in diesem Film, nicht
zu knapp, wenngleich nie auf eine Weise fokussiert, die sie der
gewöhnlichen Wahrnehmung einordnen ließen. Hier in dieser Szene
aber, die die beste ist von Kurosawas "Pulse", ist das anders: als zuletzt,
jetzt doch: von außen, der Blick gewährt wird auf die junge Frau
und den Geist, in einem Bild, sehen wir: nichts. Sie umarmt das Nichts und
sie ist glücklich. Es ist das das letzte Bild, das wir von ihr haben
in diesem Film und es ist anders als all die anderen letzten Bilder der anderen
zu Geistern Gewordenen, dargestellt meist als Fleck an der Wand oder auch
als digitaler Staub im Raum. In der Verschaltung aber von Geist und Nichts,
von Medium, Blick und Schrecken ist diese eine Szene meisterhaft, ein
Virtuosenstück, das mehr sagt, als der Film als ganzer zu sagen
hat.
Menschen verschwinden. Geister tauchen auf. Menschen begegnen Geistern
hinter mit rotem Band beklebten Türen. Sie verlieren dabei alle Kraft,
werden infiziert, schleppen sich noch eine Weile durch die Welt: unrettbar,
sie lösen sich auf, verschwimmen, werden, wie gesagt, zum Fleck an der
Wand. Als wäre das nicht genug: Ein Student, der von Computern keine
Ahnung hat, hat eine erste Begegnung mit dem Internet: der Computer stellt,
bald eigenmächtig, die Verbindung her, verschwommene Webcam-Bilder,
dann die Frage: Willst Du einen Geist sehen? Der Student lernt eine Studentin
kennen, die Bescheid weiß. Und einen fortgeschrittenen Studenten, der
etwas programmiert hat, weiße Flecken vor schwarzem Grund auf dem Monitor,
die sich zerstören, wenn sie sich zu nahe kommen und doch nicht voneinander
lassen können. Das ist, erfahren wir, die Wahrheit über uns, das
Universum und vor allem das soziale Miteinander. Damit, mit dem sozialen
Miteinander, aber hat sich's ohnehin noch vor Ende des Films. Die Welt entleert
sich. Geister schleichen durch die Bibliotheken und Pachinko Parlors, sie
erscheinen in Tankstellen-Shops. Und die Menschen verschwinden. Am Ende ist
die Welt gespenstisch leer (aber, fragt man sich, wo sind all die Gespenster
hin?), unversehens strandet der Film in der Postapokalypse. Verlassene
Straßen und Fabriken, das letzte Paar auf der Flucht, die da endet,
wo der Film seine Rahmenerzählung begonnen hat: auf einem Schiff, das
durch den Ozean treibt, in Richtung letzter Hoffnung.
All das hängt weder narrativ noch logisch recht zusammen. Alles,
wird suggeriert, hat mit allem irgendwie zu tun, das Verschwinden mit dem
Internet, die Geister mit der Einsamkeit des Menschen von heute. Der Horror
aber kommt, mit der Ausnahme der einen Szene, direkt aus der rhetorischen
Kinomaschine, aus dem Schrecken des Namenlosen, dem Kurosawas Bilder durchaus
effektvoll aufzulauern wissen. Aus dem Hinterhalt, in diffuser Beleuchtung.
Oft ist's zum Fürchten, nur macht all die Angst so wenig Sinn, dass,
addiert man sie zusammen, die Summe des Entsetzens kleiner ist als jeder
virtuose Schreckmoment. Auf die Botschaft läuft's hinaus, die Vereinzelung
behauptet, sie aber nicht an irgendeiner Normalität aufweist, sondern
an der Pathologie. Es fehlt, muss man sagen, dem Regisseur nicht am Können:
er kann viel, er ist ein Meister seines Handwerks. Hätte ihm nur
irgendeiner, das Drehbuch zum Beispiel, gesagt, was er womöglich wollen
könnte, dann hätte das alles, über eine brillante Szene hinaus,
vielleicht sogar Sinn. Ohne Sinn aber bleibt nur der mit den rhetorischen
Mitteln des Kinos (wie gesagt: virtuos) hantierende Schrecken, der sich vom
Sinn aber darin unterscheidet, dass er weg ist, kaum war er da.
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