Eine Reihe von brutalen Morden geschehen, die eine gemeinsame Signatur
tragen: ein in den Körper geschlitztes X. Der Schein, dass es sich um
denselben Täter handeln muss, trügt: die Täter sind meist
noch vor Ort, bei jeder neuen Tat ein anderer. Verwirrt, unfähig zu
sagen, warum sie die Morde begangen haben. Kommissar Takabe und der Psychologe
Sakuma, mit dem er zusammenarbeitet, stehen vor einem Rätsel.
Der Zuschauer bekommt einen Wissensvorsprung, doch auch sein Wissen
bleibt zunächst verrätselt. Ein junger Mann, offenbar unter totalem
Gedächtnisverlust leidend, taucht auf aus dem Nichts, das in einer besonders
eindrucksvollen Szene ein menschenleerer Strand ist, schleicht sich in die
Leben der späteren Mörder. Er stellt immer wieder dieselben Fragen:
Wer bin ich? Wer bist du? und fordert die Menschen, die begonnen haben, sich
um ihn zu kümmern, dazu auf, von sich zu erzählen. Als zunächst
noch leere, nicht einzuordnende Information rückt Kurosawa die Flamme
eines Feuerzeugs ins Bild. (Mamiya , das zeigt Kurosawa nach und nach, nutzt
die Flamme oder auch fließendes Wasser dazu, seine Opfer zu
hypnotisieren).
Parallel zu den Szenen, die die späteren Täter im Gespräch
mit dem jungen Mann einführen, gibt es Einblicke ins Zusammenleben des
Kommissars mit seiner geistig verwirrten Frau. Auch sie vergisst Dinge,
verläuft sich, serviert Takabe ein rohes Steak. Die Amnesie als
Identitätsverlust, die die Menschen unberechenbar macht, bedrohlich,
tödlich, die sie sich selbst nicht mehr begreifen lässt, kreist
Takabe ein. Der Agent dieser Amnesie ist der junge Mann, Mamiya, früherer
Student der Psychologie, Experte für Hypnose und Mesmerismus. Es zeigt
sich, im Laufe der Ermittlungen, wie Mamiya vorgeht, wie er seine Opfer dazu
bringt zu tun, was sie nie getan hätten. Mamiya ist jedoch, das formuliert
der Psychologe Sakuma, nicht viel mehr als ein Katalysator, der den Menschen
erlaubt, ihre unbewussten Wünsche Mordtaten werden zu lassen.
Mehr und mehr wird Cure so zum Psycho-Duell zwischen Mamiya
und Takabe, der sich, in der Konfrontation mit den Fragen und Verführungen
des jungen Mannes, seinen eigenen Ängsten, vor allem der Mischung aus
Angst und Hass, die er seiner Frau gegenüber empfindet, ausgesetzt sieht.
Langsam, geduldig und ohne spannungssteigernde Mätzchen spitzt Kiyoshi
Kurosawa die Situation zu. Die Inszenierung bleibt geprägt von Einstellungen
in halbnaher Entfernung, distanziert beobachtet die Kamera Takabes immer
häufigere Ausbrüche, den Gleichmut Mamiyas, das Driften Sakumas
über die Grenze zwischen Wirklichkeit und Wahn.
Das Whodunit lässt Cure schnell schon hinter sich,
mit dem Whydunit hält er sich, die Geschichte des Mesmerismus
in Japan ausbreitend, ein wenig zu lange auf. Sehr stark ist der Film darin,
dass er das Serienkiller-Genre zur Psychostudie des Ermittlers mutieren
lässt, ohne dabei auf schweigende Lämmer zurückgreifen zu
müssen. Die Figur Takabes, von Koji Yakusho
(Eureka,
Shall We Dance)
mit eindrucksvoller Zurückhaltung gespielt, ist das Zentrum des Films,
um das die Figuren als Variationen des Grundmotivs - das Fließen der
Grenzen von Identität und Erinnerung, von unbewussten Wünschen
und bewusster Kontrolle über die eigenen Handlungen - gruppiert werden.
Zuletzt findet sich Takabe selbst jenseits der Grenze wieder - und
Cure geht mit zwei rätselhaften Schlusseinstellungen noch einen
Schritt weiter, verweigert zuletzt auch dem Zuschauer die klare Unterscheidung
zwischen Fantasie und Realität.
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