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Bahram Beyzaie: Sagkoshi (Iran 2001)

Von Ekkehard Knörer 

Der Plot, dem Anschein nach, auf dem "Sagkoshi" aufruht: Zwei Männer, ein Geschäft, ein Konkurs. Der eine verdächtigt den anderen, den Bankrott nur inszeniert zu haben. Dann, behauptet er, sei er auf und davon, ins Ausland, mit dem Geld, um das er den Teilhaber, aber auch die Kunden geprellt hat. Ins Spiel kommt, mit dem Flugzeug, die Ehefrau des verbliebenen, von allen Hunden gehetzten Partners. Sie hat ihn – und Teheran - zuvor verlassen, weil er, so glaubte sie, ein Verhältnis hatte mit der Sekretärin der Firma. Man holt sie ab, sie blickt aus dem Fenster des Autos und sieht riesige Bauprojekte. Sie sieht, im Vorbeifahren, Schrift an der Wand, die von der Verschärfung des Mullah-Regimes im Zug des Golfkriegs zeugt. Es ist das Jahr 1988, der Krieg ist vorüber, es beginnt der Neuaufbau, fieberhaft, atemlos. Immer wieder, auch in der Folge, Bewaffnete, die die Straße queren, den öffentlichen Raum, aber auch den privaten; anders gesagt: den Bildvordergrund ebenso wie den Bildhintergrund. Immer wieder. Die Gesellschaftsbeschreibung, auf die der Film zielt, will hier nicht Subtilität, sondern erlaubt sich, auf dem Weg über markierte Theatralität, den Zug ins Groteske. Erste Verunsicherungen: Der Mann, der sie abholt, kommt zu spät. Im Haus, in dem sie lebten, wohnen Fremde. Sie steigt aus, mitten auf der Straße, eigenwillig entzieht sie sich dem, was man für sie geplant hat. Dann begibt sie sich doch ins Hotel, in dem ein Zimmer für sie bezahlt ist. Vor dem Fenster des Hotels ebenfalls ein Bauprojekt. Die Kamera zeigt einen Funkenregen, sie zeigt das Telefon, sie zeigt das weiße Gesicht der Frau unter dem schwarzen Kopftuch.

Eingeführt wird sie als Frau hinter Glas am Flughafen. Sie dreht sich einmal um die eigene Achse; eine Bewegungsgeste, die sich wiederholt. Im Hotelzimmer geht sie vor der Kulisse der Baustelle auf und ab, das Telefon in der Hand, hinter ihr werden Menschen an Seilen herabgelassen, eine Schubkarre, der Funkenregen, später sieht man ein farbiges Plakat, darauf Kämpfer mit roten Stirnbändern. Die Frau besorgt sich einen Wagen, einen Stadtplan, sie fährt hinaus, vor die Stadt, eine Allee mit kahlen Bäumen entlang. Es kommt ihr eine Phalanx von sechs Mopeds entgegen, sie teilt sich und der Golf der Frau fährt hindurch. Aus dem Rückfenster der Blick der Kamera, die Phalanx schließt sich wieder. Es wird sich, am Ende, diese Szene wiederholen. Diese Fahrt auf dieser Allee. Auch die Begegnung mit dem Ehemann, der sich in einer Lehmhütte versteckt hält, einsam auf einem offenen Feld. "Sagkoshi" beschreibt eine Kreisbewegung, jedoch wird der Film nicht enden, wo er begann.

Im Rahmen des Genre-Plots wird ein Fall sich geklärt haben; anders als man denkt. In den doppelten und dreifachen Trug eingelassen ist jedoch die eigentliche Geschichte. Es ist die Geschichte der Ehefrau, die nun aus Resterlösen der Konkursmasse im Auftrag des Mannes die Gläubiger auszahlt mit Bruchteilen der Summe, die er schuldet. Er begibt sich freiwillig ins Gefängnis, für sie wird es zum lebensgefährlichen Stationendrama. Mit List und Erpressung und Gewalt konfrontiert sie die Gläubiger, einen nach dem anderen, mit der Option auf die Rückzahlung in Bruchteilen, die sie ihnen zu bieten hat. Einer will sich umbringen, der Rest aber hat es abgesehen auf die Demütigung der Frau. Es entsteht, Station für Station, ein Panorama der iranischen Gesellschaft, ein finsteres Porträt von Männern, die die Frau als minderwertig begreifen, oder als Freiwild. Der religiös gesinnte Teppichhändler verachtet sie. Einer aus der Großbourgeoisie lädt sie ein, ihn in den Norden zu begleiten, als Gespielin. Ihn trickst sie aus, indem sie seine Ehefrau erpresst mit der Drohung, den Wünschen des Mannes Folge zu leisten. Zwei Barbaren vergewaltigen sie. Ein anderer, umgeben von Handlangern, lässt sie verprügeln, ehe er erfährt, dass nicht sie schuldig ist, sondern eine Sekretärin. Für einen Moment die Umkehrung der Situation: Sie bedingt sich aus, den, der sie verprügelt hat, nun selbst zu verprügeln. Den Schlagring an der Hand steht sie vor ihm. Sie verzichtet auf die Rache, sie wendet sich mit einer Vierteldrehung nach links, es ist, als läge in diesen Gesten und Wendungen der ganze Beyzaie. Deklination der Arten, den Kreis nicht zu schließen.

Der Genre-Plot und das Gesellschaftsporträt finden ihre Form in der dichten Textur von Bahram Beyzaies Inszenierung. Beschrieben werden Bewegungen im Raum; in den Raum hinein, den die Kamera im selben Zug, auch in Gegenzügen eröffnet. Eine Serie von Konfontationen als serielle Anordnung von subtilen Schuss- und Gegenschuss-Variationen. Ein Stehen, ein Sitzen, ein Huschen, ein Konfrontieren; die Frau: trotzig, verängstigt, todesmutig, gedemütigt, zu allem entschlossen, die Waffe in der zitternden Hand. Showdown auf Showdown. Die Gesamtanlage theatral: Markierung der Auftritte, Verselbständigung von Geräuschen und Bildhintergründen; die bewaffneten Männer, vor dem Fenster der Fortgang des Hausbaus; der Lärm der Straße. Dissoziationen von Bild und Ton als Zeichen der ständigen Gefahr, den Verstand zu verlieren in der Hölle, in die die Frau geraten ist wie eine ihrer Heldinnen: Es geht darum, heißt es einmal, sich in Gefahr zu begeben. Und sie wird siegreich sein, gegen alle Widerstände. Es endet mit zwei Konfrontationen, einen Zug ins Surreale hat die eine wie die andere. Auf der Baustelle, grau, von Nebelschwaden durchzogen, stellt die Frau wie drohende Gespenster die schmutzigen Männer; erzwingt die Rückgabe der Schuldscheine. Man will sie nicht gehen lassen, sie fährt mit dem Wagen davon, bahnt sich eine Gasse, fährt Männer über den Haufen, die sich ihr in den Weg stellen. Aus den Fenstern des Autos wirft sie mit vollen Händen das Geld. "Sagkoshi", der Titel des Films, heißt übersetzt: "Hundsmord". Die Männer, denen sie entkommt, die sie bezwingt, auf eigene Kosten, um den Preis der Demütigung, Verletzung, Vergewaltigung, sie ergeben als Porträt einer Gesellschaft das Bild einer vertierten, barbarischen Meute.

Und der letzte Showdown, der letzte Betrug. Es wird alles umsonst gewesen sein, dem ersten Anschein nach. Sie triumphiert, als Betrogene. Der, dem sie alles zu schulden schien, hat sie verraten und benutzt. Die Schuldbilanz ihres Verhältnisses wäre, ginge es nur darum, fatal. Sie aber ist im Kampf, in dem sie sich ihm und der Einlösung einer vermeintlichen Schuld verschrieben hat, eine andere geworden. Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass es ihr Sieg ist, gegen die Meute, gegen den Anschein. Der tollwütigste der Hunde wird auf der Wiese, die zuvor schon wie eine Lichtung, auf der man das Wild jagt, inszeniert worden ist, zur Strecke gebracht. Ein Schuss, ein Keuchen, er kommt nicht davon. Sie aber fährt zurück in die Stadt, auf der Allee der kahlen Bäume. Der Film beschreibt einen Kreis, aber er endet nicht, wo er begann.

Weitere Filme von Bahram Beyzaie:

Mosaferan (1992) - Text von Ekkehard Knörer bei New Filmkritik

Bashu (1989) - Kritik von Ekkehard Knörer bei Jump Cut

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