Der Film ist ein Muster an Kaltblütigkeit
- mehr noch als seine Protagonisten - und spielt dabei seinen letzten und
entscheidenden Trumpf erst zum Schluß, ja: nach dem Schluß. Dort
erweist er sich nämlich als Experiment mit der Narration, d.h. als Spiel
mit dem Zuschauer, als Operatoion an dessen offenem Auge und Verstand. Man
kann gar nicht erst anfangen, erzählen zu wollen ,was sich ereig- net.
Geld und Sex und Verbrechen, so weit das Übliche. Die Charaktere sind
nicht mehr als Schachfiguren ind diesem Spiel, Figuren freilich, die von
Zug zu Zug (und die Erzählung geht Zug um Zug voran, meist durch
Schwarzblenden getrennt: was die erste größere Schwarzblende -
Kelly und Sam Lombardo bei ihm zuhause -, wirklich verschweigt, erfährt
man erst sehr viel später als man denkt; genaugenommen erfährt
man es überhaupt nicht, ahnt nur. Was man erfährt, ist, wie es
nicht war) ihren Wert, ihren moralischen Charakter (aus der Perspektive des
Zu- schauers) und ihre scheinbare strategische Position ändern. Mit
jedem Zug muß man wieder umdenken, weil sich die narrative
Gesamtkonfiguration wieder geändert hat.
Die Charaktere sind bar jeder Individualität,
bar jeder Tiefe und bar jeder Psychologie. Bloße Spielsteine eben.
Von Interesse sind nur die Verschiebungen. Der Schluß nach dem Ende,
an dem sich erst zeigt, wie bewußt dieses Experiment angelegt ist,
ist ein Kommentar. Ohne erklärende Wort, auf einen Erzähler hat
man zum Glück überhaupt verzichtet, werden jene Szenen
aneinandergereiht, die vorher auspespart wor- den waren, jene Szenen, die,
wären sie an Ort und Stelle innerhalb der Narration er- zählt worden,
alles erklärt und damit verdorben hätten. Die Puzzlestücke,
deren Einfü- gung das ganze Bild ergeben hätte. Daß der Film
sie lakonisch zeigt, nach dem The End- Schriftzug, kommentarlos, macht ihn
so abgefeimt, clever und reflektiert. |