Eine lebende Legende zu sein ist sicherlich nicht leicht.
Während seiner 58 Jahre hat George Lucas soviel erreicht, dass er zwei
Leben damit füllen könnte. Vor zwei Jahren setzte er sein Lebens-
und Meisterwerk Star Wars fort (oder begann er es?), welches 1976
zum ersten Mal über die Leinwand flimmerte.
Obwohl wir unsere Kindheit und Jugend mit R2-D2, C3PO und Chewbacca
verbracht haben, wissen wir doch sehr wenig über ihren Erfinder, den
Hans Christian Andersen des Science-Fiction-Films. Dale Pollock, Dekan der
School of Filmmaking in North Carolina und frühere Filmkritiker der
Variety Daily, ist es gelungen, aus mehr als 60 Stunden Interviewmaterial
mit Lucas und seiner Familie, zahlreichen Berichten ehemaliger Schul- und
Studienfreunden, heutigen Regiekollegen und anderen Quellen, eine fundierte
Bio- und Filmographie vorzulegen.
Lucas wächst in einer strengen Methodistenfamilie auf, in der
der Vater ihm und seinen drei Schwestern frühzeitig ein gesundes
Verhältnis" zum Geld beibringt, was sich später als sehr nützlich
herausstellt. Seine Kindheit verbringt er größtenteils vor dem
Fernseher oder Comics lesend auf der Couch. Die Faszination des Films entdeckt
er erst während seines Studiums an der University of Southern California.
Ihn begeistert besonders das französische Cinema des Auteurs
und Godard ist für ihn der Größte! Die gesellschaftspolitisch
wichtigen 60er Jahre gehen fast spurlos an ihm vorüber, denn inhaltlich
nehmen sie keinen nennenswerten Einfluss auf seine Filme. Vielmehr
verblüfft er seine Professoren durch schnelle und effiziente Arbeitsweise;
bei dem jungen Perfektionisten sitzt jeder Handgriff. Ganz im Gegensatz dazu
steht sein Verständnis von einem detaillierten Drehbuch, mit dem er
Zeit seines Lebens auf Kriegsfuß stehen wird. Dialoge und Handlung
sind zweitrangig für ihn. Lieber tüftelt er an den Special Effects,
montiert seine Filme um und um oder unterlegt sie mit Musik. THX 1138
und American Graffiti kennt heute jeder Filmfreak; der Rest ist
Geschichte...
Wohltuend ist der sachlich informative Ton Pollocks, der Lucas nicht
als Wunderkind oder spinnerten Phantasten karikiert. Die ambivalente Stellung
Lucas' zur Filmmaschine Hollywood wird deutlich, denn, obwohl er die
Filmindustrie verachtet, ist er dennoch ein Teil von ihr und könnte
ohne sie nicht existieren. In diesem Zusammenhang kommt auch seine Firma
Industrial Light and Magic (ILM), die die filmtechnische Entwicklung
maßgeblich beeinflusste, nicht zu kurz. Der Meister der Space-Opera"
gilt als Verfechter amerikanischer Werte, einige werfen ihm sogar Konservatismus
vor. Die Star-Wars-Filme scheinen dies zu bestätigen: Good against
Evil. Hoch anzurechnen ist dem Autor, dass er sein Augenmerk auf die
Filme richtet, die Lucas vor Star Wars dreht, eine Tatsache, die viele oft
vergessen.
Zum Schluss halten wir das Porträt eines
außergewöhnlichen Menschen und kreativen Filmemachers in Händen,
dessen Leben und Werk mehr zu bieten hat, als nur" Star Wars.
Mag man den technischen Neuerungen des Kinos auch skeptisch gegenüber
stehen, so zeigt sich letztlich auch bei dem amerikanischen Filmemacher,
dass die Phantasie des Gehirns unschlagbar ist.
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