Auf den ersten Blick scheint es, als könnten B-Movies,
Low-Budget- und Exploitation-Filme keine differenzierte Betrachtungsweise
hinsichtlich gesellschaftlicher Verhältnisse bieten. Doch schon nach
einmaligem Sehen eines solchen Films, gleich welchen Sub-Genres, ist das
erstaunliche Ergebnis: sie können, und wie! Den Beweis treten die
Filmwissenschaftlerin Carla Despineux und die Filmkritikerin Verena Mund,
als Herausgeberinnen des Sammelbandes Girls, Gangs, Guns an, dem eine
mehrtätige Veranstaltung im Kölner Filmhaus während der Feminale
1999, vorausging.
Das Buch widmet sich unter anderem dem Exploitation-Kino und versucht,
eine Verbindung zu feministischen Underground-Filmen und feministischer Popkultur
herzustellen und spürt dem Lesben-Hype" nach, der in us-amerikanischen
Spielfilmen zeitweilig grassiert. Die sogenannten Community"-Erfahrungen
von Frauen, stehen im Mittelpunkt der Aufsätze: rebellisches
Außenseitertum, gepaart mit Gewalt und einer die Genderfrage"
betonenden Sexualität, stiften die identitätsbildenden Merkmale
eines weiblichen Selbstbewusstseins, das aktiv ist: crazy, sexy und cool.
Dabei geht es um Utopien und Lebensentwürfe, von der kleinsten
Freundinnen-Zelle bis zur komplexen Street-Gang.
Zu Beginn des Buches bekommt der Leser einen Überblick über
die theoretische Debatte der feministischen Filmtheorie und -kritik, die
sich im Laufe der Jahrzehnte stark wandelt und seit den 80er Jahren von einer
dogmatischen Haltung abweicht, zugunsten einer sehr viel differenzierten
Sichtweise der Geschlechterrollen. Daran anschließend beschäftigt
sich die feministische Filmwissenschaftlerin Pam Cook, mit der Regisseurin
Stephanie Rothman, die mit ihren Exploitation-Filmen The Student Nurses (1970)
und dem Women-in-Prison-Film Terminal Island (1973) dafür sorgt, dass
sich dieses Subgenre nicht zur vollkommenen Männerdomäne
auswächst. Die engagierte Einzelkämpferin entstammt der Talentschmiede
von Roger Corman, dem König des B-Movies, dessen Firma New Line die
Filme produzierte. Sie zeigt, wie viele Möglichkeiten Frauen haben,
dass, als sexistisches Männerkino", verrufene Genre zu unterlaufen
und es für ihre eigenen Zwecke einzusetzen. Rothmans Filme wenden sich
radikal gegen das darin transportierte Bild der Frau, als langbeiniges, blondes
Dummchen. Bei ihr übernehmen Frauen den aktiven Part. Sie sehen sexy
aus, bedienen sich oftmals einer rüden (männlichen) Sprache, begeistern
sich für Auto- und Motorradrennen und können mit Maschinengewehren
umgehen, wie ihre Kolleginnen im Hollywood-Kino mit dem Staubsauger.
Besonders kommt dies in den Blaxploitation-Filmen zum Ausdruck, die
Annette Weber analysiert. Die farbige Schauspieler Pam Grier, verkörpert
darin perfekt das Ideal der Revolutionärin in den 70er Jahren. In ihrer
Rolle als Coffy (1973) gelangt sie zu Starruhm. Auch in anderen Filmen sind
Griers Figuren Antipoden zur Disziplinierungsmaschine. Der pure Hedonismus
spiegelt sich in ihnen wider: gut aussehen, Spaß und Sex haben. Switchblade
Sisters (Die Bronx-Katzen, 1973) ist vielleicht der Höhepunkt dieser
Subversion. Der Regisseur Jack Hill bietet hier eine mit allen Wassern gewaschene
Mädchentruppe auf, die bereitwillig jedem, der sie auch nur etwas
provoziert, eine Kostprobe ihrer Cool- und Cleverness gibt. Sie gehen keiner
Schlägerei oder einem Shoot-out aus dem Weg. Jack Hill ist es auch,
der, erstmalig in der Filmgeschichte, Afroamerikaner gegen weiße Amerikaner
kämpfen lässt. Etwas zu kurz kommt leider die unvergessliche Tura
Satana, die den Filmen von Russ Meyer (auch bei Frauen) zu Kultstatus verhilft.
Die zweite Hälfte des Buches beleuchtet die Girl Culture in ihrer
ganzen Breite. Es zeigt sich, dass die Geschichte der Jugendkultur keine
explizit männliche mehr ist, sondern über viele Generationen eine
spezifisch weibliche Lebens- und Ausdruckswelt geschaffen hat. Skate- und
Hip-Hop-Girls stellen kein Novum dar, junge Frauen bezeichnen sich selbst
als Hot Pussies und frönen ihrer eigenen Sexualität. Die britische
Filmemacherin Bev Zalcock geht auf die Gender-Codes ein, in dem sie die
Underground-Filme der 60er mit den Bad-Girl-Filmen der 60er vergleicht und
einige Merkmale herausarbeitet und deutliche Parallelen und Fortführungen
erkennt. Dem imaginären Bild der Lethal Lesbians ist das letzte Kapitel
gewidmet. Darin zeigt die ehemalige Kuratorin des Sundance Film Festivals,
B. Ruby Rich, wie sich das filmische Bild der Tod bringenden Lesben, das
sich meist durch die Zentralität eines Frauenpaares definiert, von den
Anfängen der Filmgeschichte bis in die 90er Jahre gewandelt hat.
In der deutschen Filmbuchlandschaft ist diese Publikation einzigartig
und lässt einen schwachen Funken der Hoffnung aufkommen, dass weitere
Projekt dieser Art folgen werden. Frei von jeglichem Dogmatismus gehen die
Autorinnen mit ihren Themen um und skizzieren genau, welche enormen
Wandlungsprozesse das Bild von Frauen in den letzten Jahrzehnten durchlaufen
hat. Leider finden sich hier ausschließlich amerikanische Filme, die
sicherlich quantitativ die größte Anzahl bilden, doch etwas über
unsere" Uschi Obermaier hätte man(n) sich schon gewünscht.
Für alle die noch mehr über Bad Girls erfahren möchten
hier noch ein weiterer Lesetipp:
Bev Zalcock, Renegade Sisters, 187 Seiten, mit zahlr. Abb., Creation
Books, ISBN 1-871592-92-5, ca. DM 42,-
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