Porträt: Kishore Kumar

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Kishore Kumar (1929-1987)

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Porträt des indischen Filmstars Kishore Kumar
von Dagmar Hotze

zum Schwerpunkt Asien

Ob es allein der Exotismus ist, der unseren abendländischen Blick von Zeit zu Zeit auf die Kulturen der riesigen Reiche in Asien oder dem Vorderen Orient lenkt, ist fraglich. Vielleicht ist der indische Subkontinent derjenige, der uns durch seine verschiedenen Religionen und Mythen, seine Märchen und mystische Musik, am meisten fasziniert. Die "größte Demokratie der Welt", wie es so oft heißt, vereinigt scheinbar unvereinbare Gegensätze miteinander: sie beheimatet Millionen von Analphabeten, unterhält einige der besten Universitäten, hält zuweilen am traditionellen Kastenwesen fest und ihre Millionenstädte gleichen einem Moloch. Doch etwas schlägt alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen in den Bann: die filmis der indischen Filmindustrie, die für viele das einzige Kommunikationsmittel sind.

In den vergangenen Monaten sind einige CDs auf dem hiesigen Markt erschienen, die diverse Filmsongs zu einem Potpurri vereinen, die uns westlichen Hörern ansatzweise die lebendige indische Filmkultur nahe bringen. Auf den ersten Blick erscheint diese, als Bollywood bezeichnete, gutfunktionierende Industrie als homogen. Doch die regionalen Unterschiede sind enorm, angefangen von den verschiedenen Sprachen und Dialekten, über die Religionen und Mythen, die letztlich die Lebensart der Menschen beeinflussen. All dies wird in den filmis sichtbar. Um der Vielfalt überhaupt eine Struktur zu geben, unterteilen Kenner das indische Kino in drei geographische Zonen: das Zentrum für die Filmindustrie der östlichen Gebiete Assam, Orissa und Bengalen, hierher stammt der legendäre Filmregisseur Satyajit Ray, der für das indische Kino als Ganzes steht, bildet Kalkutta; der Süden, in dem überwiegend eine tamil sprechende Bevölkerung lebt, produziert die fulminanten Musik- und Tanzfilme, deren Songs inzwischen weltweit Begeisterung auslösen und in die Popkultur aufgenommen wurden, und findet in der Millionenstadt Madras die entsprechende Infrastruktur; für den westlichen Teil Indiens, mit seinen unzähligen Provinzen, Dialekten und ethnischen Gruppen, wie Marathi, Gujarati, Punjabi, Dogri, Rajasthani, um nur einige zu nennen, ist Bombay das filmwirtschaftliche Zentrum. In Anlehnung an das amerikanische Pendant, dem die Filmindustrie Bombay in keiner Weise nachsteht, gab man ihr den Namen Bollywood. Inzwischen ist diese Bezeichnung zu einem Sammelbegriff für den indischen Film schlechthin geworden.

Einer der Helden des Bollywood-Kinos ist Kishore Kumar, dessen Stern, auch 14 Jahre nach seinem Tod, hell am indischen Filmhimmel leuchtet. Der am 4. August 1929 in Khandwa, im Staat Madhya Pradesh als Abhas Kumar Ganguly, geborene Autodidakt, folgte als 19jähriger seinem älteren Bruder Ashok Kumar nach Mumbai (Bombay), wo dieser bereits eine Karriere als Schauspieler begonnen hatte. Im Bombay Talkies Studio bekam er seine erste Anstellung als Chorsänger bei dem Filmregisseur Saraswati Devi. Kurz danach entdeckte der Komponist Khemchand Prakash sein sängerisches Talent und wies ihn in die Kunst des Playbacksingens ein. Sein erster Hit wurde das melancholische Mare ki duayen kyou mangu aus dem Film Ziddi (1948), das er für den Schauspieler Dev Anand sang. Wer es im indischen Film zu etwas bringen wollte, musste jedoch nicht nur schauspielerisches Talent besitzen, sondern auch einen Hang zu Gesang und Tanz. Im indischen Film spielen Gesangsstücke eine sehr große Rolle. Seit den 50er Jahre sind sie Teil der Popindustrie und repräsentieren mehr als "nur" Film-Soundtracks. Auch heute gibt es Radiosender, die ihr Programm ausschließlich diesen Film-Songs widmen. Während die Aufmerksamkeit westlicher Zuschauer, auf den "Realismus" des Geschehens, durch das unvermittelte "Einbrechen" von singenden Akteuren "gestört" wird, empfinden das indische Publikum diesen "Einbruch" als Expansion der sprachlichen Möglichkeiten. Das Singen versetzt die Protagonisten in die Lage ihren "wahren" Emotionen mehr Aus-/Nachdruck zu verleihen und kann einen völlig neuen Kontext herstellen.

Kishore, den Vornamen hat er selbst gewählt, machte aus dieser, für Schauspieler schwierigen Methode, eine hohe Kunst. Durch seine natürliche Art, seine Clownerien und Streiche, die er auch während der Dreharbeiten nicht unterließ, verglich man ihm mit Bob Hope und Danny Kaye. Sein außergewöhnliches Aussehen unterstrich zu alledem sein komisches Talent. Obwohl er oftmals "nur" in Nebenrollen zu sehen war und nie den Helden spielen durfte, gab sein Erscheinen dem Film erst "das gewisse Etwas", so dass das Publikum ihn zu seinem Liebling erkor. Seinerseits inspiriert wurde das Multitalent durch den Entertainer Topol, den er während eines Besuches in London live auf der Bühne sehen konnte. Anschließend ergriff er die Gelegenheit, sich ein Autogramm auf die Kassetten seines Idols geben zu lassen.

Einer Legende nach soll Kishore bereits in jungen Jahren zu seinem später so berühmten Timbre gekommen sein: der junge Kishore hörte seinen Bruder Ashok in einem Film das Lied Koi humdum na raha singen und verliebte sich in die Melodie. Er wollte dieses Lied unbedingt genauso singen, reichte mit seiner Stimmlage jedoch nicht an den komplexen Rhythmus heran und wurde darüber einige Wochen krank. Diese Zeit nutzte er, um seine Stimme zu stärken und das halten von Melodien zu üben. 1961 konnte er in Jhumroo das gleiche Lied, das zuvor sein Bruder gesungen hatte, endlich auch singen, schöner als je irgend jemand zuvor.

Ohne den Filmkomponisten Rahul Dev Burman wäre die Karriere Kishore Kumars jedoch nicht denkbar gewesen. Der vielbeschäftigte Musiker erkannte sein intuitives Gefühl für Rhythmik und Melodik und bescheinigte ihm das absolutes Gehör. "He'd hear Pandit Phimsen Joshi sang and at once catch the tune. Then he'd hum it a couple of times and by evening he'd be doing a perfect replay. His ability to mimic combined with his voice quality gave him tremendous speed and power". Sein Timbre wurde zu seinem Markenzeichen, womit er nachrückende jüngere Schauspieler mühelos übertraf. Da er es verstand seine Stimmlage zu modulieren, geriet seine Tätigkeit als Synchron-Sänger für andere Stars wie Amitabh Bachchan, Amar Akbar Anthony und Rajesh Khanna nicht in Gefahr. Um einen Eindruck davon zu bekommen seinen Filme wie Meri neendon mein tum, Jeevan se bhari und Badi sooni sooni hain genannt. Seine stimmliche Vielseitigkeit bestätigte auch der Komponist Salil Chowdhury: "... While recounting an incident related to the recording of Aake seedhi lagi for Half Ticket, Lata Mangeshkar was unable to come for the recording. The ever-resourceful Kishore suggested that he would do both the male and female voice. I very nearly brushed it off as a prank, but he was serious". Damit gelang ihm der erstaunliche Coup in zwei Oktaven gleichzeitig zu singen. Im Duett mit den Schwestern Asha Bhosle und Lata Mangeshkar feierte er seine größten Erfolge. Die Mischung aus westlicher Beat-Musik, gepaart mit indischen Instrumenten wie der Tabla, der Sitar und diversen Blasinstrumenten, machten Titel wie Dhak Dhak Dhak aus dem Film Haathi mere saathi und Lekar Ham Diwana Dil aus Yaadon Ki Baaraat zu indischen Megahits.

Enttäuscht über die zunehmende Kommerzialisierung und den immensen Zeitdruck dem die Filmproduktionen unterlagen, zog sich Kishore Kumar Anfang der 80er Jahre aus dem Filmgeschäft zurück. "It's all become terribly boring. I've been singing for three and a half decades now and I'm used to the style of great composers of the yesteryears like S. D. Burman and Husnlal Bhagataram. Those days we were given a whole day for rehearsals and another for the take. Unlike today when within two hours flat you complete the entire recording".

Privat war dem Exzentriker, der Frauen und Luxus liebte, wenig Glück beschieden. Er war viermal glücklos verheiratet und hatte zahlreiche skandalöse Affären. Aus der Ehe mit Ruma Devi ging der Sohn Amit hervor. Mit ihm drehte er 1964 das Drama Door Gagan ki Chhaon mein. Die Geschichte handelt von dem Kriegshelden Shankar (gespielt von Kishore Kumar), der bei seiner Rückkehr feststellen muss, dass seine Familie in einem Feuer umgekommen ist und nun versucht, den einzig überlebenden Sohn (gespielt von seinem Sohn Amit), der dabei einen Schock erlitt und taubstumm wurde, zu heilen. Das brilliante Porträt, das er selbst schrieb, Regie führte, produzierte und die Musik komponierte, wurde später von Kritikern mit Anti-Vietnam-Filmen aus Hollywood verglichen und erhielt einige nationale und internationale Auszeichnungen. Ermutigt durch den Erfolg, drehte er noch drei weitere Filme Badhti ka naam Daadhi (1978), Zindagi (1981) und Door wadiyon mein (1982), erfüllte jedoch mit keinem der Filme die hohen Erwartungen.

Am 12. Oktober 1987 starb Kishore Kumar überraschend, der durch seinen großartigen Humor und seine starke Persönlichkeit, den Respekt und die Freundschaft vieler Kollegen und Weggefährten erfuhr. Lata Mangeshkar fand zuletzt die richtigen Worte: "He was definitely a Sampoorna Kalakar (the complete artist). He knew everything. I call him India's Danny Kaye, Producer, Actor, Director, Singer……"

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