Ihr, die ihr hier eintretet, solltet gleich schon mal alles Profane
fahren lasen: man kommt durch die Tür, wendet den Kopf und sieht einen
Mann in feuerorangegelber, vor sich hin sprudelnder und blubbernder Plazenta
treiben. Auch an die gegenüberliegende Wand geworfen ein Video, eine
weiße Häuserfront, man blickt durch eine offene Tür in einen
Treppenaufgang, zwei geschlossene Fenster, Menschen hasten vorüber.
Zur linken Hand auf extremer Breitlein-Wand ein Waldpfad, von links nach
rechts gehen, sehr gemäßigten Tempos, Menschen, die mitten in
den Alltag hinein gehörten, aber nicht in den Wald, den sie queren.
Mit leichter Verzögerung erst bemerkt man, dass es sich um eine
Zeitlupenaufnahme handelt. Rechts zwei Filme, zwei Szenen: ein schwerer Unfall
scheint sich, rechts, ereignet zu haben, Rettungskräfte und eine abwesend
wirkende Frau stehen, dann sitzen um einen kleinen Teich, die Ambulanz
fährt ab, man begibt sich zur Ruhe, das ganze erhebt keine
Realismusprätention, ist eindeutig im Studio gedreht. Links davon die
surrealste Komposition: ein Boot, abfahrbereit am Ufer eines großen
Sees, wird beladen mit Einrichtungsgegenständen. Links davon, auf einer
leichten Anhöhe, ein Haus, eine Art Kapelle mit einer Seitenwand aus
Glas, durch die wir hineinschauen können. An einem Bett mit einer/m
Toten sitzt ein, trauerndes, mutmaßt man, Paar. Vor der Tür ein
Mann mit Spitzbart, wenn die beiden gegangen sind, schließt er die
Tür, gegen die die beiden bei ihrer Rückkehr pochen werden.
Wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, beginnt
es einem langsam zu dämmern: das des freien Montagseintritts wegen wie
eine Kirche zu besten Zeiten gefüllte Museum ist ein sakraler Raum.
Leicht, allzuleicht öffnen sich die Bilder, die Szenen, die Filme auf
metaphysische Lesbarkeit, vom Beginn des Lebens im Eintrittsbild bis zum
Abschied mit dem Boot, das den See, den man sich dem Styx artverwandt denken
kann, überqueren wird. Nicht genug damit, zwei Epiphanien ereignen sich:
im hinteren Wandbild kommt es zur Sintflut, Wassermassen strömen aus
dem Hauseingang, aus den diese dadurch aufsprengenden Fenstern. Und in der
Unfallszene kommt es zu einer Auferstehung (wer das Plakat gesehen hat: diesem
Film verdankt sich das Motiv), tropfnass, mit zurückgelegtem Kopf schwebt
einer, aus dem See auftauchend, nach oben aus dem Bild. Es folgt ein Regensturm,
der sich ebenso wieder beruhigt, vor dem Ende des Zyklus, wie die
Sintflut.
Interessanter als die Metaphysik scheint mir hier die Rezeptionssituation.
Es beginnt schon damit, wo man sich hinstellt: alle vier Bilder zugleich
bekommt man nicht in den Blick. Vor der rechten Wand sitzen wie ums Lagerfeuer
die Leute und konzentrieren sich auf die beiden Szenen, wechseln ihre Position
erst im nächsten Zyklus. Ich dagegen stehe in der Mitte des Raums und
bleibe da. Es ist ein bisschen wie bei Mike Figgis' Film Timecode,
bei dem die Leinwand viergeteilt ist in verschiedene Handlungen. Man kann
nicht allen zugleich folgen. Hier wie da hilft einem die Tonspur, die bei
Bill Viola zumeist ein dumpfes Grundbrummen produziert, an entscheidenden
Punkten aber die Aufmerksamkeit auf Veränderungen in den Szenerien lenkt:
sei es die Sintflut, das Pochen an die Tür oder das fallende Wasser
bei der Auferstehung. Freilich haben auch die Bilder selbst die Faszination
des Rätselhaften. Alle übrigens in einer einzigen langen Einstellung,
ohne Schnitt gedreht - jedenfalls scheint es so, denn dass da jede Menge
digitale Bearbeitung drin steckt, sieht man, ohne es erst mal genau festmachen
zu können. Und doch stößt einen etwas ab mitten in der
Faszination. Es ist ein bisschen wie ein digitalisierter, amerikanisierter,
geglätteter, um die Notwendigkeit jedes Details beraubter
Tarkowski. |