Der Ausgangspunkt von Thomas Elsaessers für die Monografien-Reihe
des British Film Institute entstandenem Buch ist seine Analyse der weithin
als Sakrileg am Original verurteilten Metropolis-Neufassung von Giorgio Moroder.
Moroder hatte dafür weit mehr getan, als nur einen neuen Soundtrack
einzuspielen: er hatte, beraten übrigens vom Filmkritik-Doyen Enno Patalas
eine ganz neu geschnittene, noch dazu eingefärbte Version erstellt.
Elsaesser stellt diese Version in gewisser Weise ins Zentrum seiner Studie.
Zunächst schildert er, wie es dazu kam, dass die auf der Berliner Premiere
gezeigte Fassung nie regulär in die Kinos gelangte. Stattdessen gab
es eine um fast eine Stunde gekürzte Version von Paramount in den USA
und eine daran angelehnte für die deutschen Kinos. In Deutschland wie
den USA floppten diese um ganze Handlungsstränge einigermaßen
sinnentstellend gekürzten Fassungen, das Original" (aber so einfach
macht es sich Elsaesser mit dessen Status gerade nicht) hingegen ist verschollen
- und wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie wieder aus den Katakomben
der Filmgeschichte auftauchen.
Die ersten Kapitel des Bandes sind sozusagen der
Standard-Auseinandersetzung mit dem Film gewidmet: Interpretationsansätze
werden gesichtet, auf ihre Stärken und Schwächen abgeklopft, um
eigene Beobachtungen (meist nur sachte) ergänzt. Der Clou von Elsaessers
Argument ist es nun, die Moroder-Version als faszinierende und gültige
Lektüre von Langs Film sichtbar zu machen. Oder, wie Elsaesser formuliert:
Metropolis mit Moroders Ohren sehen". Es ist nämlich genau eine
synästhetische Interpretationsverschränkung von Hör- und
Seherlebnis, die an Moroders Metropolis als Eigenheit herausgearbeitet wird.
Der Film wird unter den - filmhistorisch gewiss außerordentlich unsensiblen
Händen - des Komponisten zum idealtypischen Film der Postmoderne. Und
erst in dieser Aneignung ist er zum Kultfilm und auch weltweit zum finanziellen
Erfolg geworden. Überwunden wird damit eine Lektüre, die nach den
Echoräume[n] voller kulturhistorischer, tradierter Ideen" fragt
(wie dies von Kracauer bis Kaes geschehen ist) und an deren Stelle eine Art
bewohnende statt analysierende Erfahrung der Oberflächen des Films treten
kann. Sichtbar wird Lang dann, so Elsaesser, als genialer ensemblier",
der vielfältige Versatzstücke zu einem konsistenten Look"
verbunden hat, ohne sich den Imperativen der Narration oder Implikationen
der Ideologie zu beugen.
Elsaessers Lektüre ist gewiss ein wenig forciert, aber immerhin
im Dienst eines klaren Arguments. Die Rezeption der Filmwissenschaftler frech
auf den Kopf zu stellen, hat seinen Reiz. Darüber hinaus taugt der Band
auch für all jene, die, wie ich, skeptisch bleiben, als Arsenal nicht
immer überzeugend verknüpfter und gereihter, aber doch brauchbarer,
aufs Wesentliche konzentrierter Informationen über die Entstehungs-
wie die Rezeptionsgeschichte des Films.
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