Jürgen Felix (Hg.): Moderne Film Theorie

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Daten zum Buch

Jürgen Felix (Hg.): Moderne Film Theorie
Bender Verlag

Mainz 2003
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Klappentext
"Moderne Film Theorie" beschreibt die Geschichte der jüngeren Filmtheorie. Dabei stellen die Autoren drei wesentliche Gesichtspunkte in den Mittelpunkt: Paradigmen der Theoriebildung, Positionen ihrer maßgeblichen Vertreter und Perspektiven dieses Forschungsfeldes. Analysen ausgewählter Filme zeigen im Anschluss, was die jeweilige Filmtheorie am konkreten Gegenstand zu leisten vermag.
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Jürgen Felix (Hg.): Moderne Film Theorie

Von Ekkehard Knörer

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Hocht trabt, eins, zwei, drei, der Titel daher: Moderne Film Theorie. Drin sind dann aber nur Aufsätze, die Filmtheorien vorstellen (plus Addendum, zu dem ich später komme). Keine Filme und keine Moderne, sondern Informationen zu Theorien, Texten, Autoren neuerer Theorie und auch nicht mehr ganz neuer, mit dem "Autorenkino" beginnt es. Mit diesem befasst sich der Herausgeber Jürgen Felix und misst, als wäre es ihm eine Pflichtaufgabe eher als eine Herzensangelegenheit, den Weg aus "von Hitchcock zu Tarantino", "von René Clair zu Guy Maddin", vom klassischen Auteur also zum ironischen, selbstreflexiven und zitatverliebten der Postmoderne und von Bazin bis Sarris, der französischen zur amerikanischen Kritik eher als Theorie. Nun war, das sieht auch Felix so, der Auteur-Begriff immer eher ein kanonpolitischer Terminus als etwas, das sich theoretisch fassen ließe oder mit dem man theoretisch viel Relevantes zu fassen bekäme. Was ein Autor ist oder ein Werk, wird sich der Theorie wie der Filmgeschichte immer (auch) innerhalb eines Netzes anderer Parameter erweisen. Cineasten dagegen sind es, die von Autoren nicht lassen können, als der nicht wegzudiskutierenden Tatsache, dass auf den Anhalt, den der Name des Regisseurs gibt, allzuoft Verlass ist: für Verehrung und Ablehnung, für ein Bild von der Welt und der Kunst, das man teilt oder nicht.

Nüchtern, mit empirischem Interesse, entsprechend verlässlich und langweilig Knut Hickethiers Vorstellung dessen, was man aus dem Genre-Begriff machen kann, wohin er führt, wie weit er trägt, von Georg Seeßlen bis TV-Formate, arg treuherzig gelegentlich, wenn es etwa heißt: "Der Kriminalfilm mit seinen Subgenres des Detektiv-, Polizei- und Gangsterfilms thematisiert ebenfalls eine Grenzüberschreitung, jedoch innerhalb der bestehenden Gesellschaften. Der Täter verletzt die bestehenden Normen und spricht damit im Zuschauer ein Bedürfnis an, auch einmal die bestehenden Verhältnisse mit ihren Regeln außer Kraft setzen zu können." Andernorts werden Bedürfnisse geweckt, das Buch angesichts derart aufregender Einsichten nun zuzuklappen. Was schade wäre, denn mit der Art, wie Frank Kessler einem Saussure und Metz und jede Menge Strukturalismus serviert (lang ist's her, muss man sagen), kann man ebenso leben wie mit Hermann Kappelhoffs souveränem und sich selbst durchaus überzeugend positionierendem Streifzug durch die diversen Varianten psychoanalytischer Theorie mit ihren intensiven, für einige Zeit höchst einflussreichen Kontaktaufnahmen mit dem Kino wie der Filmwissenschaft. Von hier zum Kapitel über feministische Filmtheorie (Autorin Heike Klippel) ist's ein kurzer Schritt. In keinem anderen Feld aber ist derzeit - trotz oder wegen der Stagnation der Verhältnisse - so viel Bewegung, nicht zuletzt aus wachsender Unsicherheit und Einsicht in die Folgenlosigkeit vergangener Kämpfe. Mit Laura Mulveys und diversen psychoanalytischen Gewissheiten vom Blick, den der Film als (patriarchalischer) Text der Zuschauerin und dem Betrachter aufzwingt, ist es nicht mehr so weit her wie noch vor zwanzig Jahren. In der distanzierteren Haltung zur hergebrachten feministischen Theorie - in Deutschland bei Autorinnen wie Annette Brauerhoch oder Renate Lippert - mag ein Stück Resignation stecken, aber auch die Bereitschaft und der Wille, neue Wege zu beschreiten.

Es folgt, beschrieben von Britta Hartmann und Hans J. Wulff eine Darstellung des Bordwell-Thompsonschen Neoformalismus, also der gegen alle theoretischen (sei es nun politischen, psychoanalytischen oder philosophischen) Spekulationen gerichteten programmatischen Besinnung auf Erzählstrategien und "Devices", auf formale Entwicklungen, die Geschichte machen als das, was Stile und Epochen unterscheidet. Die Rezeption dieser Wiederkehr des mal zu verblüffenden Einsichten führenden, mal störrisch den Wirklichkeits- gegen den Möglichkeitssinn ausspielenden Formalismus in Deutschland nimmt gerade an Fahrt auf - die zentralen Texte aber harren noch der Übersetzung. Deshalb ist vielleicht gerade dieses Kapitel für den, der sich orientieren will auf dem weiß Gott diversifizierten Markt der Theorie, am wenigsten verzichtbar. Keinen schärferen Kontrast gibt's in diesem Band als den zwischen Bordwell und dem was folgt, Lorenz Engells und Oliver Fahles Darstellung nämlich der Deleuzeschen Filmphilosophie. Der Deleuze des "Bewegungs-" wie des "Zeitbilds" ist wohl das originellste und aufregendste (apropos: wo ist eigentlich Cavell geblieben in diesem Band?) in Sachen Filmtheorie und auch das am wenigsten kommensurable. Man weiß darum nicht, ob man die gelungene Zusammenfassung des Deleuzeschen Werks, die die Autoren bieten, loben oder doch kritisch anmerken soll, dass sie's bei der immanenten Wiedergabe belassen, ohne den Versuch, Anschlüsse herzustellen oder aus der oft die Stacheln gegen das theoretische Umfeld aufstellenden Terminologie von Gilles Deleuze auszubrechen, der Leserin und dem Leser zum Anhalt, auf welchen Ebenen der Abstraktion und der Reflexion sich Deleuze eigentlich bewegt. Was man sich bei der Lektüre der beiden Bände fragt, findet hier leider keine Antwort.

Die beiden letzten Aufsätze: Drehli Robnicks souveräne Gegenüberstellung vor allem von phänomenologischer Theoriebildung (Merleau-Ponty und Sobchack) und Kracauers Bemühungen um die Erfassung des Kino-Erlebens als anderer, gerade nicht auf abstrakte Theorie und geklärte Subjekt-Objekt-Verhältnisse abziehbarer Art des In-der-Welt-Seins des Menschen. Und Joachim Paechs etwas beliebiges Mäandern durch eine Reihe von Phänomenen, die er alle unter den Begriff und den Hut der "Intermedialität" zu bringen sucht. Das theoretische Interesse aber scheint sich hier irgendwann in der lustlosen Aneinanderreihung von Varianten des Zusammentreffens verschiedener "Medien" mit dem Kino zu verlieren. Ein schwacher Beginn also, ein schwacher Schluss: mittendrin aber wird man vielfach auf den neuesten Stand der jeweiligen Theorie gebracht. Erfreulich die ganz unideologische Offenheit des Herausgebers, der hier das Unversöhnlichste durch ausgewiesene Experten des jeweiligen Bereichs für sich sprechen lässt, ohne dem Leser irgendwelche Vorlieben vorschreiben zu wollen (dass ein Kapitel zum Neo-Marxismus fehlt, ist keine Absicht; es war eines geplant und kam, warum wird nicht erläutert, nicht zustande.)

Die pointierteste These des Bandes - auch dem Herausgeber geschuldet - findet sich im übrigen nicht in der Auswahl der Theorien, sondern in einer Eigenart der Darstellung. An jedes der Theoriekapitel nämlich schließt sich ein mal längerer, mal kürzerer Abschnitt an, der, an jeweils einem Film, die Anwendbarkeit der Theorie in der konkreten Analyse belegen soll. Mit der gegenseitigen Scheu oder dem Desinteresse, die für gewöhnlich das Verhältnis von Theorie und Gegenstand belasten, wird hier also kurzer Prozess gemacht und die Autoren dürfen und müssen sich auf dem Feld der mehr Präzision und zugleich den freihändigeren Umgang mit dem Objekt fordernden Analyse bzw. Kritik bewähren. Erwartungsgemäß gelingt dies unterschiedlich gut. Eher unbeholfen nimmt sich Frank Kesslers semiotische Untersuchung von Oliver Stones JFK aus; beeindruckend - wenn auch ein wenig lang geraten - ist Hermann Kappelhoffs psychoanalytische Lektüre von Titanic. Achtbar schlagen sich Engell und Fahle in der Erarbeitung Deleuzescher Kategorien an Tom Tykwers Winterschläfer. Vor allem eines machen diese Paarungbildungen von Theorie und Gegenstand - über subjektive Vorlieben der jeweiligen Autoren geradezu objektivierend hinausgehend - deutlich: die Theorie wählt sich Vorzugsobjekte, an denen ihr Zugriff aufs Feld der Gegenstände am besten zur Wirkung kommt. Nicht jeder Film hat jeder Theorie eine interessante Seite zu bieten. Und umgekehrt, für die Kritik, gilt, dass Eklektizismus das höchste Gebot ist. Die Utopie der Verbindung von Kritik und Theorie wäre, vom Gegenstand her, dem Film in der Beschreibung den Blick anzumessen, der ihm der gemäßeste ist. Die Herausbildung dieser Wahlverwandtschaften ist, zuletzt, vielleicht der anregendste Aspekt dieses alles in allem höchst verlässlichen - und im deutschen Srpachraum eine schmerzliche Lücke füllenden - Bandes.

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