In den vergangenen Jahren hat der Diana Verlag den Freunden des
Films die kalte Jahreszeit durch die fulminanten Bildbände von Francois
Truffaut Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? und von Cameron
Crowe Hat es Spaß gemacht, Mr.
Wilder? erträglich gemacht und so mancher hat sich damit selbst
einen Weihnachtswunsch erfüllt. Nun gelingt es ihnen wieder; dieses
Mal mit dem üppigen Allein im Licht, das den Untertitel Penn
- Stone - Kubrick - Scorsese - Spielberg - Altman trägt. Die erste
Auflage erschien bereits 1980 in den USA unter dem Titel A Cinema of Loneliness
und ist, überarbeitet und um einige Kapitel erweitert, zum zweiten Mal
1987 dort publiziert worden und, nochmals aktualisiert um die letzten 14
Jahre, hierzulande endlich verfügbar. Dem Kino des New Hollywood ist
dieses Buch gewidmet, einer Ära, der im deutschsprachigen Raum noch
keine besondere literarische Auseinandersetzung zuteil wurde. Der Literatur-
und Kommunikationswissenschaftler Robert Kolker, der zuvor Bücher über
Wim Wenders, Bernardo Bertolucci und filmtheoretische Abhandlungen
veröffentlichte und regelmäßig für das Magazin New York
Metro schreibt, holt dieses Versäumnis jetzt nach.
In fünf Kapitel untersucht und analysiert er ausführlich
das Beste, was der amerikanische Film in den sechziger und siebziger
Jahren zu bieten hatte und geht den Hauptfragen des Filmemachens auf
den Grund - Wie und warum konstruieren Filmemacher ihre Arbeiten in
der Art und Weise, in der sie es tun? Wie und warum reagiert ein Zuschauer
auf sie?. Beginnend mit den beiden historischsten Regisseuren
des amerikanischen Kinos, ist die Körper-Montage und
Geschichts-Inszenierung von Arthur Penn und Oliver Stone sein
erster Ansatzpunkt. Er stellt beide Regisseure und ihre Arbeiten vor, setzt
sie in Kontext zueinander und impliziert die amerikanische Politik der
vergangenen vierzig Jahre in seine Analysen. Kolker zeigt, dass Stone oft
Anleihen bei Eisenstein und Welles sucht, mittels deren Montagestruktur er
die gegenwärtigen amerikanischen Geschichte zu erfassen und in einen
filmischen Diskurs zu bringen versucht. Sehr schön gelingt die Analyse
der Präsidenten-Filme JFK und Nixon, in denen fiktionales und
dokumentarisches Material miteinander verschmelzen und, so bei JFK, durch
das Hinzufügen von Attributen des Spionage- und Agententhrillers eine
paranoide, intensive Stimmung erzeugt wird. Die andere Seite der Medaille
zeigt uns der ausgesprochene Filmkenner bei Martin Scorsese, - in dem Kapitel
Die Sprache der Straße - dessen Filme einen
großstädtischen Mikrokosmos präsentieren, in dem die
Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe die Wahrnehmung und das Bewusstsein
jeder einzelnen Figur bestimmt.
Als einer der ersten Filmemacher lernte Scorsese sein Handwerk nicht
direkt in den Studios, sondern durch das Studium der Filmwissenschaften an
der New York University, an der er auch heute noch sporadisch unterrichtet.
Das ambivalente Verhältnis, als Unabhängiger trotzdem zum Mainstream
zu gehören, und von Hollywood akzeptiert zu werden und umgekehrt, das
Hollywood-Kino anzuerkennen und von ihm zu profitieren, hinterlässt
in Scorseses Arbeiten deutliche Spuren. Systematisch erarbeitet Kolker Scorseses
Welt der Gangster, Ganoven und Außenseiter und stellt uns Robert DeNiro
als Alter Ego des italo-amerikanischen Filmemachers vor. Leider bleiben
spätere Filme wie Kundun, Last Temptation und Age of Innocence , in
der ansonsten kongenialen Erkundung, etwas außer acht und hinken in
ihrer Erarbeitung hinterher. Die Unermesslichkeit der Ängste und
Obsessionen männlicher Charaktere spielen bei Stanley Kubrick
eine tragende Rolle, und die Auswirkungen ihrer Unterdrückung
und Verdrängung auf alles und jeden, mit dem sie Kontakt haben.
Kolker begreift Kubricks Filme als Teil der kulturellen Erinnerung,
die vergangene und zukünftige Geschichte der Kultur artikulieren
und verzichtet auf eine abschließende Betrachtung, da die Filme, des
1999 unerwartet verstorbenen Regisseurs, permanent hinterfragt werden
sollten. In Dinosauriern und Schiffen richtet der
Literaturwissenschaftler sein Augenmerk auf Steven Spielberg und dessen
Vorreiterrolle bei der Einführung von digitalen Techniken in die
Filmproduktion. Spielbergs Arbeiten lassen das zentrale Problem der
illusionären Form in den Vordergrund treten, der Macht des amerikanischen
Kinos, sich selbst als keine Fragen stellender Hort des Glaubens und der
Zustimmung zu etablieren. Die ideologische Struktur seiner Filme untersucht
er vor dem Hintergrund des politischen, kulturellen und ökonomischen
Wandels in den USA während der vergangenen 25 Jahre und formuliert einige
höchst interessante Thesen, die hoffentlich von anderen Filmhistorikern
und -theoretikern aufgegriffen und erörtert werden. Zu guter Letzt wendet
sich der Autor dem filmischen Raum und der erzählerischen Struktur der
Filme von Robert Altman zu, dem Regisseur, der von allen hier vorgestellten
am längsten in business ist. Um Altmans umfangreichen Werks
überhaupt Herr zu werden, unterteilt er dessen Karriere, auf fast 200
Seiten, in drei Phasen. Zentrale Anknüpfungspunkte bilden die Frauenfiguren
und die Freude am filmischen Experimentieren, einer Leidenschaft, der nur
wenige amerikanische Regisseure nachgeben.
Nach vielen Stunden der anregenden Lektüre des wortgewaltigen
Buches, welches man, gezwungen durch die überwältigende Fülle
der Informationen, immer wieder aus der Hand legen muss, bleibt man noch
lange gefangen von seiner sprachlichen Klarheit und brillanten Analyse. Das
Filmemachen als industrieller Vorgang oder wirtschaftliches Unterfangen findet
bei Robert Kolker keinerlei Anerkennung. Vielmehr begreift er das Kino als
Ort der Imagination, in dem die Leidenschaft und Energie der Regisseure und
aller Beteiligten stecken. Er nimmt seine Leser mit auf eine Reise durch
die Höhen und Niederungen des amerikanischen Kinos und zeigt ihnen,
welchen Einfluss gesellschaftliche Veränderungen und politische
Strömungen auf den Inhalt der Filme nehmen können und wie sich
dadurch auch ihre formale Erscheinung modifizieren kann. Für alle Cineasten
und Filmfans, die das Verborgene in den Filmen entdecken möchten, ist
das Buch ein absolutes Muss!
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