Michael Althen: Warte, bis es dunkel ist. Eine Liebeserklärung ans Kino

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Michael Althen: Warte, bis es dunkel ist. Eine Liebeserklärung ans Kino

Von Ekkehard Knörer

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Das Kino zu lieben heißt das Leben zu lieben, das man nicht haben kann. Die Liebe zum Kino also ist reine Projektion, nicht aber als Verkennung. Das Bewusstsein des ewigen Verfehlens von Leben und Kino macht den Liebhaber des Kinos zum Melancholiker, der das immer viel zu kleine eigene Glück kompensiert durch das große Glück auf der Leinwand. Was er genießt, ist so das Verfehlen wie das Wissen darum, ist die Kompensation wie - sogar - die eigene Melancholie, die, könnte man sagen, durch die - sei es projizierte - Ereignislosigkeit des eigenen Lebens ja auch hart erarbeitet ist. Ein double bind, im übrigen, denn: aus der Einbildung, im Kino das eigene Leben immer zugleich zu verfehlen und auf ungeheure Weise (als falsches?) zu vervielfachen, führt kein Weg hinaus.

Von diesen Zusammenhängen erzählt Michael Althens Buch "Warte bis es dunkel ist". Es tut dies freilich in keinesfalls theoretisierender Weise. Vielmehr ist es genau das, was der Untertitel sagt: "Eine Liebeserklärung ans Kino". Immer spricht hier ein Liebender, in dessen Sprache noch in den reflektierenden Passagen diese Liebe nachzittert - und in der schwärmerischen Vergötterung der weiblichen Stars fallen die Worte schon mal ganz zurück ans Klischee. Man muss, manchmal, das Pathos schon aushalten können, den Kitsch auch, der die Beschreibung befällt, wenn es um den Gegenstand unbedingter Liebe geht: "Ihre Lippen", heißt es über Michelle Pfeiffer, "sind geradezu die Wunde, durch die unsere Träume in ihren Körper eintreten, der Ort, an dem gegen den Hochmut ihres Körpers eine Trauer sitzt, welche die Hoffnung nährt, ein Kuss könne womöglich alles retten." Wer Sätze wie diesen indiskutabel findet, für den ist das Buch so wenig geschrieben wie für den, der keine Ahnung hat davon, was es heißt, mit Haut und Haar dem Kino verfallen zu sein.

Das heißt nicht, dass Althen im rechten Moment nicht auch zum selbstironischen Bericht aus dem wirklichen Leben in der Lage wäre, in dem er Michelle Pfeiffer gegenüber sitzt und es fehlen ihm die Worte, die Gedanken und überhaupt alles, was ihn als halbwegs intelligenten Fragesteller erscheinen ließe (Frau Pfeiffer wird dann ans Telefon gerufen und kehrt nicht wieder). Als dies geschieht, ist Michael Althen längst einer der angesehenen Filmkritiker der Republik - die Beschreibung seines Wegs dahin aber macht den vielleicht charmantesten Teil seiner Kino-Geschichten aus. Programmatisch verschaltet er gleich im zweiten Kapitel "14. Oktober 1962" den Beginn seines Lebens mit dem Kino und mit seiner Heimatstadt München (über die er übrigens gemeinsam mit Dominik Graf einen sehr schönen Essayfilm gedreht hat). Er liest in der Süddeutschen Zeitung nach und zählt auf, welche Filme da liefen, von "Mariandls Heimkehr" bis "Der Mann, der Liberty Valance erschoss". Er schweift durch das Kinojahr, von Chris Markers "La Jetée" bis zu Brigitte Bardot und "Privatleben". Und eines fällt ihm auf: Keines der Kinos, in denen damals, im Jahr 1962, diese Filme gezeigt wurden, existiert heute noch.

Es ist kein Wunder, für einen Autor, der ein so persönliches Verhältnis zu seinem Gegenstand hat, dass er im Subjektiven wie im Anekdotischen mehr Wahrheiten findet als in allen Objektivierungen. Genauer gesagt: Die Schwärmerei Althens ist die Vorderseite eines sehr spezifischen Verhältnisses zum Kino als Kunst. Kritik ist für ihn in erster Linie Annäherung an etwas wenig Greifbares: eine Gestik vielleicht, eine Atmosphärik des Kinos. Und dazu gehört alles: das, was auf der Leinwand zu sehen ist, das, was sich jenseits der Leinwand abgespielt hat und als Klatsch verbreitet wird, aber auch das, was das Kino im Kritiker auslöst. Der ist Subjekt mit all seinen Idiosynkrasien - die jedoch, das zeigt etwa das Kapitel zu den prägenden Fernseherlebnissen, über die Einmaligkeit des Zufalls, der immer im Spiel ist, ihre Anschlüsse finden im partiell geteilten Horizont kollektiver Generationenerfahrungen. Das heißt auch: der Kritiker hält, indem er sich zu seiner Erfahrung bekennt, fest, was nachfolgenden Generationen verloren sein wird. Einen Blick, der sich der historischen Konstellation verdankt, in die er hineingeboren ist. Es wird, vielleicht, der zehn Jahre später Geborene, die Vergötterung Romy Schneiders oder Jacqueline Bissets nicht mehr begreifen können. Auch darin liegt die Melancholie produzierende Fragilität der emphatischen Schwärmerei. Das Wir, das manchmal durchaus irritierend an der Stelle des Ich steht, ist so nicht so sehr Vereinnahmung des Lesers wie (immer auch vergebliche) Beschwörung einer Gemeinsamkeit.

Die schönsten Kapitel des Buches sind daher die, in denen Althen konsequent von sich erzählt. Von seiner education sentimentale, die das Kino geleistet hat, im Münchner Filmmuseum, dem "Keller der endlosen Seligkeit", und in der B-Movie-Gegenwelt im Hinterhofkino in der Fraunhoferstraße. Es ist dies alles im Grunde - gewiss nicht ohne Pathos - angeschrieben gegen die Furie des Verschwindens, dem die elektrischen Schatten auf der Leinwand nichts als den Schein der Dauer entgegenzuhalten haben. Dieser Schein aber ist das Leben wert: "Alles ist schließlich möglich, wenn es dunkel wird. Wirklich alles. Das ist schon ein großes Glück."

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