THE BANK - Keine Gnade für Banker, Rabatt für
Globalisierungsgegner
Ein heißer Novembertag im australischen Sommer in Sydney. Robert
Connolly, Regisseur und Drehbuchautor des Eröffnungsfilms "The Bank"
residiert mit seiner Produktionsfirma Arena Film in einer Fabriketage im
Stadtteil Surry Hill, einem trendig alternativen Bezirk im Südosten
des Zentrums. Die Fox Studios Australia, Drehort erfolgreicher
Big-Budget-Projekte wie "Matrix", Star Wars" oder "Moulin Rouge", sind nur
rund 15 Minuten entfernt. Doch zwischen den Filmen auf dem Gelände im
Moore Park und aus der Etage in der Devonshire Street liegen Welten.
An den Wänden der Büroräume von Arena Film hängen
Plakate früherer Produktionen: Zum Beispiel "The Boys", 1998
ausgewählt für den Wettbewerb auf den Internationalen Filmfestspielen
in Berlin. Ein Durchbruch nicht nur für den Produzenten, sondern auch
für den australischen Film in Berlin, wie Connolly später bei einem
Gespräch im Café erzählt. Danach war die Fixierung australischer
Filmemacher auf Cannes beendet. Die Filmfestspiele im Februar in Berlin wurden
zu einer attraktiven Option. 2002 nahm Australien mit sieben Filmen an
derBerlinale teil, zwei von ihnen -
"Beneath
Clouds" und "Walking on Water" wurden prämiert.
Arena Film, die Produktionsfirma von Robert Connolly und seinem Partner
John Maynard, der geraume Zeit als Produzent für den neuseeländischen
Film tätig war, wurde vor 15 Jahren gegründet. Robert Connolly,
Ex-Theaterdirektor, Absolvent der renommierten Australian Film Television
and Radio School (AFTRS) und Produzent von Filmen wie "The Boys" (1998) und
"Die Affenmaske" (2000) debütierte im Jahre 2001 zweifach: als Drehbuchautor
und Regisseur von "The Bank".
Ausgezeichnet mit dem Award des Australian Film Institute (AFI) für
Bestes Original-Drehbuch und mit den Preisen Bester Regisseur, Bestes Drehbuch
auf dem Newport Beach Film Festival brachte der Genre-Thriller über
eine David-und-Goliath-Story dem 34-Jährigen nicht nur Ruhm und Ehre,
sondern auch ein beachtliches Einspielergebnis: ca. drei Millionen australische
Dollar. Rund 400 000 Australier sahen den Film im Kino, der für einen
breiten Markt konzipiert und in Multiplexen aufgeführt wurde. Etwa 600
000 Zuschauer erreichte die Video- bzw. DVD-Distribution.
In "The Bank" geht es um das große Geld. Um miese Banker, die
um jeden Preis gewinnen wollen. Um kleine Anleger, die um ihr Erspartes gebracht
werden. Dazwischen bewegt sich wie der clevere Außenseiter Jim (David
Wenham), der an einer mathematischen Gleichung zur Vorhersage von
Börsenschwankungen arbeitet.
Simon (Anthony LaPaglia), Boss der CentaBank, wird von seinem Vorstand
mit der Forderung nach mehr finanziellem Erfolg unter Druck gesetzt. Er stellt
Jim ein, da der für ihn den "Heiligen Gral der ökonomischen Theorie"
knacken könnte. Mit seinem Programm "BETSE" (Simon: "He named it after
a fucking cow") entwickelte Jim ein mathematisches System, um einen Aktiencrash
vorherzusagen. Anfangs misstraut ihm Simon, lässt sich aber nach einem
überrascht angesetzten, erfolgreichen Probelauf von der Effizienz des
Systems überzeugen. Ein skrupelloses Spiel um Macht und Geld
beginnt.
Die Synopsis von "The Bank" liest sich wie "Wallstreet" für
Anfänger mit einem Hang zur Chaostheorie. Die ersten Bilder könnten
aus einem beliebigen australischen Film stammen, an dessen Titel man sich
nicht mehr erinnert. Landschaft, Kinderreime, ein Auto auf der staubigen
Landstraße. Kindern in einer Schule auf dem Land wird erklärt,
wie wichtig Banken sind. Ein erstes Gefühl der Beunruhigung stellt sich
ein.
Dann eine Volte. Von den warmen, erdigen Farben Australiens ins
eisig-kühle Bankenviertel einer Großstadt - Melbourne, bis zur
Unkenntlichkeit stilisiert. Männer in Anzügen, Wolken, Wasser,
Silhouetten von Gebäuden, die sich wie drohende Schatten fortbewegen,
den Protagonisten wie Geister folgen. Das Einschütten von Wasser, das
kräftige Zeichnen mit blauer Tinte auf weißen Tischtüchern
wird zum Ritual, ertränkt die staubtrockene Landschaft und tupft auf
die Dollar-Welt frostiges Blaugrau. Einer der üblichen Verdächtigen
aus der unerschöpflichen Legebatterie der Hollywood-Studios, meint man.
Ein Klon aus Australien. Einer, der sich mit geringen Mitteln aufbläht
und für Magenbeschwerden sorgt.
Die zweite Volte. Der erste Faden, die warmen Erdfarben, werden wieder
aufgenommen. Es mangelt an Erklärungen. Etwas Tragisches geschieht.
Eine Familie wird zerstört und das verbleibende Paar tritt an, um gegen
die Bank zu kämpfen. Der Film treibt dahin. Entrollt langsam seine
Fäden, nimmt sich Zeit, reduziert sich nach der anfänglich ausufernden
Bildsprache aufs Wesentliche und verliert in den Dialogen kein Wort zu viel.
Mit einer ausgesprochenen Vorliebe für pointierte Zeilen, die in ihrer
Simplizität vielleicht nicht jedermanns Geschmack treffen, aber
zitierwürdig sind: "Bastards without Borders" - auf die Gruppe der Banker
bezogen, "I'm like God, but with a better suit", so der Ober-Banker, oder:
"That's new corporate feudalism, and we are the new princes".
Die dritte Volte. Die Liebesgeschichte zwischen Michelle und Jim.
Der dritte Faden, der die warmen Töne der australischen Geschichte mit
der aus dem Bankenmilieu verknüpft. Michelle verkörpert die Position
des Zuschauers, erklärt Robert Connolly. Sie ist nicht zu orten. Ist
Michelle Teil der Bank, Teil des Spiels oder Außenseiterin? Sie löst
das Rätsel am Ende, wenn David gegen Goliath gekämpft und gesiegt
hat. Die Bildschirme der Computer erlöschen. Bankfilialen schließen.
Eine australische Familie ist um 700 000 Dollar reicher.
Die Schauspieler tragen - gemeinsam mit dem bis auf einige inhaltliche
Schwächen ausgezeichneten Drehbuch - den Film bis zum Ende von "Public
Enemy Number One: The Bank", um die Tagline zu zitieren. Anthony LaPaglia
("Lantana") gibt den Bösewicht, den Banker mit kräftigem Stiernacken,
feisten Wangen und gierigem Blick, der alles und jeden aufsaugt und kontrolliert.
David Wenham ("Herr der Ringe" Teil II und III), langjähriger Freund
von Robert Connolly und Hauptdarsteller in "The Boys", den soften, sich langsam
an das Banken-Milieu adaptierenden Outsider. Die australische Schauspielerin
Sybilla Budd debütiert in "The Bank" und verleiht dem Film -
unterstützt durch Make-up, Garderobe und akzentuierter Körperhaltung
- die kontrastierende Film-Noir-Anmutung. Aus der erotisch aufgeladenen Beziehung
zwischen ihr und David Wenham resultiert der Antikörper im Film.
Wächst der Zweifel, der die Spannung erzeugt. Die Enttäuschung
über den Spurwechsel Jims, der das ethische Dilemma benennt, aber
vermeintlich darin umkommt (die Analogie zu Oppenheimer im Dialog mit Simon;
die Täuschung vor Gericht, bei seiner Aussage zu Gunsten der Bank).
Robert Connolly zitiert in dieser widersprüchlichen Paarkonstellation
Alfred Hitchcock ("Vertigo", "North by North West"), ohne die Passivität
von dessen Frauenbild aufzunehmen. Michelle, und damit der Zuschauer,
übernimmt nach anfänglicher Ablehnung - und hier bietet das Drehbuch
leider keine genaue Erklärung, warum es zu dieser veränderten Haltung
kommt - die Suche nach der anderen Seite der Medaille. Aus reiner Neugier,
wie der Regisseur im Gespräch erläutert. Weitere stilistische und
genretypische Vorbilder sind - nach Connollys eigener Einschätzung -
Polanski ("Chinatown"), die australischen Regisseure Peter Weir ("Picnic
at Hanging Rock") und Fred Schepisi ("Six Degrees of Separation", "Last Orders"
mit Michael Caine) und die Anlehnung an Kubricks "2001".
Die Bildsprache ist kongenial - mit Ausnahme einiger störend
gewollter Momente, denen man ansieht, wie sehr Connolly um Tiefe im Mainstream
und Großflächigkeit im Independent-Schema gerungen hat. Der Kontrast
der Farben, der die Erzählstränge begleitet, verwirrt den Zuschauer
und steigert durch den ständigen Wechsel die Spannung. Je klarer sich
die Handlung entwickelt, desto stärker orientiert man sich an dem Kontrast,
der mit einer jeweils angepassten Tonspur harmoniert (z. B. Choräle
bei der Suche nach dem vermissten Jungen. Eine ähnliche Szene gibt es
übrigens in "Exotica" von Atom Egoyan, wenn die Leute aus dem Dorf auf
der Suche nach dem verschwundenen Mädchen gemeinsam ein Feld
durchkämmen).
Das Ende kommt nach dem langsamen Vorspiel schnell und überraschend.
Alle Fäden liegen übersichtlich nebeneinander. So abrupt sich die
Entdeckung von Jims Geheimnis auch vollzieht - der Detektiv, der Michelle
gefolgt ist, berichtet per Handy von der Enttarnung -, die sich daraus ergebende
Beschleunigung trägt über den unschönen Schnitt im Drehbuch
hinweg. Das am Ende die Guten siegen, wird nicht nur bei Globalisierungsgegnern
Schadenfreude erzeugen. Der Regisseur wusste von Szenenapplaus an Stellen
zu berichten, an denen die Bank und ihre gierigsten Vertreter vorgeführt
werden.
Nach dem überzeugenden Bank-Bashing durch Robert Connolly darf
man gespannt sein, wie er seine neuen Projekte auf der Leinwand gestaltet
- zurzeit arbeitet er an einer "emotionalen Familiengeschichte", dem Drehbuch
zu "Three Dollar", einem Roman des australischen Autors Elliot Perlman. Ab
Sommer 2003 wird gedreht.
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