Zwei Tage nur sind es, über die sich das Geschehen von Asche
und Diamant erstreckt, der letzte Tag des Krieges, der erste des Friedens:
der 7. und der 8. Mai 1945, Andrzej Wajda genügen sie zur Darstellung
einer historischen Zwischenzeit. Zwei Widerstandskämpfer, im Auftreten
eher Auftragskiller, die sich an die Tage des Aufstands im Warschauer Ghetto
beinahe schon mit Nostalgie erinnern, sollen einen aus Russland
zurückgekehrten kommunistischen Funktionär ermorden. Sie verwechseln
ihr Opfer, quartieren sich in einem Hotel ein und lauern dort auf eine neue
Chance.
Das Hotel, die eine Nacht belädt Wajda, mitunter allzu forciert,
mit emblematischer, gelegentlich geradezu existenzialistischer Bedeutung.
Eine Niemandszeit in einem Niemandsland, Maciek philosophiert - einmal zu
oft, vielleicht - über die Sinnlosigkeit des Lebens und hadert mit seinem
Auftrag. Er flirtet mit der Barfrau, lädt sie ein in sein Zimmer, ist
überrascht, als sie kommt. Sie schlafen miteinander. Man hört den
Schritt des ausersehenen Mordopfers im Zimmer darüber. Maciek will sein
Leben ändern und wird es nicht tun. Unterdessen ein Gelage im Hotel,
der Bürgermeister feiert den Frieden und seine Ernennung zum Minister,
sein Sekretär betrinkt sich und verspielt, als er in die Gesellschaft
platzt, alle Aufstiegschancen. Die Feier endet nicht vor dem frühen
Morgen, alle Ordnung ist in zunehmender Auflösung begriffen, als das
Licht durch die Fenster bricht, tanzt man eine letzte Polonaise.
In der Mitte der Nacht verlassen Maciek und die Barfrau das Hotel,
spazieren in eine finstere Kirchenruine, im Raum, zwischen ihnen, hängt
kopfüber ein dornengekrönter Christus. Das ist das wohl faustdickste
Bild des Films, der dieses nicht immer subtile Pathos sucht, dessen Bilder
es jedoch zu tragen verstehen. Wajda und sein Kameramann spielen mit
eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Kontrasten, atemberaubend die Momente,
in denen das Licht des Morgens durch Türen und Fenster ins Hotel
strömt. Gesucht, aber auch gefunden die immergleiche Mise-en-Scène
von Figuren und Raum. Im Vordergrund im Halbprofil meist an der rechten Seite
des Bildes ein Gesicht in Großaufnahme, der Raum und die Bezugsfigur
werden, meist tiefenscharf, dahinter gestaffelt. Eine Verzerrung der Wahrnehmung
aufs Subjektive, daneben, im Einklang mit der bedrohlichen Atmosphäre
der meisten Szenen, oftmals Aufnahmen aus Untersicht. Grandios das Nebeneinander,
kopfüber, der Liebenden nach dem Akt, die Kamera schwenkt langsam von
der Großaufnahme ihres Gesichtes zu seinem, spricht von Nähe und
Ferne zugleich.
Darstellung des individuell Allzumenschlichen trifft auf tiefere
Bedeutung, historische Fakten begegnen entschiedenem Kunstwillen in der
Gestaltung. Alles in allem gelingt diese Balance zwischen Realismus und
existenzialistischer Hintergrundbeleuchtung, nicht zuletzt weil die düstere
Atmosphäre, erst recht im Kontext von Liebe und Mord, durchaus an den
Film Noir erinnert.
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