Die Straßen Londons, Jan van Rooyen allein, schlendernd,
ein Veilchen in der Hand, unterwegs zum Rendezvous. Er betritt die Wohnung,
die Tür schließt sich: ein anderer Raum, er ist gefangen, ohne
es zu wissen. Die Kamera sammelt Eindrücke, große Räume,
Luxus mit einer Tendenz ins Verrufene (ein römisches Bad, das große
Bett, herumliegende Unterwäsche). Ein Riss, ganz typisch für Losey:
aus dem Nichts mit einem Schlag und brüllend laut Musik. Jazz. Im Bild
der Liebhaber, auf der Suche nach der Frau, er findet sie nicht. Sekundenlang
bleibt unklar, in welchen Raum die Musik gehört: den des Films? Oder
den der extradiegetischen Untermalung? Es ist der des Films, sie wird die
ganzen Minuten laufen, die Jan in den Räumen unterwegs ist, suchend.
Dann ist Stille, wieder schlagartig, er liegt auf der Couch, er hört
Schritte und hält, mit dem Rücken zur Tür, der Frau, die er
erwartet, die Blume entgegen. Es ist jedoch, der nächste Riss, nicht
Jacqueline Cousteau, es ist die Polizei.
Sie findet eine Leiche, und zwar einer Frau, die den Namen trägt
derjenigen, auf die Jan gewartet hat. Nur ist sie's nicht. Ein Whodunit,
ein Whoisit - und all das ist Losey völlig egal. Er will den Raum
inszenieren und die Figuren darin. Nicht dass er eine natürliche Beziehung
zwischen beidem insinuierte, im Gegenteil: immer ist es die Künstlichkeit
der Relationierung. Inszeniert werden der Raum und der Schauspieler darin,
einander fremde Körper, Mensch und Gegenstand, beidem bleibt der Wille
des Regisseurs auf die Oberflächen und in die Bewegungen geschrieben,
der sie führt. Es tut nichts zur Sache dabei, oder eher: es kommt ihr
noch zugute, dass Hardy Krüger in das selbe Verhältnis zu seinem
Spiel tritt wie der Regisseur zu den Figuren und Dingen, die er arrangiert.
Jeder Geste ist überdeutlich die Darstellungsabsicht anzusehen, jedem
Schlenkern, jedem Zucken entspricht in simpler Weise eine Aussage: er ist
am Boden zerstört, er ist ungebärdig, er ist aufgebracht. Es ist,
als gäbe es ein Handbuch, das die Gesten der Aussage zuordnet, tabellarisch,
es ist, als verstehe Hardy Krüger das unter Schauspielen. Man kann das
natürlich einfach "schlecht" finden, weil es - ohne Absicht - zur
Verschmelzung von Figur und Darstellung unfähig ist. Vermutlich aber
hatte der alte Brechtianer Losey durchaus seine Freude an dieser List
Der Rest ist Dekor. Losey aber lehrt einen, den Dekor als Tiefe zu
nehmen und alle Psychologie und allen Plot als Oberfläche. Die Dialoge
nichts als Rauschen der Klischees; interessanterweise versendet sich die
marxistische Botschaft ebenso wie all das Unsägliche, das hier über
Kunst gesagt wird; verblüffend nur: die Werke des Malers sind gar nicht
schlecht, wahrscheinlich genau deshalb, weil sie das bleiben, was Losey
interessiert: Dekor. Die wahre Geschichte spielt sich also in ihnen ab (das
ist nicht ganz richtig: sie sind, was sie sind, müsste man sagen, und
als das, was sie sind, rückt Losey sie ins Bild; sie bedeuten nicht)
und in den Nuancierungen von Licht und Schatten, in den Spiegeln, von denen
einer gar sich ins Unendliche zu verlieren scheint, im Verhältnis der
Figuren im Raum. Das ist nicht, wie vielleicht vom ersten Blick suggeriert,
Theater, denn das Kraftzentrum der Konstellierungen bleibt die Kamera: im
Vordergrund Hardy Krüger, im Hintergrund der Inspektor. Es hat gar keinen
Sinn, Tiefe hinein zu lesen in dieses Bild: die Stimmigkeit stammt aus dem
Dekor, der nichts ist als Staffelung, Struktur von Vorder- und Hintergrund,
Verteilung von Licht, Bezug des Raums und der Figuren auf die Kamera. Eine
sehr begrenzte Zahl von Räumen ist es, durch die Losey seine Figuren
- teils häufen sie sich in geradezu grotesker Manier - hindurchspielt:
das Apartment, das Museum, das Atelier, die Polizeiwache, der Flughafen (drinnen
und draußen macht an dieser Stelle auch keinen über die offenkundige
Opposition hinaus gehenden Unterschied). Anders strukturiert als der Hauptteil,
der stets mehr als eine Figur zeigt, sind nur der Prolog und der Epilog,
Hardy Krüger allein, auf Londons Straßen. Ein Rondo.
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