Die ersten Einstellungen künden vom tiefsten Frieden im
ländlichen New Mexico. Man kann sich denken: das täuscht. Ein
älterer Herr und eine junge Frau halten mit ihrem Wagen vor einer Bank
im Dorf Tres Cruces, ein Überfall. Es kommt zur Explosion der Gewalt,
als zwei Polizisten ihre Ahnung bestätigt sehen, dass etwas faul ist.
Drei Tote, auch Nadine, die Frau des älteren Herrn, Charley Varrick,
kommt ums Leben. Als Varrick begreift, dass die erbeutete, aber unerwartete
Unsumme aus dunklen Mafia-Quellen stammt, weiß er, dass die Lage verzwickt
ist. Er wird von allen Hunden gehetzt, hat noch dazu seinen so gierigen wie
unvernünftigen Compagnon am Hals und muss höllisch aufpassen, allen
Verfolgern immer einen Schritt voraus zu sein.
Der große Coup ist ein Rififi-Film, jedoch steckt Mastermind
Varrick alle Rafinesse nicht in den Überfall selbst, bei dem beinahe
alles schief geht, was schief gehen kann, sondern in seine Bemühungen,
den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Dies ist die Bewegung des Films, auch
der Generator der Spannung für den Zuschauer. Es bleibt, immer wieder,
undurchsichtig, was das Kalkül Varricks ist und was die bedrohliche
Annäherung seiner Verfolger. Bei jedem vermeintlichen Showdown haben
Varrick und die Geschichte einen Joker in der Hand, auf den zuvor dezente
Hinweise gestreut werden, der dennoch überraschend kommt. Walter Matthaus
ist dabei vor allem eines: sein Pokerface. Nichts scheint an ihn zu dringen,
nicht einmal der Tod seiner Frau. Er geht über Leichen, gerät nie
aus der Ruhe, nichts ist ihm abzulesen. Dennoch strahlt er nicht Kälte
aus, sondern eine weltmüde Abgeklärtheit: die Sympathie des Zuschauers
gehört ihm von der ersten bis zur letzten Minute. Nicht wenig trägt
dazu sein Gegenspieler bei, der Killer Molly, der Schwarze und Huren hasst
und jeden Funken Menschlichkeit vermissen lässt.
Don Siegel geht das inszenatorisch mit einer Seelenruhe an, die der
seines Helden gleicht. Ökonomisch wie stets sprechen Schnitt und Komposition
fast ausschließlich in Parataxen. Nüchtern, beinahe desinteressiert,
folgt der Film Charley Varrick Schritt für Schritt, jede Annäherung
ans Innenleben aber wird verweigert. Die vom Drehbuch vorgesehene
Sentimentalität der Vorgeschichte erstickt sogleich in der Regungslosigkeit
des echsengleichen Helden. In diesem Kontrast steckt der hauptsächliche
Reiz des Films: noch die überraschendste List Varricks trifft auf
äußerste Gleichmut, der Figur wie der Inszenierung.
zur Jump Cut Startseite
|