Fünf Akte, klassisches Drama, Einheit nicht der Zeit, aber des
Orts und der Handlung durchaus, die Geschichte der Modedesignerin Petra von
Kant. Im ersten Akt sitzt sie, im Gespräch mit ihrer Freundin Sidonie,
auf reichlich hohem Ross: der Ehemann wird abgetan, in klassisch gebundener
Dramensprache, herrlich streng skandiert von Margit Carstensen. Hier bereits
im Hintergrund, wie für den Rest des Films, Marlene (Irm Herrmann),
stumm liebende, begehrende, sich verzehrende, verehrende und hassende Dienerin
ihrer Herrin (Ausdruck findet das nur in Blicken, Tränen, der Aufmerksamkeit
der Kamera), meist wie beiläufig nur markierter Fluchtpunkt der Beziehungen
der Petra von Kant.
Jung und ungebildet, naiv und in vermeintlicher Unschuld lasziv: Karin
(Hanna Schygulla), deren Mann fern ist, die sich eine Zukunft als Model von
Petra von Kant gerne ausmalen lässt. Leicht zu verführendes Objekt
der Begierde, wie es scheint, bereit sich einzulassen, ausgeliefert der reiferen
Frau, die weiß, was sie will, die es auch bekommt. Dann aber kippt
die Konstellation, die beiden sind ein Paar, Karin aber ist plötzlich
in der Position der Stärkeren, die Berührungen gewährt und
verwehrt, aus deren Haltung Verachtung spricht, nicht zuletzt für die
Hörigkeit der Geliebten. Im vierten Akt nur noch Elend, zerbrochen das
Selbstbewusstsein Petra von Kants, sie wälzt sich, betrunken, auf dem
Flokati, sehnt den Anruf herbei, der nicht kommt: Karin, ihr Mann ist
zurück, ist auf und davon. Petra von Kant zerstört sich selbst
und den Rest ihrer Beziehungen gleich dazu: sie beschimpft die Tochter, die
Mutter, die Freundin, nichts ist übrig, längst, von der gebundenen
Rede. Ich bin im Arsch, konstatiert Petra von Kant und vergießt ihre
bitteren Tränen.
Der Film ist ein Melodram, aber in der eiskalten Ausführung.
Alles ist stilisiert, vom Kalkül der nach und nach zerfallenden Sprache
bis zum Arrangement von Figuren und Gegenständen im Raum, platziert
das eine wie das andere als Bestandteil ausgeklügelter Kompositionen.
Übersichtlich, mehr als das, der Schauplatz. Im Zentrum das Bett, auf
dem Boden soweit das Auge reicht Flokati, an der einen Wand eine
Renaissance-Malerei-Fototapete, deren schwellendes Fleisch der Kühle
des Rests entschieden kontrastiert, und nur hier auch ein Mann. Die andere
Wand: durchbrochen, Holzbalken, dahinter immer wieder Marlene, auf die die
strenge, überaus kontrollierte Kamera - die sich nicht nur hier und
immer mit gutem Grund selbständig macht - einmal zoomt: Tränen
im Gesicht. Ergänzt wird das Personal durch herumstehende, herumliegende
Modepuppen, kaum toter als die anderen Figuren, deren Beziehungen sie bei
Gelegenheit grotesk nachstellen und sei es als Wunschbild: zwei Frauen, nach
dem Verschwinden Karins, übereinander, als schliefen sie
miteinander.
Inhalt und Form stehen in Fassbinders Film zueinander im Verhältnis
des Paradoxen: es geht um Gemeinheit, Hörigkeit, emotionale
Brutalität; der Film aber kündet davon nur hinter vielfach lackierter
Oberfläche. Alle Markierungen der Authentizität sind gelöscht,
es bleibt die reine Künstlichkeit: der Konstellationen, der Kompositionen,
der Sprache, der Tränen, der Gefühle, der Ausstattung. Es bleibt
dem Betrachter kein Ausweg in Identifikation oder Mitgefühl, was man
sieht, bedrängt gerade durch die Verweigerung von Nähe und die
gleichzeitige Blockade jeder Distanznahme, sei es durch Komik, sei es durch
Ironie. Die bitteren Tränen der Petra von Kant ist eine Melodram
beinahe ohne Sauerstoffzufuhr: auf diese alles andere als angenehme, keineswegs
kathartische Art nimmt es den Atem.
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