Don Siegel: Die Flucht von Alcatraz (Escape from Alcatraz, USA 1979)

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Don Siegel: Die Flucht von Alcatraz (Escape from Alcatraz, USA 1979)

USA 1979
 

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Don Siegel: Die Flucht von Alcatraz (Escape From Alcatraz, USA 1979)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Die Filme, die Don Siegel mit Clint Eastwood gemacht hat, sind Versuchsanordnungen, die ihren Helden mit Bedacht in übermächtiger feindlicher Umgebung plazieren. Der Heroismus der schlichten, aber wirkungsvollen Art, wie er in den Filmen, bei denen Eastwood selbst Regie geführt hat (Ein Fremder ohne Namen, Der Mann, der niemals aufgibt), bis zur Parodie auf die Spitze getrieben wird, verbietet sich der Umstände wegen - oder ist, in vermeintlich zivilisiertem Umfeld fragwürdig geworden. Der Mikrokosmos, in den Eastwood mit den ersten Bildern von Flucht von Alcatraz geschickt wird, ist von extremer Rigidität, räumlicher und sozialer Art. Neben der klaren Hierarchie von Gefängnisleitung/Wärtern und Gefangenen gibt es eine weitere strenge Ordnung unter den Gefangenen selbst. Frank Morris wird sogleich mit beiden konfrontiert: Wolf (homo homini lupus) als bedrohliche Verkörperung des Rechts des Stärkeren in den als privat rekonstruierten Räumen auf Alcatraz (Speisesaal, Dusche, Gefängnishof) und der sadistische Direktor auf der anderen Seite. Morris erweist sich als Meister darin, die Hebel an den richtigen Stellen anzusetzen, nicht die offene Konfrontation zu suchen, sondern Schwachpunkte auszumachen und sofort zu nützen.

Das bestimmende Moment des Lebens auf Alcatraz ist Kargheit: der Verpflegung, der Aktivitäten, der sozialen Beziehungen, die im wesentlichen nach dem Freund/Feind-Schema geordnet werden, sogar so sehr, daß Rassenvorurteile innerhalb dieses Raums suspendiert sind. Realistischerweise sind die Schwarzen auf Alcatraz in der Mehrheit, was der Film nicht betont, aber beim Hofgang immer wieder klar zeigt. Zutritt von außen wird regelmäßig als schmerzhaft empfunden, als Erinnerung an ein Leben, das man am liebsten vergessen hätte. Die Biografien sind brutal abgeschnitten, der einzige Moment der Berührung mit dem Draußen, das vergangen ist, ist ein intensiver und qualvoller Moment. Das Komplement dieses Schmerzes ist das Trachten auf Flucht. Durch die Unmöglichkeit des Gelingens ein beinahe theologisch zu beschreibendes Ziel. Morris ist der einzige, der die Hoffnung sehr handfest und praktisch in die Tat umzusetzen beginnt.

Die Kargheit der Gefängnisinsel (mit dem gelegentlichen, aber nie subjektiven Blick auf die Silhouette San Franciscos) wird von den filmischen Mitteln reproduziert: Die Beleuchtung ist mehr als low-key, es gibt mehrere Momente (der Flucht, der Fluchtvorbereitung), in denen man buchstäblich gar nichts mehr sieht. Über weite Strecken kommt der Film dazu ohne Musik aus, erst mit der Vorbereitung der Flucht beginnt sie einzusetzen, ein seltsam oszillierender Orgelton, der kein einziges Mal zu einer Melodie findet - als reiner Soundtrack nicht zu ertragen, als spannungssteigernde Tonspur großartig. Wie in Bressons Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen, der ohnehin ein verwandter Film ist, ist die reine Tonspur von außerordentlicher Bedeutung. Schritte sind laut, deutlich, bedrohlich, klar herausgearbeitet. Unter den übrigen Geräuschen dominieren die der Materialbearbeitung: die Sägen der Tischlerei, das Abklopfen der Mauersteine, der Bohrer auf der Flucht, Kreischen, Hämmern - und dazu im Kontrast die Stille. Die Isolationshaft stellt dabei die Grenze der Darstellbakeit dar, Siegel ist klug darin, hier nicht folgen zu wollen.

Die Sparsamkeit Siegels in den inszenatorischen Mitteln unterstreicht die Effizienz und Beharrlichkeit von Morris, der in der auf allen Seiten bedrohlichen Umwelt die meiste, kaum vergehende Zeit, wie ein Kaltblütler verharrt, auf seine Möglichkeiten lauert und sofort zugreift, sobald er seine Chance erkennt. Er ist, und das ist Bestandteil der Eastwood-Persona, gänzlich geschichtslos. Seine Biografie bleibt unbekannt, Motivation ist nicht kausal psychologischer Art. Morris ist das Prinzip des Überlebens in tödlicher Umwelt, er ist ein Meister der Anpassung, daraus erklärt sich sein Handeln. Am Ende entläßt der Film seine Helden in die Freiheit: sie verschwinden aus dem Bild, ins Ungewisse, der Epilog ist lapidar, aber genau die Form von Happy End, die dem kargen Film entspricht.

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