Jean-Pierre Melville: Die Millionen eines Gehetzten (I / F 1962)

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Jean-Pierre Melville: Die Millionen eines Gehetzten (I / F 1962)

I / F 1962

Mit Jean-Paul Belmondo, Charles Vanel

 

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Jean-Pierre Melville: Die Millionen eines Gehetzten (I / F 1962)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Was für eine grandiose Exposition: ein leerer Boxring, weiß, die Zuschauer kaum erkennbar, ist das erste Bild des Films. Eine tabula rasa des Erzählens, die sich füllt, eines Erzählens, das mit einem Ich, das spricht, sogleich das Bild, die Bilder, kommentieren wird (das hält sich durch, bis zum Ende). Es folgt, zum und als Vorspann, ein Boxkampf, beinahe nicht dramatisiert, es wird der letzte sein, den der Held, Michel Maudet, der zum Boxen nicht taugt, kämpft. Nicht jedoch der letzte Zweikampf, denn die Geschichte eines Zweikampfs ist es, die "Die Millionen eines Gehetzten" erzählt, eines Zweikampfs, der zugleich ein Kampf um Anerkennung ist, sich zu einer Art Vater-Sohn-Beziehung entwickelt, in die auf komplexe Weise Gier und Liebe, der Wunsch zu demütigen und der Wunsch zu schützen hineinspielt.

Sie bewegen sich aufeinander zu: Michel Maudet, der einen neuen Job braucht und Lina, seine Freundin, dafür aufgibt und Dieudonné Ferchaux, der bankrotte Bankier, der in die USA flieht, auf der Suche nach dem Geld, das er dort deponiert hat. Eine Zeitungsanzeige führt die beiden zusammen, den einen als Sekretär des anderen, gemeinsam fliegen sie nach New York, danach auf die Straße durchs weite Land, ein road movie, das irgendwann zum Stillstand kommt. Zuvor aber ein Umweg über Hoboken, den New Yorker Vorort, Maudet hat ihn sich ausbedungen, ein Blick auf das Haus seines großen Helden, des Selfmademanns, der er selbst werden möchte: Frank Sinatra. Unterwegs dann spielen sie Katz und Maus miteinander, Maudet will Ferchaux aus der Reserve locken, dessen Menschenkenntnis auf die Probe stellen. Es kommt zu Machtkämpfen, durch eine junge Anhalterin erweitert zum Dreieck. Der Frieden der Bilder, Landschaften en passant, ein Halt an einem Fluss, in dem sie baden, während die Kamera sich ein ganz unabhängiges Bild macht von der Situation. Dazu die Musik, harmonisch, einen Einklang vortäuschend mit der Natur, aber auch mit den Städten, zu denen sie in Motivanklängen das Klischee liefert.

Die Fahrt kommt in der Nähe von New Orleans an ihr Ende, nicht das Gegeneinander von Innen- und Außenräumen. Im Inneren bewegen sich die Figuren vor klaren, popartbunten Farbflächen, eingefangen werden sie in künstlichen Arrangements, symmetrisiert durch Lampen, Blumensträuße, die zwischen sie platziert werden. Die Farbkompositionen beharren vom ersten Bild an auf der Verweigerung jeden Realismus, die Welt der Figuren ist eine Melvillewelt. Außen streift der Blick, aus dem Autofenster, entlang der Natur, die so nicht mit Weite verknüpft ist, sondern mit dieser Bewegung. Aber auch die Stadtlandschaften, beispielhaft New Orleans, scheinen etwas wie Freiheit zu versprechen, die Kamera, im Auto, das Auto als Kamera, bewegen sich ganz analog. Es ist ein Film dieser doppelten Bewegung: eine, die keine Grenzen zu kennen scheint, die Landschaft in der Distanz als Freiheitsversprechen inszeniert, in den Innenräumen aber immer wieder (hier expemplarisch: der Boxring) Menschen konfrontiert, menschliche Beziehungen, zu denen die zugrundeliegende These zu lauten scheint: es ist ihnen nicht zu entkommen. Oder: Nur in ihnen, in der Aushandlung der Anerkennung, lässt sich das finden, was Michel Maudet sucht, "Erlösung" vielleicht, kein großer Begriff jedenfalls scheint zu hoch gegriffen.

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