Die Szene des Films, die erste ganz explizit, aber im Grunde die
ganze, ist: das Kino. Ein Stummfilm wird gezeigt, Titel: der Kuss, die Kamera
zeigt in Großaufnahme, affektgeschüttelt, Helen, die Heldin des
Films, stößt den Betrachter mit den Augen auf seine
Identifikationsfigur. Im Off, ob-szön, zeigt der Film, der natürlich
kein Theater ist, dem keine Szene fremd sein will, wie ein Mord geschieht.
Falsch. Wir sehen nicht den Mord, wir sehen das Opfer, wir sehen es mit den
Augen des Täters und wir sehen: die Augen des Täters. Die Kamera
fährt, nicht zum letzten Mal, auf sie zu, in sie hinein, im Off, dessen
Gesehen-Werden wir sehen, von dem aber dieses Reflexiv-Werden des Kamerablicks
- es ist, als wendete sich die Kamera auf sich selbst - abblendet.
Höchst konsequent konzentriert sich Die Wendeltreppe -
ein Vorläufer von Peeping Tom - auf diese visuelle Metapher,
die zur vielfachen Reflexionsfigur wird. So gibt es einen Widerpart der
bedrohlichen, der tödlichen Augen des Täters. Die von Mrs Warren,
passiv in ihrem Bett, behütet wider Willen und doch, mit letzter Kraft,
Hüterin des Hauses, das für eine zerfallende Familie steht. "Auch
wenn sie die Augen geschlossen hat, glaubt man, dass sie einen im Blick hat",
stellt die Krankenschwester mit einem Schaudern fest. Die Reichweite dieses
schützenden Blicks ist jedoch schrecklich gering geworden, an der Schwelle
ihres Zimmers endet Mrs. Warrens Reich, oder wenigstens scheint es so.
Jenseits dieser Schwelle, das begreifen wir schnell, herrscht ein
anderes, düsteres Gesetz. Die Morde, die seit einiger Zeit in der
näheren Umgebung stattfinden, haben ihren Ursprung innerhalb der Wände
dieses Hauses, dessen Interieurs noch im Zustand des Zerfalls von einstigem
Glanz, Reichtum und vor allem: von einstiger Großwildjägerei
künden. Die Jägerei steht für den (nun abwesenden, toten)
Vater, dessen tödlich geschwächter Stellvertreter dessen zweite
Frau ist (auch sie furchtlos und treffsicher im Umgang mit der Waffe). Die
Söhne aber, als die Schwächlinge, als die der Vater sie immer gesehen
hat und als die sie, folgsam genug, sich selbst zu sehen gelernt haben, teilen
ihre Charaktere komplementär in Zügellosigkeit einerseits und den
Wunsch, den Vater mit den falschen Mitteln in perverser Nachfolge noch zu
übertrumpfen andererseits.
In dieses Durcheinander familialer und libidinöser Verstrickungen
werden, zur Ablenkung teils, zur Variation, aber auch als Gegenentwurf, weitere
Figuren platziert. Helen vor allem, verstummt nach einer traumatischen Erfahrung,
schutzbedürftig und doch beängstigend begehrenswert. Der junge
Arzt Doktor Perry, selbst in Erbfolgekämpfe mit dem geschwächten
Ärzte-Übervater der Stadt verstrickt, öffnet die Flanke der
im vermeintlich ganzen Haus noch zusammen gehaltenen Familie Warren und droht,
Helen aus ihrer offenbar gerne akzeptierten stummen Opferrolle
herauszureißen. Die Erlösung jedoch kann nur im Verbund mit der
Mutterfigur gelingen, zurück zu Sprache findet sie im eigenen Widerstand
und in der letzten Rettungstat Mrs. Warrens (man fragt sich schon, was Lacan
zu diesem komplizierten Arrangement zu sagen gehabt hätte.)
Siodmak inszeniert dieses Geflecht der Beziehungen, abgesehen von
seiner Augen-Leitmetapher, ruhig und auf Ökonomie bedacht. Die
Außenwelt und die Natur, das stürmische Unwetter sind zuständig
für die düstere Atmosphäre, alles wirklich Bedrohliche aber
hat seinen Ursprung in den Affekten der Menschen. Die Struktur des Whodunit
- eine Mordserie, die baldige Konzentration auf ein einsames Landhaus
- wird auf die Klaustrophobie des Thrillers (dessen Prinzip darin besteht,
dass kommt, was kommen muss, ohne dass man etwas dagegen unternehmen kann)
umgelenkt und unterwegs mit psychoanalytischen Motiven aufgeladen. Siodmak
bringt das alles mit Leichtigkeit zusammen, ganz als wäre nichts dabei.
Nicht zuletzt darin liegt seine Meisterschaft.
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