King Vidor: Duell in der Sonne  (1946)

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King Vidor: Duell in der Sonne  (1946)
Kritik von Ekkehard Knörer

King Vidor: Duell in der Sonne

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Es beginnt mit einem Blick zurück. Ein gottverlassener Fleck in der Wüste, ein blühender Kaktus, die Stimme eines Erzählers erklärt ihn zur Meatpher für Pearl, deren Spur sich an dieser Stelle verliert. Das Epos, als das Duell in der Sonne gedacht ist, erzählt vom Leben Pearls, den Spuren, die sie hinterlassen hat und beginnt damit, dass sie auf denkbar blutige Art verwaist: Ihr Vater tötet ihre Mutter, die Indianerin, die rockschwingend durch eine Bar tanzte und den nächsten besten Mann aufs Zimmer geschleppt hat. Es fährt Pearls Vater, an sich ein besonnener Mann, rächend dazwischen, tötet seine Frau und ihren Liebhaber, wir beobachten es, mit Pearls Augen, aus der Ferne als Scherenschnittdrama hinter Fensterscheiben. Ein letzter Besuch Pearls bei ihrem Vater in der Todeszelle folgt.

Pearl bekommt eine neue Familie - und zur Ersatz-Mutter die ehemalige Geliebte des Vaters. Im Arrangement der neuen Familie ist alles fürs Melodram bereit: ein tyrannischer Vater, feindliche Brüder, die um die sinnliche Pearl konkurrieren. Jesse, der Jurist, der sie zivilisieren, zur Frau erziehen will und Lewt (sprechende Namen: nichts darf hier nur einmal gesagt sein), der nichts als Sex im Sinn hat und für den Rest des Films haben wird. Pearl, das Naturkind, hat Lewts Drängen nichts als die dümmsten Dialogzeilen in diesem an dummen Dialogzeilen nicht armen Film entgegen zu setzen und das bisschen eigenen Willen und Verstand. Lange reicht das nicht - und Jesse, der sich gerade auf die Seite von Recht und Gesetz und damit gegen den Vater gestellt hat, platzt ins postkoitale Szenario, nimmt schweren Herzens Abschied von Pearl und vom Zivilisierungsunternehmen, verschwindet, des Hofes verwiesen, nach Austin und wird dort eine hoch kultivierte Frau kennen lernen.

Jennifer Jones müht sich unterdessen verzweifelt, verzweifelt zu scheinen, rauft sich das wild gelockte Haar und verliert sich im weiteren ein ums andere Mal an die rasende Lust, die Lewt in ihr weckt. An melodramatischen Szenen herrscht folglich kein Mangel: Pearl, die sich an Lewts Beine klammert, das hörige und heulende Elend. Lewt, der den Mann, den Pearl ausfluchtshalber heiraten will, erschießt. Und, schlussendlich, das Duell in der Sonne, Hass und Liebe, Flinten und Küsse, Penthesilea in der Wüste und nicht ohne unfreiwillige Komik.

Auch sonst ist die unfreiwillige Komik dem Betrachter ein ständiger Begleiter. Verblüffend allerdings, dass damit längst nicht alles über den Film gesagt ist. Pathos, Kitsch und Melodram besitzen eine Grandiosität, die über bloßen Camp immer wieder hinaus drängt - die Leidenschaften, die die Figuren schütteln, bleiben rasend unplausibel, nichts als ständige Behauptung. Direkte Anteilnahme verbietet sich, es sind nicht Empathie und Mitleid, die in den Betrachter kathartisch hineinfahren. Aber etwas fährt - durch den unsäglichen Sexismus, den womöglich noch unsäglicheren Rassismus hindurch - eben doch in ihn hinein. Affiziert werden wir, ungläubig aufgerissenen Auges, von dem schieren Willen (klipp und klar lässt sich in diesem Fall wohl sagen: David O. Selznicks), uns am Innersten zu packen. Was uns erreicht ist dann aber, ironischer Weise, eher das Äußerste: an getriebenem Aufwand, an gestischer Anstrengung Jennifer Jones, die über Darstellung weit hinaus geht. An ihrem Spiel kippt Expressivität in Camp und doch kippen in diesem Kippen auch wir: hingerissen wider Willen und wider allen Kunstverstand von der Maßlosigkeit, mit der hier mitten im Abgrund des Unsäglichen dem Lächerlichen immer wieder getrotzt wird.

Seltsame Dialektik dieses Film: das - trotz King Vidors ersichtlichem Können, von diesem noch einmal interessant konterkarierten - so sagenhaft Misslungene, die Kluft zwischen Anspruch und Realität, die Unmöglichkeit auch, über das Misslungene hinwegzusehen, machen gerade den Reiz des Films aus, der eine der sehenswertesten ästhetischen Katastrophen der Filmgeschichte ist. Und eines in jedem Fall: ein Film wie kein anderer.

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