Alexander Medwedkin: Glück (Schastye, SU 1934)

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Alexander Medwedkin: Glück (Schastye, SU 1934)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Khmyr ist ein Hans im Unglück von der Sorte, die noch über den eigenen Schatten stolpert. Alexander Medwedkin schickt ihn auf einen Parcours, an dessen Ende er nicht mehr der alte Adam ist, aber vielleicht doch kein neuer Mensch. Der Parcours ist einer der Historie, der Film vielleicht ein Lehrstück. Unterm Zaren noch beobachten Khmyr und seine - um vieles lebenstauglichere Frau - durch ein Loch im Zaun einen Kerl, der es sich im eignen Garten kannibalisch wohl gehen lässt, es fliegen ihm die Wareniki ins Maul. Khmyr macht sich auf, das Glück zu suchen und findet, einem nichts gutes verheißenden Wegweiser folgend, gleich etwas, das ihm, dem Glück, sehr ähnlich sieht.

Um eine Börse voller Geld prügeln sich ein frommer Mann und ein anderer, Khmyr ist (darauf kommt der Film am Ende zurück) der lachende Dritte. Er kauft sich Haus und Hof und ein gepunktetes Pferd, das ihm sogleich das Stroh vom Dach frisst. Ohnehin ist die Hütte, in der er lebt, eine reichlich schiefe Angelegenheit, das Pferd knickt weg unter der Anstrengung, den Boden fruchtbar zu machen, die Frau dann auch: es ist kein Segen in seinem strebenden Bemühen. Ein Sprung in die neue Zeit, Khmyrs Unglück ist nun in einer Kolchose verstaatlicht. Die Figuren von früher treten wieder auf, allegorisch allesamt: als Unruhestifter der clownsgleiche Ex-Kapitalist, gierig wie je der Pope und das Pferd taugt noch immer zu nichts. Im weiteren Verlauf wird Khmyr ein Haus unterm Hintern weg gestohlen, flink rennt es davon, es folgt eine Schlacht mit frischem Obst.

Die Welt des Films ist verschoben, weg von der sozialistischen Realität, die Medwedkin in den Jahren 1932-1934 mit seinem fahrenden Filmzug einzufangen bemüht war. Hier ist die Wirklichkeit transformiert in eine Groteske, in der zur Wiedererkennbarkeit verzerrte Karikaturen der (prä)bolschewistischen Zeit im Slapstick-Tempo durch Berge und Täler einer Fantasielandschaft jagen (mehr als einmal übrigens erinnert das am ehesten noch an Jodorowskys "El Topo"). Es stimmt was nicht mit den Proportionen, riesige Schlösser hängen vor Toren, hinter denen stets weniger ist als man erwarten würde. Erstaunlich und wenig konform mit irgend einer Glaubensrichtung gleich zwei Scherze, die der Film mit Selbstmord treibt: Khmyr bastelt sich, gekonnt, muss man sagen, einen Sarg, eine Frau hängt sich auf an einem Windmühlenflügel. Beide aber überleben - wie ohnehin manch Totgeglaubter hier immer wieder aufersteht.

Kahle Bäume, steile Anstiege, in die Luft ragende Rauschebärte, zaristische Garden mit Schweinsgesichtmasken, Nonnen in durchsichtigem Schwarz.: im Herzen dieses Realismus sitzt der Wille zur satirischen Verfremdung. Khmyr wird bis zum Ende - und insofern ist das ganze dann vielleicht doch kein Lehrstück - kein Held der Arbeit, bleibt ein "nutzloser Mensch" der vorsowjetischen Periode, da kann man ihn in schicke Anzüge werfen, so viel man will - ein Bruch der fantastischen Welt ist das übrigens, im letzten Kapitel, Khmyr gerät hinein in die Großstadtmoderne. Und höchst angebracht scheint an dieser Stelle, nebenbei gesagt, der Vergleich mit Renoirs Boudu, einem Außenseiter einer anderen Gesellschaft. Zynisch, möchte man meinen, das Ende: zwei Landstreicher kloppen sich um die abgetragene Kleidung Khmyrs. Er sitzt daneben und lacht und lacht.

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