Khmyr ist ein Hans im Unglück von der Sorte, die noch über
den eigenen Schatten stolpert. Alexander Medwedkin schickt ihn auf einen
Parcours, an dessen Ende er nicht mehr der alte Adam ist, aber vielleicht
doch kein neuer Mensch. Der Parcours ist einer der Historie, der Film vielleicht
ein Lehrstück. Unterm Zaren noch beobachten Khmyr und seine - um vieles
lebenstauglichere Frau - durch ein Loch im Zaun einen Kerl, der es sich im
eignen Garten kannibalisch wohl gehen lässt, es fliegen ihm die Wareniki
ins Maul. Khmyr macht sich auf, das Glück zu suchen und findet, einem
nichts gutes verheißenden Wegweiser folgend, gleich etwas, das ihm,
dem Glück, sehr ähnlich sieht.
Um eine Börse voller Geld prügeln sich ein frommer Mann
und ein anderer, Khmyr ist (darauf kommt der Film am Ende zurück) der
lachende Dritte. Er kauft sich Haus und Hof und ein gepunktetes Pferd, das
ihm sogleich das Stroh vom Dach frisst. Ohnehin ist die Hütte, in der
er lebt, eine reichlich schiefe Angelegenheit, das Pferd knickt weg unter
der Anstrengung, den Boden fruchtbar zu machen, die Frau dann auch: es ist
kein Segen in seinem strebenden Bemühen. Ein Sprung in die neue Zeit,
Khmyrs Unglück ist nun in einer Kolchose verstaatlicht. Die Figuren
von früher treten wieder auf, allegorisch allesamt: als Unruhestifter
der clownsgleiche Ex-Kapitalist, gierig wie je der Pope und das Pferd taugt
noch immer zu nichts. Im weiteren Verlauf wird Khmyr ein Haus unterm Hintern
weg gestohlen, flink rennt es davon, es folgt eine Schlacht mit frischem
Obst.
Die Welt des Films ist verschoben, weg von der sozialistischen
Realität, die Medwedkin in den Jahren 1932-1934 mit seinem fahrenden
Filmzug einzufangen bemüht war. Hier ist die Wirklichkeit transformiert
in eine Groteske, in der zur Wiedererkennbarkeit verzerrte Karikaturen der
(prä)bolschewistischen Zeit im Slapstick-Tempo durch Berge und Täler
einer Fantasielandschaft jagen (mehr als einmal übrigens erinnert das
am ehesten noch an Jodorowskys "El Topo"). Es stimmt was nicht mit den
Proportionen, riesige Schlösser hängen vor Toren, hinter denen
stets weniger ist als man erwarten würde. Erstaunlich und wenig konform
mit irgend einer Glaubensrichtung gleich zwei Scherze, die der Film mit
Selbstmord treibt: Khmyr bastelt sich, gekonnt, muss man sagen, einen Sarg,
eine Frau hängt sich auf an einem Windmühlenflügel. Beide
aber überleben - wie ohnehin manch Totgeglaubter hier immer wieder
aufersteht.
Kahle Bäume, steile Anstiege, in die Luft ragende Rauschebärte,
zaristische Garden mit Schweinsgesichtmasken, Nonnen in durchsichtigem Schwarz.:
im Herzen dieses Realismus sitzt der Wille zur satirischen Verfremdung. Khmyr
wird bis zum Ende - und insofern ist das ganze dann vielleicht doch kein
Lehrstück - kein Held der Arbeit, bleibt ein "nutzloser Mensch" der
vorsowjetischen Periode, da kann man ihn in schicke Anzüge werfen, so
viel man will - ein Bruch der fantastischen Welt ist das übrigens, im
letzten Kapitel, Khmyr gerät hinein in die Großstadtmoderne. Und
höchst angebracht scheint an dieser Stelle, nebenbei gesagt, der Vergleich
mit Renoirs Boudu, einem
Außenseiter einer anderen Gesellschaft. Zynisch, möchte man meinen,
das Ende: zwei Landstreicher kloppen sich um die abgetragene Kleidung Khmyrs.
Er sitzt daneben und lacht und lacht. |