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Cecil
B. DeMille: Whispering Chorus (USA 1919)
Rezension von Ekkehard Knörer
Für John Trembles Sterben findet De Mille ein treffliches
Bild: in einer weißen Blüte, die Tremble in der Hand hält,
deren Blätter nach den Stromstößen zu Boden sinken, vereinen
sich Metapher und Metonymie zum visuellen Reden vom Tod (und zugleich
natürlich zur Vermeidung der nackten Anschauung). |
The
Master of the House (Carl Theodor Dreyer, 1924)
Eine simple, ohne jeden Kompromiss an ihr logisches Ende erzählte
Geschichte. Der Sturz des Tyrannen mit weiblichen Mitteln, eine bürgerliche
Tragödie im Komödienformat, ein blitzsauberer Diskurs über
Geschlechterordnungen. Die Gewalt, die regulierend eingreift in die aus dem
Gleichgewicht geratene Kleinfamilie ist die der Mütter. Sie löschen
das Gesetz des Vaters aus, indem sie exemplarisch vorführen: an dieser
Stelle sitzt eine aufgeblasene Null. |
Buster Keaton: Battling
Butler (USA 1926)
Der schönste Moment des Films das Schlussbild: Alfred Butler,
halb noch Boxer mit freiem Oberkörper, halb alter Adam mit Zylinder
und Gehstock, Arm in Arm mit seiner Frau auf den Straßen der
Großstadt. Stolz zurückgewonnene Weltfremdheit, kein anderer Blick
mehr interessiert ihn als der der Frau, auf dem Weg zurück zur zweiten
Natur, zu der ihm die Überfeinerung der Zivilisation geworden ist. |
Ernst Lubitsch: The
Marriage Circle (USA 1924)
Jede Nuance der Menschenbeobachtung sitzt, Knoten werden mit leichter
Hand geschürzt und wieder gelöst, die Bewegungen aller Beteiligten
sind - ohne dass man den Zugriff des Marionettenspielers spürte - bestens
aufeinander abgestimmt. Es ist, wie gesagt, im Grunde ein wunderbares
Ballett. |
Alexander Medwedkin: Glück
(Schastye 1934)
Die Welt des Films ist verschoben, weg von der sozialistischen
Realität, die Medwedkin in den Jahren 1932-1934 mit seinem fahrenden
Filmzug einzufangen bemüht war. Hier ist die Wirklichkeit transformiert
in eine Groteske, in der zur Wiedererkennbarkeit verzerrte Karikaturen der
(prä)bolschewistischen Zeit im Slapstick-Tempo durch Berge und Täler
einer Fantasielandschaft jagen. |
F.W. Murnau
Schloss Vogelöd (D
1922)
Der Schrecken dringt von außen und von innen. Auch aus der
Vergangenheit: eine Beichte beginnt, der Film gibt dem Vergangenen Bilder
als Rückblende, bricht sie bald ab, berichtet von der seltsamen Konversion
eines Ehemanns, erklärt wird sie nicht, plausibel wird sie nicht,
merkwürdig licht sind die Bilder.
Faust
Wunderbare Trickbilder sind es, die Murnau findet, aus dem Geiste
Meliès', aber erhaben sind sie nicht. Statt Unermesslichkeit nur
Pappmaché im Bild.
Tartüff
Um fast nichts anderes geht es in Tartüff als um Blicke. Entlarvung
im Off der Beteiligten. Die Haushälterin und ihr diebisches Lachen,
sobald der Großvater anderswohin sieht. Rechts und links gekascht der
erste verstohlene Blick durch eine Tür, der Enkel beobachtet die
Haushälterin, wie sie Gift ins Glas mischt. Dadurch präfiguriert:
die Entdeckungsszene des Films im Film, inszeniert recht eigentlich als Film
im Film im Film.
Tabu
Das Paradies hat einen Körper in geschwindester Bewegung. Der
Körper ist die Insel, auf der, zu Lande und zu Wasser wie ungeschieden
die Männer und die Frauen zuhause sind. Aus dem Körper lösen
sich exemplarische Einzelkörper, die eins sind miteinander und viele,
Matahi, der strahlend auf dem Fels steht im Meer oder im Wasser schwimmt
auf der Insel. |
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Ozu-Retrospektive im
Berliner Arsenal
Kommentare von Ekkehard Knörer
Das Berliner Arsenal zeigt alle noch existierenden Filme des großen
japanischen Regisseurs Yasujiro Ozu. Wie es guter Retrospektiven- Brauch
ist, sind wir auch diesmal kommentierend dabei.
A Mother Should be Loved (1934)
The Woman of Tokyo (1933)
Dragnet Girl (1932)
Where Now Are My Dreams of Youth?
(1932)
I Was Born, But... (1932)
Ich wurde geboren, aber...
(1932)
That Night's Wife (1930)
I flunked, but... (1930)
Walk Cheerfully (1930)
Days of Youth (1929) |
Georg Wilhelm
Pabst: Geheimnisse einer Seele (D 1926) |
Pabsts Umsetzung dieses einfachen Falles ist beeindruckend: gerade in der
Verbindung von im Stil der Neuen Sachlichkeit gehaltenen Alltagsszenen und
somnambul-expressionistischen Traumsequenzen gelingt es ihm, die groben Klischees
dieser Fallgeschichte zum Ganzen eines Spielfilms zu verknüpfen. Die
Tricks sind fabelhaft, die gefundenen Traum-Bilder sehr eindrücklich.
Die Inszenierung ist elegant und intelligent, das Können Pabsts liegt
in der Montage, die auf Symbolik gerade verzichtet und die Symbole so zur
Geschichte verflüssigt und plausibilisiert.
G.W.
Pabst: Die Büchse der Pandora (D 1929)
Jack the Ripper ist der deus ex machina als Radikalisierung
der Liebe/Hass- Verschränkungen, die Lulu auf sich ziehen muss. An ihm
treten idealisierende Sehnsucht und von allen psychologischen Beweggründen
gelöster Zerstörungsdrang pathologisch auseinander. Sein Blick
trifft Lulus nicht - fällt auf eine andere Licht-Reflexion, das
gleißende Messer im Dunklen. Eine Auslöschung und Jack the Ripper
kehrt zurück in den Schatten des Londoner Nebels und seiner historischen
Anonymität. |
Nell Shipman & Bert
Van Tuyle: Something New (USA 1920)
Eine Frau sitzt, in freier Natur, an einer Schreibmaschine. Sie ist
Schriftstellerin vor weißem Papier, auf der Suche nach einer Geschichte,
die noch nicht erzählt ist. Ins Auge fallen ihr zwei Männer, einer
im Auto, einer auf dem Pferd, die ein Wettrennen beginnen. Heureka, das gibt
ihr die Idee. Die Erzählung, die folgt, wird so gerahmt, das Auto bietet
Gelegenheit für den entscheidenden neuen Dreh in einer alten Geschichte.
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The
Outlaw and his Wife (Victor Sjöström,
1919)
In der Einsamkeit der Berge - die Stimmungen wechseln mit den
unterschiedlichen Einfärbungen der Bilder - ersteht aus der Natur und
gegen sie eine neue Gemeinschaft: ein Kind wird geboren, ein neuer Alltag
stellt sich ein, die Frau wäscht, der Mann jagt. |
Kino-Glaz
(Dziga Vertov, SU 1925)
Kritik von Ekkehard Knörer
Die schiere Lust am Schauen verbindet sich mit der faszinierten Einsicht
in die Zerlegbarkeit der Ablaufslinearität in den Bildern vom Turmspringen,
die Riefenstahl zu antizipieren scheinen. Nur dass Riefenstahl auf
Naturalisierungen aus ist (die ihr ideologisch bis heute Schönheit
heißen); Vertov will das Gegenteil. |
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