Nagisa Oshima: Im Reich der Sinne (1976)

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Im Reich der Sinne

Japan 1976
[Image]

Regie: Nagisa Oshima

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Nagisa Oshima: Im Reich der Sinne
Kritik von Ekkehard Knörer
 
Die Qualitäten von Im Reich der Sinne liegen nicht auf der Hand. Die Voraussetzungen dafür, dass das, was man sieht, nicht pornografisch ist, liegen in einer Geschlossenheit des Films, die sich unsichtbar macht und alle Aufmerksamkeit konzentriert hält auf das, was sich abspielt. Durch diese Geschlossenheit, die eine gar nicht in erster Linie narrativer, sondern vor allem formaler Art ist, dringen keine falschen Töne ins Innere des Films, ins zunehmend von allem Sozialen, ja Nicht-Sexuellen geleerte Vakuum, in dem die Obsession von Sada und Kichi-San ihren Platz hat. Diese Geschlossenheit ist aber auch eine des Raums, in dem sich die sexuelle Intensität zwischen den beiden so lange steigert, bis sie nicht mehr steigerbar ist, außer durch den Tod. Es gibt Momente der Entspannung, kurz, des Ausbruchs in eine Welt, von der man dann fast erstaunt ist, dass sie auch noch existiert: aber selbst da wird jede Begegnung zum Spiegelbild der Fixierung, wird jeder andere Mensch zum Ersatz-Objekt des dyadischen Begehrens.

Eintönigkeit ist das Signum des Films, langsam der Rhythmus, monoton das Geschehen. Es gibt, buchstäblich, keine Einstellung ohne Verweis auf Sexuelles. Vom ersten Blick Sadas auf Kichi-San mit seiner Frau, der noch einen Blick zwischen die beiden legt, bis zu ihrer fast unlösbaren Umklammerung, die diesen Blick ganz an den Zuschauer zurückgibt. Voyeurismus ist dennoch kaum das Thema von Im Reich der Sinne: alle ins Einvernehmen der zunehmend Abgekapselten Gezogenen, so also auch der Betrachter, werden zur Partizipation oder partizipierenden Beobachtung aufgefordert - und zugleich bleibt man doch stets ausgeschlossen. Jeder kann hineingenommen werden ins immer ernstere Spiel, selbst die Geisha-Greisin, und doch ist keiner mehr als der Stein, an dem sich die Lust und die Eifersucht der beiden brechen oder neu aufladen.

Thema und Darstellung sind in Im Reich der Sinne eins. Es gibt keine Indirektheiten, Andeutungen, keine Metaphern und Symbole. Alle Aktion, jeder Blick ist direkt, alles steht für das, was es ist. Die Repräsentation ist ganz und gar flächig. In dieser Hinsicht wiederholt der Film in der Form die Obsession seiner Figuren. Daher auch muss er alles zeigen: die Wiederholungen, die langsame Steigerung, die sexuellen Einzelheiten, das Ei und das Blut. Die Großaufnahme, etwa, immer wieder, von Kichis Schwanz, ist kein Attraktor für Emotion oder Lust, der Schwanz selbst, der Fixiertheit Sadas zum Trotz, kein Lacanscher Phallus, der über Symbolisches oder Soziales regiert, sondern nur: privatester Schwanz, den Sada ganz für sich haben will. Daher, von diesem Sinn fürs Literale her, auch das Glück, von dem am Ende die Rede ist, als Sada ihn an sich gebracht hat, mit ihm durch die Straßen zieht.

Ebenfalls besprochen: Nagisa Oshima: Gohatto

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