| Die Qualitäten von Im Reich der Sinne liegen nicht
		    auf der Hand. Die Voraussetzungen dafür, dass das, was man sieht, nicht
		    pornografisch ist, liegen in einer Geschlossenheit des Films, die sich unsichtbar
		    macht und alle Aufmerksamkeit konzentriert hält auf das, was sich abspielt.
		    Durch diese Geschlossenheit, die eine gar nicht in erster Linie narrativer,
		    sondern vor allem formaler Art ist, dringen keine falschen Töne ins
		    Innere des Films, ins zunehmend von allem Sozialen, ja Nicht-Sexuellen geleerte
		    Vakuum, in dem die Obsession von Sada und Kichi-San ihren Platz hat. Diese
		    Geschlossenheit ist aber auch eine des Raums, in dem sich die sexuelle
		    Intensität zwischen den beiden so lange steigert, bis sie nicht mehr
		    steigerbar ist, außer durch den Tod. Es gibt Momente der Entspannung,
		    kurz, des Ausbruchs in eine Welt, von der man dann fast erstaunt ist, dass
		    sie auch noch existiert: aber selbst da wird jede Begegnung zum Spiegelbild
		    der Fixierung, wird jeder andere Mensch zum Ersatz-Objekt des dyadischen
		    Begehrens. 
		    Eintönigkeit ist das Signum des Films, langsam der Rhythmus,
		    monoton das Geschehen. Es gibt, buchstäblich, keine Einstellung ohne
		    Verweis auf Sexuelles. Vom ersten Blick Sadas auf Kichi-San mit seiner Frau,
		    der noch einen Blick zwischen die beiden legt, bis zu ihrer fast unlösbaren
		    Umklammerung, die diesen Blick ganz an den Zuschauer zurückgibt. Voyeurismus
		    ist dennoch kaum das Thema von Im Reich der Sinne: alle ins Einvernehmen
		    der zunehmend Abgekapselten Gezogenen, so also auch der Betrachter, werden
		    zur Partizipation oder partizipierenden Beobachtung aufgefordert - und zugleich
		    bleibt man doch stets ausgeschlossen. Jeder kann hineingenommen werden ins
		    immer ernstere Spiel, selbst die Geisha-Greisin, und doch ist keiner mehr
		    als der Stein, an dem sich die Lust und die Eifersucht der beiden brechen
		    oder neu aufladen. 
		     
		    Thema und Darstellung sind in Im Reich der Sinne eins. Es gibt
		    keine Indirektheiten, Andeutungen, keine Metaphern und Symbole. Alle Aktion,
		    jeder Blick ist direkt, alles steht für das, was es ist. Die
		    Repräsentation ist ganz und gar flächig. In dieser Hinsicht wiederholt
		    der Film in der Form die Obsession seiner Figuren. Daher auch muss er alles
		    zeigen: die Wiederholungen, die langsame Steigerung, die sexuellen Einzelheiten,
		    das Ei und das Blut. Die Großaufnahme, etwa, immer wieder, von Kichis
		    Schwanz, ist kein Attraktor für Emotion oder Lust, der Schwanz selbst,
		    der Fixiertheit Sadas zum Trotz, kein Lacanscher Phallus, der über
		    Symbolisches oder Soziales regiert, sondern nur: privatester Schwanz, den
		    Sada ganz für sich haben will. Daher, von diesem Sinn fürs Literale
		    her, auch das Glück, von dem am Ende die Rede ist, als Sada ihn an sich
		    gebracht hat, mit ihm durch die Straßen zieht. 
		     
		    Ebenfalls besprochen: Nagisa
		    Oshima: Gohatto |