Hauptwerk indischer Romantik, nach einem Drehbuch des nachmalig
von der Kritik gefeierten parallel-cinema-Regisseurs Ritwik Ghatak. Bimal
Roy aber, der hier Regie führt, hat Bollywood im Sinn und malt Leidenschaft,
Natur, comic relief und Gespenster mit Schwung auf die ganz große Leinwand.
Ein Geist, wie ein Geist, von Beginn an Madhumati, die Frau, die mit der
Singstimme der Natur zu rufen scheint, von Nebeln umflossen, von Wassern
umrauscht, von Bäumen umwogt. Draußen jedenfalls, in einem
Draußen, in das sie Anand ruft, singend, lockend, auftauchend,
verschwindend, im Wald, im Wasser, im Nebel.
Gerufen wird auch, wie ohne Absicht, die Erinnerung, zu Beginn. Unwetter,
eine blockierte Straße, ein einsames Schloss, Spinnweben, alle Signale
des Gespensterfilms werden versammelt. Eine Zeichnung weckt die Vergangenheit,
Davendra erinnert sich, Anand gewesen zu sein, einst, in diesem Schloss,
vor langer Zeit und natürlich folgt die Kamera, folgt die Erzählung
dieser Erinnerung als wäre es ein Ruf der Natur. Davendra, Anand war,
im unbestimmten Einst, der Verwalter des Schlosses, dessen Herr, Ugrunararain,
auf dem Bild porträtiert ist, ein Tyrann, der Schurke des Films. Er
kommt erst ins Spiel, als die Liebe, die zu zerstören er bestimmt ist,
entflammt ist. Eine Liebe, die auch Annäherung zwischen den Welten ist,
zwischen dem Schloss und der Natur, denn Madhu lebt mit ihrem Vater in einer
Hütte im Nirgendwo und in Feindschaft mit Ugrunarain.
Eine Liebe, von deren Unzerstörbarkeit der Film träumt,
in den gemeinsamen Gesangsszenen Anands und Madhus zuerst. Und nach der Trennung,
als Madhu ein letzes Mal auftritt, ihren Mörder zu überführen,
als Geist, aber als unvergänglicher. Genauer gesagt: Als Geist, der
wieder Wirklichkeit wird, im nächsten Leben, das die Rahmenerzählung
bereithält. Denn Davendra war, bevor er ins Schloss geriet, auf dem
Weg zu seiner Frau, die - nach der Anamnese, die die Binnenerzählung
ist, verwundert es nicht - keine andere ist als die wieder erstandene Madhu,
Mutter nun von Davendras Sohn.
In selbst für indische Verhältnisse erstaunlicher Weise
kommt hier zusammen, was nicht zusammenzugehören scheint. Die
Beschwörung der Natur zwischen wie halluzinierten Gestalten. Der
Künstlerroman, denn Anand ist ein großer Porträtist - und
seine Bilder sind nicht zuletzt selbst schon geisterhafte Dopplungen der
geliebten Madhu (später freilich: Bannung des teuflischen Ugrunarain).
Die Liebe, die das Schicksal überwindet. Handfester Humor und, wenn
sich das denken lässt, handfester Gespensterglaube. Mit bewegter Kamera
und dem Kitsch unerschrocken ins Auge blickenden, ihn so in verblüffender
Manier konterkarierenden Bildern, unterstützt von Salil Chowdhurys
betörendem Score macht Bimal Roy daraus ein Meisterwerk des
Gefühlskinos. Muss man gesehen haben.
zur Jump Cut Startseite |